309.

[66] Am Sonntage vor Palmsonntag werden in den katholischen Kirchen die Kreuzbilder mit einem blauen Tuche verhängt, am Karfreitage tritt dafür ein schwarzes. Am Palmsonntage werden dort beim Hauptgottesdienst »Palmen«, d.h. Buchsbaumsträucher geweiht. Ehemals nahm man Weidenzweige mit Blütenkätzchen oder Tannenzweige oder Vickbeersträuche,[66] als der Buchsbaum noch selten war in den Gärten. Erwachsene legen beim Kirchgange einen Buchsbaumzweig in das Gebetbuch. Kinder tragen einen 11/2 Meter langen, der Rinde entblößten, zur Hälfte mit Buchsbaum umwickelten Weidenstab, auf dem oben ein roter Paradiesapfel steckt, zur Kirche. An einigen Orten sind diese »Palmstöcke« reichhaltiger gestaltet. (Löningen). Ein weißer Stab hat am oberen Ende zwei Querhölzer die mit Buchsbaum umwunden werden. Auf die Enden des Stabes und der Querhölzer steckt man Äpfel, dann reiht man getrocknete Pflaumen auf Fäden und hängt diese Ketten an die Querhölzer. Dazwischen ist ein Bild angebracht. Auch bunte Seidenbänder müssen oft zur Verzierung des Palmstockes dienen. Diese Palmstöcke werden tags vor Palmsonntag in den Häusern mit Hülfe der Eltern, älteren Geschwistern oder Tanten angefertigt. Die Äpfel dürfen niemals fehlen, sie werden eigens zu diesem Zwecke aufgespart. Die roten Paradiesäpfel sind die bevorzugtesten. Bei der Anfertigung singen die Kinder:


Palm, Palm, Poasken,

Hör den Kukuk roasken,

Hör den Kiwit singen,

Loat de Knöpskes springen.


An Orten, wo die einfachste Form gebräuchlich ist (Stab mit Büschel Buchsbaum und Apfel am oberen Ende), lassen die Kinder oft mehrere Exemplare weihen, behalten eins für sich, und die übrigen werden nach dem Gottesdienst an Verwandte oder Freunde verschenkt. (Saterland, Garrel, Vechta). In Garrel bringt jedes Schulkind dem Pastor einen Palmstock; als Gegengabe erhält es ein Bildchen. Im Saterlande und Harkebrügge dürfen sich die Kinder für verschenkte Palmstöcke zu Ostern ein Ei holen. Vereinzelt werden auch wohl die geweihten Palmstöcke auf den Altären oder bei Heiligenstatuen niedergelegt oder auf die Gräber von Verwandten und Freunden gesteckt. (Saterland). Für die Kinder ist der Palmsonntag ein Freudentag; die vielen Palmstöcke in der Kirche geben dem Gottesdienst am Palmsonntag ein eigenartiges Gepräge. Die gesegneten Zweige werden das ganze Jahr hindurch hoch in Ehren gehalten, man birgt sie in dem Glasschrank, hinter dem Spiegel oder einem Heiligenbilde oder Kruzifixe. Auch befestigt man sie in Viehställen zu Schutz und Schirm für die Insassen. (Saterland). Zieht ein Gewitter herauf, so wird ein Sträußlein[67] vom Palmstock in das Herdfeuer geworfen. Bei der Weihe der Palmen geht nämlich das Bittgebet dahin, daß diejenigen, welche die Palmzweige in Händen tragen, mit guten Werken Christi entgegengehen, und daß die Bewohner der Orte, in welche die Palmzweige gebracht werden, sich des göttlichen Segens erfreuen und Schutz für Leib und Seele erhalten. – Kommen die Palmstöcke naß ins Haus, so kommen auch die Garben naß ins Fach. (Münsterland). – Die Asche geweihter Palmzweige dient im nächsten Jahre dazu, am Aschermittwoch den Kirchenbesuchern ein Aschkreuz auf die Stirne zu drücken. – Die Zeit von Palmsonntag bis Ostern heißt »Stille Wäke.«

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 2, Oldenburg 21909, S. 66-68.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg
Aberglaube Und Sagen Aus Dem Herzogtum Oldenburg (Paperback)(German) - Common
Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg: Erster Band