Scena VI

[90] Colline Serini, Cappliers.


SERINI. Dem Himmel sey Danck, der durch die Sorge Sr. Excellenz des Herrn Commendanten es dahin gebracht, daß die Pallisaden und Fortificationes mehrentheils zum Stande, wie dann auch ich nicht ermangelt die Batterien zu verfertigen, und die gehörige Stuck pflantzen zu laßen, daß also unsere Stadt Wienn sich in solchem Stand befindet, an der ein[90] Feind auch noch wohl die Finger brennen, und seinen allzuhitzigen Lust büßen kan.

CAPPLIERS. Die Vorsorge der hohen Generalitaet ist die beste Fortification, wann man aber betrachtet, daß der Feind die Zufuhr des Proviant unserer Stadt bereits abgeschnitten, in welcher viel Millionen Menschen sich befinden, daß wofern der Feind so allbereit auf denen umbliegenden Dörffern einnistet, und das Lager zu schlagen beginnet, die Belägerung in eine bloqvade verwandeln solte, Wir nichtsdestoweniger gefähret seyn würden, derowegen auch allbereit ein geheimes Collegium an dem benachbarten Landmann Befehl ergehen laßen, sein übriges Getrayd und Mund-provision nach der Stadt zu lieffern, wie nicht weniger denen Burgern und Einwohnern anbefohlen worden, ihren Vorrath zu verzeichnen und deßen Specification einem hochlöblichen Consilio zu überlieffern.

SERINI. Diese gute Vorsicht wird zu erhaltung der Stadt nicht wenig beytragen, und bin ich versichert, daß auch die Stadt der provision und Munition wegen auch wohl ein Jahr sich halten könne.

CAPPLIERS. Der Himmel verhüte, daß unsere Stadt nicht also lange der Türckischen Grausamkeit unterworffen seyn möge, sondern er laße Sr. Kayserl. Mayestät Waffen ein Schrecken ihrer Feinde werden. Aber was ist anheute im Geheimen Kriegs- Rath beschloßen, indem ich demselben gestern nicht beygewohnet?

SERINI. Es ist ein Befehl an die Stadt Crembs ergangen, die darinnen sich befindende 1600 Centner Pulver anhero zu lieffern, ingleichen daß zur Sicherheit der Stadt alle umbliegende Vorstädt abgebrennet werden sollen.

CAPPLIERS. Ich bedaure die Einäscherung solcher schönen Gebäuen und Palläste, fürnemlich aber deren Kirchen und Clöster, welche viel Tonnen Goldes gekostet, und deren wieder Erbauung viel Zeit, Mühe und Geld hinwegnehmen wird.

SERINI. Dieses alles ist nicht zu vergleichen mit dem Winseln und Weheklagen deren dadurch in Armuth gesetzten Leuthe, daß es auch billig einem Stein erbarmen solte, und man sich fast einer Aufruhr zu befürchten hat; derowegen ich mich bey Ew. Excellenz beurlaube umb zu Verhütung derselben alle Gegenverfaßung zu machen.

CAPPLIERS. Auch ich folge der Gelegenheit meinem Allergnädigstem Kayser zu dienen.


Beyde ab.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 90-91.
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