Scena V

[88] Wird aufgezogen und praesentiret den außern Theil der Stadt, alwo der Stephans-Thurn mit Sonn und Mond zu sehen, alhie salviren die Leuthe ihre Sachen und Hauß-Geräth zum Stadt-Thor hinein. Hans Wurst komt dazu, sein Weib bedeckt auf der Scheib-Truhen führend, und mit Hauß-Geräth überall behangen.


HANS WURST. Weynet periculum in mora, periculum in Summo gradu, ich armes Bübl steck im Unglück biß an die Ohrwaschel, mein liebes Weibl muß ich mit mir führen und all mein Vermögen im Rauch aufgehen sehen, nichts geht mir zu Hertzen, als daß ich mein goldenes Schatzl in keinen Kobl- Wagen gesetzt, und ihr in meinem Leib-Wagen die Lufft gar zu starck angeht, der Feind ist schon umb und umb auf allen Dörffern, dieses hat mich bewegt, daß ich all mein Haab und Gut im Stich gelaßen, doch hat der Notarius mirs zuvor aufschreiben müßen, daß es nicht hernach heißen soll, ich hab nichts im vermögen gehabt, dieses alles will ich dem leydigen Türcken vermachen, Lieset die Specification No. 1. itz under weil die Vorstädt sollen abgebrennt werden, will ich hingehen und mich auch verbrennen, und in meiner Groß Mutter ihre Fußstapffen treten, welche auch mit 6 Klaffter Holtz gen Himmel gefahren ist.


Burgermeister Liebenberg komt dazu, samt der Burgerschafft mit Fahnen und klingendem Spiel, Hans Wurst vor Schröcken wirfft den Karren umb und begibt sich in etwas auf die Seite.


LIEBENBERG. Mannhaffte Burger, getreue unserer Stadt, Wann selbst die Gefahr die Nothwendigkeit, die Liebe zu dem Vaterlande, ja euer eygenes interehse anstatt meiner das Wort führet, so ist unnöthig euch solches weitläuffig fürzustellen. Nur will ich euch derjenigen frölichen Bottschafft theilhafftig machen, welche von Ihro Röm. Kayserl. Mayestät unserm Allergnädigsten Herrn durch den Mund Sr. Durchlaucht des Marggraffen von Baaden uns verkündiget wird, daß nemlich der Entsatz nicht säumen werde, uns von der Blutdürstigkeit derer Türcken zu erledigen. Anjetzo ist es an euch, Ehre und Ruhm zu erwerben, jedermann siehet auf uns, und unsere Stadt, wie wir dieselbig verthätigen und beschützen werden. Laßet nicht zu, daß da diese Stadt von euern Vorfahren mit Hindansetzung ihres Lebens offtmahls erhalten worden, Sie anjetzo verlohren gehe, und wir etwa den Ruhm unserer Voreltern durch unsere Zaghafftigkeit verdunckeln, sondern suchet durch tapffere Bestreitung euerer Feinde der Nachwelt euere Nahmen zu verewigen. Wer demnach[88] es mit dem Ertz-Hause Öesterreich und unserer Vater-Stadt es treu und aufrichtig meynet, der spreche ein hertzliches ja.


Alle schreyen überlaut ja. Hie wird die Trummel gerühret und das Edict No. 2 denen Burgern vorgelesen.


HANS WURST. Anjetzo will ich meinen Schatz aufladen, und in die Stadt hinein führen.


Entdecket alhie sein Weib welche nichts redet, als ah, ah ah uh uh uh.


LIEBENBERG. Anjetzo ihr so wohl zum Kärntner Viertel als Stuben Pastey gehörige: rechts und lincks um, marchirt auf euern Posten.


Die Burger theilen sich halb recht, halb linck und gehen alle ab.


HANS WURST. Wann alle Weiber ihren Männern so schwer werden als die meinige, so ist kein Wunder, daß immer mahl einer sein Weib gern loß seyn will.


Hebt Sie auf und führt Sie neben dem Burgermeister weg.


LIEBENBERG. He, guter Freund, ich sehe wohl ihr habt da einen Krancken, wo wolt ihr damit hin?

HANS WURST. Es ist mein Weib, ich will damit in die Stadt hinein.

LIEBENBERG. Und was hat Sie vor eine Kranckheit, dann auf ordre Sr. Excellenz des Herrn Commendanten ist jedermann verboten, keine ungesunde Leuthe in die Stadt zu bringen, damit Sie nicht angestecket, oder die Lufft inficiret werde.

HANS WURST. Sie hat schon 15 Jahr so große Kopff-Schmertzen, ich glaub es wird das Podagra seyn, ich hab ihr die schönste Pflaster eingeben, und es will alles nichts helffen.

LIEBENBERG. Ihr einfältiger Mensch, auf solche Weiß muß das arme Weib zulezt gar sterben; habt ihr Kinder und seyd ihr lange verheyrathet?

HANS WURST. Zwey Jahr bin ich verheyrathet auf den Fasching.

LIEBENBERG. Und so werdet ihr keine Kinder haben, welche der Stadt und dem Vaterlande einigen Nutzen schaffen können?

HANS WURST. Ja ich hab gleichwohl schon Eilff Kinder mit meinem Weib.

LIEBENBERG. Das kan ja nicht seyn, indem ihr noch nicht zwey Jahr verheyrathet seyd.

HANS WURST. Das kan aber wohl seyn, wie ich mein Weib Sechs wochen gehabt da krigt Sie eins, Sie solt schon billig über zwey Dutzent haben, ich bild nur immer ein, Sie thut mich betriegen, weil sie nur erst Eilffe hat.

LIEBENBERG. Dieses kan ich nicht begreiffen. Aber nein, saget mir doch wie alt ist das größeste Kind?

HANS WURST. Es geht ins dritte Jahr.

LIEBENBERG. Und wie alt ist das Kleineste?

HANS WURST. Es wird bald Neun Jahr alt werden.

LIEBENBERG. Wann ich aber nicht irre, so seyd ihr nicht recht gescheyd, indem ihr in zwey Jahren Eilff Kinder bekommen, davon das größeste drey, und das Kleinste Neun Jahr alt ist.

HANS WURST. Ja was weiß ich darvon, ich versteh mich nicht auf die Rechen-Kunst.

LIEBENBERG. Aber saget doch, seyd ihr alhie bey der Stadt angeseßen?

HANS WURST. Nein, ich bin alleweil gestanden, wie mir die Scheibtruhen umbgefallen ist.

LIEBENBERG. Ihr Einfalt dieses will sagen, ob ihr ein Hauß habt, und ein Burger seyd.

HANS WURST. Burger bin ich nicht, aber ein Hauß hab ich wohl.

LIEBENBERG. Und wo ist dieses euer Hauß?

HANS WURST. Ich hab es aufm Boden eingesperrt, als ich ausgangen bin.

LIEBENBERG. Wann ich die Warheit sagen soll, so glaube ich, daß ihr ein Narr seyd, doch ist es genug, daß euer Weib in die Stadt zu bringen euch nicht gestattet wird. Aber dort sehe ich Se. Excellenz den Herrn Commendanten selbst anhero kommen, welcher euch befehlen wird, was ihr hierinnen zu thun oder zu laßen habt.


Stahrenberg komt dazu.


STAHRENBERG. Siehe da, Mein Herr Burgermeister, es erfreuet mich, euch alhier anzutreffen, indem ich längst gewünschet, benöthigter Sachen halber mit euch zu conferiren.

LIEBENBERG. Ew. Excellenz hohes Wohlseyn erfreuet mich, und dero Wille muß mir anstatt eines Befehls dienen.

STAHRENBERG. Nemlich daß da nunmehro die 8 bürgerliche Compagnien auf ihren gehörigen Posten als denen Kärntner, Wimber, Schotten und Stuben Vierteln eingetheilet, habe ich nöthig erachtet, dieselbe durch den besten Kern derer Handwercks Bursch ablösen, die[89] übrige aber zum Schantzen und denen Fortifications-Wercken anhalten zu laßen, weswegen euch die Sorge überlaßen wird.

LIEBENBERG. Ew. Excellenz geruhen zu vernehmen, daß der außere Stadt-Rath eine so genannte Frey-Compagnie aufrichten und mondiren will, wozu er von einem Ober-Commando Erlaubnuß begehret, wie nicht weniger die Bierbräuer und Fleischhacker, die Becken Jungen, die ledige Schuch-Knecht sich von denen übrigen Handwerckern abgesondert, deren jedwede unter ihren Anführern eygene Fahnen aufzurichten begehren, wozu Sie umb Ew. Excellenz Einwilligung durch mich anhalten wollen.

STAHRENBERG. Dieses sey ihnen zugelaßen, jedoch daß eine allgemeine Einigkeit unter ihnen sey und gute Disciplin unter ihnen gehandhabet werde, ihre Hauptleute und Führer aber müßen erstlich von einem Geheimen Gubernio dazu ernennet werden, und gleich wie die Herren Kauffleut und Niederläger, die Herren Hoffbediente und Hoffbefreyte, ja selbst die löbl. Universitaet in Errichtung ihrer Compagnien ihnen rühmlich vorgegangen, also auch Sie ihrem Exempel folgen, und ihnen an die Hand gehen mögen, damit der Himmel den uns drohenden Cometen abwenden und in einen gütigen Planeten verwandeln möge. Aber wer ist dieser, welcher unsere Reden zu beobachten sich unterstehet?

LIEBENBERG. Ihro Excellenz es ist dem Ansehen nach ein Bauer, welcher alhie auf der Vorstadt gewohnet zu haben fürwendet.

STAHRENBERG. He du, wer, und von wannen bist du?

HANS WURST. Ich bin generis Masculini, und wolte mit diesem meinem genere feminine in die Stadt hinein.

STAHRENBERG. Dahinein braucht man deines gleichen Leuth nicht, weil es unnütze Brodtfreßer ohne dem gnug darinnen gibt.

HANS WURST. Habens etwa ihre Gestreng auch herausgeschafft?

STAHRENBERG. Du bist ein Narr, wie ich sehe, wann du aber Lust hast, dich unterhalten zu laßen, kanst du aufgenommen werden, hast du auch Kinder?

HANS WURST. Ja der Singularis hat schon Pluralem propagiret, ich hab ä stuck Eilff Kinder, und mit dem zwölfften gehe ich und mein Weib schwanger.

STAHRENBERG. Aber warum du und dein Weib, und nicht dein Weib alleine?

HANS WURST. Wist ihr das nicht, mein Weib wirds euch schon sagen, ob nicht der Mann zwantzig Wochen, und das Weib auch so lang schwanger gehn muß.

STAHRENBERG. Eh du Narr, du bist von deinem Weib betrogen worden, dem ist nicht also.

HANS WURST kratzt die Ohren. Wann das wahr ist, was ihr sagt, so werd ich vor meine meiste Kinder noch wohl das Macherlohn schuldig seyn.

STAHRENBERG. Du bist ein lustiger Kerl. Aber sage hastu Lust bey mir zu dienen?

HANS WURST. Ja wann ihr gut thätet, ich wolt euch schon zu meinem Herrn aufnehmen, weil ich so nichts zu freßen hab.

STAHRENBERG. Ich sehe daß du einen Sporen zu viel hast, doch werde ich meine Gewogenheit nach deiner Aufführung zu richten wißen. Wohlan ich nehme dich in meine Dienste, und vor deinem Weib werde ich auch schon Gelegenheit finden, damit Sie versorgt werde; Anjetzo kom und folge mir, Ihr aber Herr Bürgermeister werdet die euch aufgetragene Commission gehörig besorgen.

LIEBENBERG. Ich gehe Ew. Excellenz hohen Befehl zu vollziehen.

HANS WURST. Und ich werd schauen, wie sich mein neuer Dienst anlaßt, wann mein Herr treu und fleißig ist, bleib ich schon ä weil bey ihm.


H.W. nimt die Scheib-Truhen und führet sie weg, alle ab und in die Stadt hinein. Das forderste Scena wird zugemacht und stellet vor die Colline.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 88-90.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Droste-Hülshoff, Annette von

Ledwina

Ledwina

Im Alter von 13 Jahren begann Annette von Droste-Hülshoff die Arbeit an dieser zarten, sinnlichen Novelle. Mit 28 legt sie sie zur Seite und lässt die Geschichte um Krankheit, Versehrung und Sterblichkeit unvollendet.

48 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon