Scena VII

[111] Zimmer. Stahrenberg, Aloisia, Euphrosina.


STAHRENBERG. Verzeihet geliebtestes Leben, daß bißher indem ich dem Marti gedienet, ich denen Blicken der Veneris ihren schuldigen Tribut entzogen, Anjetzo aber will das Glück euch wiederum in meine Arme lieffern.

ALOISIA. Theurester Schatz wer mag aussprechen die Freude, so ich über eure Ankunfft empfunden, mein Hertz welches Furcht und Sorge eingepreßet hielten, ergetzet sich an euerer Gegenwart, und beginnet allen Kummer aus seinen Gräntzen zu verbannen.

EUPHROSINA. Auch mir vergönnet das gütige Geschick, meinem geliebtesten Ernehrer mich darzustellen, und in kindlicher Schuldigkeit ihme die Hand zu küßen.

STAHRENBERG. Wertheste Gemahlin, geliebte Tochter, der Himmel ist uns gnädig, doch ist die Gefahr noch nicht gäntzlich fürüber, indem der Feind da er vermercket, daß sein Vorhaben den Krebsgang gewinnet, vor rasender Wuth schäumet, welcher dann auch aller Orthen mit Sturm anfält, deswegen dann im hohen Kriegs-Rath beschloßen, bey angehendem Sturm die große Dom-Glocke oder den Angerstern zu läuten, damit auf den Fall des Anlauffs ein jeder zur tapffern Gegenwehr in Bereitschafft stehe.

ALOISIA. Solche harte Proben läßet uns der Himmel offtmahls ausstehen, damit wir durch dieselbe geläutert und bewähret werden mögen auf daß so bitter als zuvor die Angst gewesen, desto süßer hernachmahls die Freude sey.

EUPHROSINA. Nichts destoweniger ist ein Frauenzimmer unglückseelig, dem die Schwachheit ihres Geschlechts verbietet Waffen zu führen, und sich wieder ihre Feind zu wehren, und ihren Schutz und Sicherheit nur allein von dem bloßen Glück erwarten muß.

STAHRENBERG. Diese Sicherheit wird nicht verwelcken, weil meine Augen offen stehen, nach meinem Tode aber einer höhern Hand überlaßen seyn.

ALOISIA. Euern Hintritt verhüte der Himmel und Euer Leben ist viel zu kostbahr als daß daßelbe durch den Tod euch entzogen, und mir und dem Vaterlande geraubet werden solte.

EUPHROSINA. Aber gnädigster Herr und Vater, wie starck ist doch der Feind und was ist sonsten denckwürdiges im Lager vorgegangen.

STAHRENBERG. Nach Außage derer Überläuffer und Gefangenen wird derselbe über zweymahl Hundert Tausend Mann gerechnet, davon aber all bereit über fünff und Zwantzig Tausend ihren Frevel gebüßet und in verschiedenen Scharmützeln und Ausfällen geblieben seynd.

ALOISIA. Und der Entsatz wie hoch wird doch derselbe geschätzet?

STAHRENBERG. Dieses weiß man eigentlich nicht, es sind dabey die Königliche Pohlnische Churfürstliche Sächsische- und Bayrische und die Hertzogliche Fränckische Völcker, und werden dem Bericht eines angekommenen Couriers nach ohngefähr auf Siebentzig Tausend Mann geschätzet.

ALOISIA. Nur diejenigen seynd Mittleydens würdig, welche auf dem flachen Lande der Grausamkeit ihrer Feinde aufgeopffert, und entweder schon ertödtet oder in ewige Dienstbarkeit geführet zu werden in Gefahr stehen.

STAHRENBERG. Deren Anzahl wird nicht geringe seyn, wie dann laut eingekommener Nachricht die gantze umbliegende Gegend gantz wüst und öde seyn soll, und die mit Blut gefärbte Bäche und Ströme von der Grausamkeit derer Feinde ein gnugsames Zeugnuß geben.

EUPHROSINA. Das Blut derer Unschuldig erwürgten und die Zäher derer überbliebenen wird ja endlich die schädliche Krieges Flamme löschen, und den Himmel zum Mittleyden über uns bewegen.[111]

STAHRENBERG. Diesem müßen wir billig unsere Errettung anbefehlen.


Abeunt.


Quelle:
Dichtung aus Österreich. Anthologie in drei Bänden und einem Ergänzungsband, Band 1, Wien und München 1966, S. 111-112.
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