Sechste Szene

[92] Die Vorigen. Mago, Gubal und die beiden Karthagischen Diener sind von rechts hinten hervorgetreten.


MAGO.

Der Gast,

Der einst zur Mitternacht, von Fesseln blutend,

Des Feldherrn Lagerzelt betrat – war – ich –

Ich, Mago, der Karthager Feldhauptmann

Und gleichbenannt mit jenem großen Mago,

Des Blutes ich mich rühme. Wer behauptet –

– Sei's eigne Zeugenschaft schlau zu benützen,

Sei's nur im Nachschwatz müßigen Geredes –

Daß ich nicht als ein Freund von Syrakus,

Und nicht zu warnen, statt zu drohen kam,

Den nenn' ich –

DER BLINDE.

– Gaukler, Schweinhund, Schwindelmatz,

Aufschneidermeister – Sudelkoch – gar einen

Verlognen Lügenpriester nennt er mich,

Weil ich, als ein stockblinder Mann ihm – bis –

In seine Eingeweide sah.


Hallo im Volke. Rufe: »Fort mit Mago! – Nieder mit Mago!«.
[92]

MAGO nachdem er und Gubal sich in grenzenlosem Staunen angesehn haben, vor Wut zitternd, die Hand am Schwertgriff.

Erhabner, duldest du, daß auf dem Markte

Ein Bettler mich verhöhnt? Nicht unvergolten

Beleidigt man in mir Karthagos Hoheit.


Rufe: »Nieder mit Karthago!«.


ARRATOS.

Mein edler Mago, tiefgekränkten Herzens

Muß ich ersehn, daß deine Gegenwart

In dieses Tages wildgewachsner Stimmung

Das Volk erbittert. Wolle mir hernach

Die Gunst erweisen, daß in meinem Hause

Ich dich begrüßen darf – für jetzt jedoch – –


Breitet zum Zeichen seiner Ohnmacht die Arme aus.


MAGO verbeugt sich. Mit seinen Begleitern links oben ab, während die Wächter ihm einen Weg bahnen. Von der Terrasse her blickt er sich noch einmal drohend um.


Quelle:
Hermann Sudermann: Der Bettler von Syrakus. Stuttgart und Berlin 2-51911, S. 92-93.
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