Sechste Szene

[16] Auguste, Michalski treten ein.


AUGUSTE. Na, da bist du ja! Sie küssen sich. Dir is es wohl immer sehr jut jejangen? – Aber wat frag ick? – Wer so nobel in Kleidern daherjeht! – Freilich is auch nich allens Jold, wat jlänzt. – Dies ist mein Mann.

ROBERT. Lieber Schwager, geben Sie mir die Hand auf herzliche Verbrüderung.

MICHALSKI. Viel Ehre. Passiert nicht häufig, daß eine schwielige Faust zu so viel Ehre kommt.

ROBERT. Schwager, das klang nicht brüderlich. Zu Auguste. Wo ist Alma?

AUGUSTE. Unsere Prinzessin kamen sich nicht schön genug vor für den fremden Bruder. – Mußten sich erscht die Stirnlocken brennen lassen.

ROBERT steht betroffen.

AUGUSTE. Wird wohl mit die nächste Pferdebahne nachkommen. Wo habt Ihr den Nappkuchen her?


Frau Heinecke reicht herum, Auguste und Michalski essen.


FRAU HEINECKE. Iß auch noch ein Stückschen, Robertchen.


Robert lehnt ab; alle anderen essen. Pause.


HEINECKE. Wat sagst de dazu, Michalski? »Willkommen, teurer Sohn im« –

MICHALSKI essend. Faxerei!

ROBERT verwundert. Schwager!

HEINECKE. Wie? Wat ick mit diesen braven Herzen und mit diesen lahmen Arm –


Robert beruhigt ihn.


MICHALSKI. Ick bin ein schlichter Mann und sag meine Meinung frei raus. Ick liebe die Kinkerlitzchen und das Getue nich. Denn wer so schwer arbeeten muß wie unsereins, wem der Hunger und die Peitsche ejal im Nacken sitzen –[16]

HEINECKE. Besonders, wenn man um elf Uhr vormittags spazieren jeht und Nappkuchen dazu ißt.

AUGUSTE. Seid Ihr beede schon wieder aneinander? Zu Michalski. Könntest endlich Ruhe halten. Siehst doch, daß er in die Kinderjahre kommt.

HEINECKE. Ick in die – sehr jut. – Da siehst du nun: so werd ich behandelt von meine eigene Kinder.

ROBERT leise zu Auguste. Verzeih, Schwester. – Ich hab es nie für möglich gehalten, daß sich dergleichen sagen läßt.

AUGUSTE. Wat denn?


Es klopft, ein Diener in Livree mit einem

Blumenstrauß.


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 16-17.
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