Siebente Szene

[17] Die Vorigen. Wilhelm.


ALLE außer Robert. Der Wilhelm! Guten Tag, Wilhelm!


Die beiden Männer schütteln ihm die Hand.


FRAU HEINECKE. Vor wem ist der scheene Strauß? Der jeht sicherlich in die Stadt.

WILHELM. Nein, der kommt zu Ihnen. – – – Sind Sie der junge Heinecke? Robert bejaht. Kordial. Das freut mich ungemein, daß wir uns kennenlernen. Will ihm die Hand drücken.

ROBERT lächelnd. Sehr liebenswürdig.

WILHELM. Die gnädigen Herrschaften lassen Ihnen ein freundliches Willkommen sagen und schicken Ihnen diese Blumen. Es ist das Rarste, was das Treibhaus hat. Aber im Vertrauen – die Blumen gab mir eigentlich das gnädige Fräulein und das gnädige Fräulein hat sich überhaupt sehr scharf nach Ihnen –

ROBERT seine Bewegung verbergend. Sind Sie beauftragt, mir dieses zu eröffnen?

WILHELM. Ne, das nicht.

ROBERT. So behalten Sie's für sich.


Diener wendet sich zur Tür.
[17]

FRAU HEINECKE. Möchten Sie nich ein Stücksken Nappkuchen mit uns essen, Wilhelm? Es ist noch welcher da.

ROBERT. Verzeih, Mutter! Gibt ihm ein Geldstück. Der Mann hat seine Belohnung. – Bestellen Sie dem Herrn Kommerzienrat, daß ich um zwei Uhr zusammen mit dem Grafen von Trast-Saarberg um die Ehre des Empfangs bitten werde. – Sie können gehn. Wilhelm ab.

FRAU HEINECKE. Ein Jraf? – Was für ein Jraf? –

ROBERT. Ein Freund von mir, Mutter, dem ich vielen Dank schuldig bin.

AUGUSTE leise zu Michalski. Hörst du, er will einen Jrafen zum Freunde haben.

MICHALSKI leise. Er denkt wohl, uns damit zu imponieren?

FRAU HEINECKE. Wart, ich werd den Strauß in Wasser stellen! – Den Wilhelm hättst du aber nich so schlecht behandeln sollen, Robertchen. – Des is ein Freund von uns.

AUGUSTE. Wir jemeinen Leute können keene Jrafens zu Freunde haben. –

MICHALSKI. Wir müssen uns an die Levkaien halten.

FRAU HEINECKE. Ja, mit dem Wilhelm mußt du dich auch gut stellen. Uns zu Gefallen, Robertchen. – Denn wir haben viel Jutes von ihm. Wie manches Stücksken Braten, wie manche Flasche Wein hat er uns schon zugesteckt. –

ROBERT. Und das nahmst du an, Mutter?

FRAU HEINECKE. Warum nich? – Wir sind arme Leute, mein Kind. – Wir müssen froh sein, wenn wir was kriegen.

ROBERT. Mutter! Ich will meine Kräfte verdoppeln. Ich will Euch überlassen, was ich mir vom Munde nur absparen kann. Aber nicht wahr, das versprichst du mir – von jenem Bedienten nimmst du nichts mehr an? –

FRAU HEINECKE. Das wäre ja Hochmut und Verschwendung! Eine jute Jabe soll kein Mensch nich zurückweisen. Und mit dir hat er es auch nur jut gemeint, als er dir die Geschichte von's jnädige Fräulein erzählte. Mit die hat es überhaupt 'ne eigentümliche Bewandtnis. Wenn ick ihr uf[18] den Hof begegnet bin, ist kein Mal vergangen, daß sie mich nicht ausgefragt hat, ob Nachrichten von dir da wären, wie dir die heiße Witterung bekäme und so. Und dabei hat sie immer so freundliche Augen gemacht. – Wenn du klug wärst, Robertchen – –

ROBERT. Um Gotteswillen, Mutter, hör auf!

HEINECKE. Das könnt' uns schmecken – zwei Milliönchens.

MICHALSKI. Ob du mir dann was pumpen wirst, Schwager?

ROBERT für sich. Wie lange will man mich noch quälen?


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 17-19.
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