Zweite Szene

[37] Die Vorigen. Wilhelm.


MÜHLINGK. Hä?

WILHELM. Der junge Herr Heinecke aus dem Hinterhause läßt melden, daß er sich um 2 Uhr die Ehre geben wird. –


Lenore macht eine unwillkürliche Bewegung und blickt nach der Uhr.


MÜHLINGK. Sieh da – wie ein großer Herr! ... Es ist gut. –

WILHELM. Mit Erlaubnis – er nannte noch einen anderen, der mitkommen wollte – Graf Trast – oder so –

MÜHLINGK aufspringend. Wie? Der Graf Trast! Trast und Compagnie, Curt. – Der Kaffeekönig! Winkt dem Diener. Diener ab.

CURT. Was so'n Commis für'n Glück hat.

MÜHLINGK. Oh, den müssen wir ja einladen, Amalie.

FRAU MÜHLINGK. Gut, morgen mittag.

LENORE. Wie – und Robert Heinecke nicht?

CURT beiseite. Immer besser.

MÜHLINGK. Hm! Eigentlich hast du recht. – Wenn man gelegentlich zu diesen Leuten herabsteigt, kettet man sie mit ihrem Gemütsleben an die Interessen der Firma. – So etwas bringt oft Tausende ein, Curt. – – Der junge[37] Mensch hat sich unter Bennos Führung ganz hübsch eingearbeitet und da ich ihn auf fernere zehn Jahre nach den Antillen schicken will –

LENORE entrüstet. So war es nicht gemeint, Papa.

MÜHLINGK. Schadet nichts.

FRAU MÜHLINGK. Und du, Curt, paßt ein wenig auf, daß der junge Mensch keine Fauxpas begeht. Er kommt aus dem Hinterhause. So was färbt ab. –

CURT aufstehend. Pardon. Ihr wünscht doch, daß ich auch meine Freunde einlade.

MÜHLINGK. Gewiß, auch deine Freunde. Junggesellen haben immer Zeit.

CURT. Ich möchte bitten, daß Ihr mir das erlaßt. Ich kann unmöglich junge Männer aus guter Familie mit dem Sohne des Weist nach hinten. Herrn Heinecke gesellschaftlich bekannt machen.

LENORE leise zu ihm. Solltest du nicht eher den Bruder des Fräulein Heinecke im Auge haben?

CURT erschrocken, sich dann sammelnd. Wie meinst du das?

LENORE. Sei zufrieden, daß ich dir die Antwort schenke.

CURT. Bitte!

LENORE. Soll ich?

CURT. Du drohst mir wohl?

MÜHLINGK. Liebe Kinder, in diesem Hause gibt es keine Szenen.

FRAU MÜHLINGK. Wir wollen nichts gehört haben, Theodor. Ich ziehe mich nun zurück, Auch du ruhst wohl ein wenig?


Mühlingk küßt sie zeremoniell auf die Stirn.


CURT beiseite. Die gute, alte Zeit! Laut. Mahlzeit!


Frau Mühlingk will nach dem Hintergrunde ab. Mühlingk klingelt.


LENORE hinter Frau Mühlingk hereilend. Mutter!

FRAU MÜHLINGK sich umwendend, mit nervöser Freundlichkeit. Es ist gut. Laß nur. Ab.


[38] Wilhelm tritt ein.


MÜHLINGK. Besuch wird nach meinem Arbeitskabinett gemeldet. Ab.


Diener ab.


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 37-39.
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