Vierte Szene

[40] Die Vorigen. Hugo Stengel. Lothar Brandt.


LOTHAR. Morgen, lieber Junge!

CURT ihnen entgegengehend. Ihr kommt meinen Rappen besehen. Das ist nett von Euch.[40]

HUGO mit einer Verbeugung gegen Lenoren. Wir nahmen uns die Freiheit.

LOTHAR gleichfalls. Falls wir das gnädige Fräulein nicht stören.

LENORE liebenswürdig. Durchaus nicht. – Ich gehe nur selten nach den Ställen. Die beiden räuspern sich.

CURT. Wollt Ihr also nicht Platz nehmen?

LOTHAR. Wir erwarten die Erlaubnis des gnädigen Fräuleins.

LENORE kühl. Ich bitte! Nimmt ein Buch und blättert darin. Curt wirft ihr einen Blick des Unwillens zu. Setzen sich.

CURT. Nun, wo stecktet Ihr denn gestern?

LOTHAR posierend. Gestern? – Was verlangst du für Leistungen von meinem Gedächtnis. – Ja, was war denn eigentlich gestern? Zuerst war ich im Tattersaal, dann hatte ich Konferenz mit Papa. – Der Kaffee sinkt wieder.

HUGO. Beängstigend. – – Dreiundfünfzigeinhalb. –

LOTHAR. Beängstigend, lieber Hugo, ist wohl nicht das richtige Wort. Er sinkt. Wir werden kämpfen. – Dann machte ich Besuche. Dann aß ich im Offiziersverein.

LENORE aufblickend. Ah – Sie sind Offizier?

LOTHAR beleidigt. Ich dächte, Sie wüßten das, mein gnädiges Fräulein. – Ich bin Lieutenant der Reserve im Kürassierregiment »Kronprinz«.

LENORE lächelnd, mit einem Blick auf den Tisch. Ach ja – siehe Visitenkarte.

CURT ihm auf die Schulter klopfend. Sonst auch hoch zu Roß auf Herrn Papas Comptoirschemel!

LOTHAR schneidend. Ich muß sehr bitten, mein Lieber!

LENORE. Herr Lieutenant, das ist nicht der schlechteste Renner für eine Jagd nach dem Glück.

HUGO. O wie fein! Wie fein!

CURT. Aber ich suchte Euch des Abends!

LOTHAR. Abends? – Da war man eben eingeladen. Wo? das ist mir nicht recht erinnerlich. Sprechen wir nicht darüber. Sie belieben zu lächeln, mein gnädiges Fräulein.[41]

LENORE. Wie dürfte ich?

LOTHAR. Aber Sie in Ihrer stolzen Zurückgezogenheit haben keine Ahnung, was in unserem geliebten Deutsch das Wort »Saison« bedeutet.

HUGO. Es sind zwei Monate her, mein gnädiges Fräulein, daß ich zum letzten Male, was man so nennt, geschlafen habe.

CURT. Und das geschah auf einem Billard.

LOTHAR. Nun, das hat unser verehrter Curt scherzhaft gemeint. Aber wenn Sie wüßten, was es heißt, Märtyrer des Vergnügens zu sein – Sie würden uns verstehn.

LENORE. Ich bemühe mich so sehr, Sie zu verstehen, daß ich schon angefangen habe, Sie zu bedauern.

HUGO leise zu Lothar. Mir scheint, das Mädel macht sich lustig.

LOTHAR leise, arrogant. Ein jeder ist so kokett, wie er kann.

CURT ist zu Lenore hinübergegangen, leise. Du brauchtest nicht so unliebenswürdig zu sein!

LENORE sich schaukelnd. Hm? Liest weiter.

LOTHAR. Darf man fragen, was die Aufmerksamkeit des gnädigen Fräuleins so sehr in Anspruch nimmt?

CURT für sich. Wenn er sie doch nur laufen ließe.

LENORE. Etwas, was die Märtyrer des Vergnügens kaum interessieren wird, denn es dreht sich nur um die Märtyrer – der Arbeit.

LOTHAR. So so!

HUGO aufspringend. Wollten wir nicht den Rappen besehen?

LOTHAR. Ganz recht. – Geht Ihr nur vor. – Die Märtyrer der Arbeit interessieren mich mehr, als das gnädige Fräulein glaubt.

CURT beiseite. Ach, der Unglückliche!

HUGO. Mein gnädiges – –

CURT ihn hinausschiebend. Komm, Stengelchen, komm!


Beide ab.
[42]


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 40-43.
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