Zehnte Szene

[73] Heinecke. Frau Heinecke. Auguste. Michalski.


HEINECKE. Mutter! Vierzigdausend! Michalski will ihn umarmen. Drei Schritt vom Leibe, mein Sohn! Sucht in den Taschen, findet ein Schnupftuch, breitet es auf dem Knie aus, legt den Schein hinein, faltet das Tuch sorgfältig darüber und steckt es in die Brusttasche. So, jetzt kannste zärtlich sein!

FRAU HEINECKE. Mir ist weh vor Freuden! Sie umarmen sich weinend. Wenn ick bedenke: Ich brauch nu nich mehr ohne Jeld uf'n Marcht zu gehen, und wenn mir friert, kann ich nachmittags ohne schlechtes Gewissen noch einmal einheizen – düchtig! – Und abends essen wir kalten Uffschnitt.

HEINECKE. Und ick kann Pferdebahn fahren, so viel ick will.[73]

MICHALSKI. Genau vierhundertdausend Mal à zehn Pfennige.

FRAU HEINECKE. Und das Kanapee schenkst du mir ooch!

AUGUSTE. Nach Indien geht Ihr aber nu nich?

FRAU HEINECKE. Um Jesuwillen!

HEINECKE. Bist wohl doll!

AUGUSTE. Und wat werden Herr Robert denn dazu sagen?

FRAU HEINECKE freudig. Ja, Robert! Will zur Kammertür.

AUGUSTE hält sie zurück. Ick rate dir, laß ihn schlafen. Der erfährt's zeitig genug.

FRAU HEINECKE erschrocken. Wie meinste das?

HEINECKE zupft seine Frau am Rockschoß, zeigt nach der Küchentür. Aber die da! ... He he!

FRAU HEINECKE. Das arme, liebe Kind!

HEINECKE geheimnisvoll. Wir woll'n se iberraschen. – Pscht!


Alle schleichen auf Zehenspitzen zur Küchentür.


HEINECKE der vorangeht, stößt die Tür auf – ein Schrei ertönt. – Heinecke verdutzt, fährt zurück. Nanu? – Mutter, wat's nanu?

FRAU HEINECKE schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Herr Jeses!

MICHALSKI ihnen über die Schulter sehend. Potz – Deibel!

HEINECKE mit angenommener Strenge. Nu kommste mal her!

ALMAS STIMME ängstlich. Ach bitte – nein!

HEINECKE. Wird's bald?


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 73-74.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Die Ehre
Die Ehre; Schauspiel in Vier Akten
Die Ehre
Die Ehre