Achte Szene

[69] Die Vorigen. Auguste. Michalski mit einem Päckchen.


MICHALSKI. Morgen!

FRAU HEINECKE. Pst!

HEINECKE mit der Faust drohend. Ihr seid mir! – Macht, daß Ihr raus kommt!

AUGUSTE setzt sich. Es ist recht frisch heute früh.

MICHALSKI setzt sich und wickelt eine Flasche aus. Hier den Likör ha' ick dir mitgebracht. – Was Extrafeines – Hol mal den Proppenzieher.

FRAU HEINECKE. Ein anderes Mal! Wir sollen Euch ja vor de Türe setzen.

AUGUSTE. Wer sagt das?

FRAU HEINECKE. Pst! Robert!

AUGUSTE. Was? In Eurem eigenen Hause laßt Ihr Euch Vorschriften machen?

HEINECKE leise. Pst! Er sitzt ja in de Kammer.

AUGUSTE mitleidig. Der arme Vater. Er zittert vor Angst.

MICHALSKI. Olle, brave Leute so in Angst zu setzen. Der Schuft!

FRAU HEINECKE. Er ist kein Schuft! Er is ein jutes Kind und sorgt für uns.

HEINECKE. Wenn er uns ooch nach Indien schleppen will.

BEIDE. Wa? Wohin!

FRAU HEINECKE. Nach Indien!

AUGUSTE. Warum denn?

FRAU HEINECKE. Bloß, weil die Alma hat uf'n Maskenball jehen jewollt.

MICHALSKI. Verrückt!

FRAU HEINECKE. Seine paar Möbel, die einem das Heim so freundlich gemacht haben, muß man elendig im Stiche lassen.

AUGUSTE sentimental. Und mir Ärmste laßt Ihr nu ooch im Stiche! Werdet Ihr sie verkaufen?

FRAU HEINECKE. Die Möbel? – Auguste nickt. Wir müssen![69]

AUGUSTE. Auch den Spiegel und die Fauteuils? Frau Heinecke bejaht. – In Rührung. Ich an Eure Stelle, anstatt sie für ein Butterbrot zu verschleudern, würde sie Eurer einsam zurückbleibenden Tochter zum Andenken jeben. Da wäret Ihr doch sicher, daß man sie in Ehren hielte.

FRAU HEINECKE mißt sie mit mißtrauischem Blicke, dann heimlich zum Alten. Vater, se will schon die Fotölchs.

AUGUSTE einlenkend. Oder, wenn Ihr sie doch verkaufen wollt, so sind wir immer diejenigen, die Euch die höchsten Preise zahlen. Damit's in de Familie bleibt.

HEINECKE. Aber noch sind wir nicht weg!

MICHALSKI. Ich an Eurer Stelle –

FRAU HEINECKE. Wat sollen wir tun? Wir sind nu janz von ihm abhängig. Wenn er befiehlt, müssen wir folgen, oder sollen wir Euch zur Last liegen?

AUGUSTE. Wir haben alleine nich das Sattessen.


Es klopft.


Quelle:
Hermann Sudermann: Die Ehre, Stuttgart 1974, S. 69-70.
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