Siebenter Auftritt.

[27] Straubing. Gemach.


Ernst. Gundelfing. Seibelstorfer.

Vicedom von Straubing. Tuchsenhauser. Sind schon da. Pienzenauer. Maxelrainer. Sandizeller. Tore. Kommen eben an.


ERNST. Gott grüß' euch, Ritter! ihr kommt eben recht.

SANDIZELLER. Ha! wer wird vom Turniere außenbleiben, gnädiger Herr!

TUCHSENHAUSER. Mehr als Turnier! mehr als Turnier! ihr kommt mehr als fürstliche Räte dann als Ritter.

PIENZENAUER. Also nicht zum Turnier?

TORE. Dazu berief man uns doch?

TUCHSENHAUSER. Was euch doch nicht an einem Turnier gelegen ist, ihr Ritter!

MAXELRAINER. Ohne Anmerkung, Herr Kanzler!

ERNST. Ich wollte euch nicht zum Rate entbieten lassen, daß man nicht merke, worüber ich mit euch mich beraten will. Nun,[27] kurz! – Ritter! Bayern ist beruhigt; keine Plage des Himmels strafet das Land; kein Unrecht drücket den Unterthanen; aber Schande drohet dem Geschlechte der Wittelsbacher. Erratet!

SANDIZELLER, TORE, PIENZENAUER UND MAXELRAINER. Blut und Tod sollen sie abwenden.

ERNST. Ihr erratet nicht, das zeigt euer rascher Eifer; behaltet ihn! Seht, diese wissen's und sind stumm: – Albrecht, mein Sohn, ist er noch der, der er war? Bayerns Hoffnung? der Ritter Beispiel? – wo ist er? Alle schweigen. Eine elende Baderstochter; ha! kann ich denken! – eine schwäbische Dirne hat ihn verstrickt; und der Held! mein Sohn! – huret. Geschäftlos, ohne Waffen vermummt, herabgewürdigt schwärmte er drei Monate um Augsburg; das war des Sohnes Antwort aus seines Vaters und Herzogs Zureden, Warnen und Gebote. Elisabethen ließ er bundbrüchig warten, und Bayerns künftiger Herzog thronte in der Badstube, und reichsstädtische Bürger sprachen ihm Hohn. Nun hat die von Württemberg auch den Bund gebrochen, einen armen Grafen ihm vorgezogen. – Damals schon, als er meine Worte nicht hören wollte, nicht sehen seine Schande, der Verblendete! da dachte ich schon an Rache meines väterlichen, meines fürstlichen Ansehens, an Strafe des Rebellen: ich berief euch unter dem Vorwande des Turniers. – Nun ist's ärger geworden. Er entführte die Metze, führt sie in mein Land, setzt sie in Voheburg, und man spricht von Ehe. Schamloser! – Preisinger lud ihn zum Turniere; dort soll er gefangen werden; ausschlafen in einem Turme die unwürdige Thorheit; und kommt er nicht: so soll Bayern wissen, daß Ernst keinen Sohn mehr hat. Könnt ihr besser raten, so sprecht!

TUCHSENHAUSER. Oft schon hab' ich's gesagt, gnädiger Herr! und sage es wieder: mit Härte und Strafe werdet Ihr nichts ausrichten. Liebe mag nun eine Thorheit sein, wie sie es in diesem Falle gewiß ist, so ist sie doch auch eine Leidenschaft; und eine Leidenschaft ist ein Strom, gegen den man nicht fahren, den man aber einschränken kann: hemmt man ihn in seinem brausenden Laufe, so läust er über und verheert die Ufer und Gegenden ohne Unterschied, wie er den widerstehenden Damm einreißet. So werdet Ihr es entweder nicht dahin bringen, daß sich Albrecht[28] Eurer Gewalt anvertraue; oder Ihr erbittert ihn, reizt ihn zur Gegenwehr, und da alles Volk ihn liebet, wie allemal den Thronerben; und da er tapfer und ein wilder Krieger ist: denn, glaubt mir, der Löwe schläft nur; so ist Aufstand und bürgerlicher Krieg zu besorgen, und da helfen dann die Herzoge Heinrich von Landshut und Ludwig von Ingolstadt, der so nie ruhen kann, gleich auch mit zu; und alle das Unheil, warum? – wegen einer elenden Baderstochter, wie Ihr wohl sagt. Mag er sie doch haben und behalten zu seinem Kebsweibe: denn das glaube ich nimmermehr, daß ein Fürst wie Albrecht sie heiraten wolle. Er wird sie schon satt werden, und wenn kein Widerstand da ist, und der Genuß alltäglich wird, so verrauchet so bald die Liebe, das sieht man im heiligen Ehestande; und wie soll's erst sein draußen? gnädiger Herr! wenn Ihr sie ihm verborgen zu halten erlaubtet, so käme er wieder, verrichtete seine Geschäfte, und wär' auch ein braver, treuer Sohn und ein lieber Herr und Fürst, ob dem Ihr und Bayern sich freuen könnten.

ERNST. Man sieht es Euch doch immer an, Tuchsenhauser! daß Ihr kein Ritter seid, und daß die Gesetze der Ehre in die Herzen und nicht in die Bücher geschrieben sein müssen. Sprecht, Hofmeister Gundelfing!

GUNDELFING. Mir sind sie ins Herz geschrieben! das bewies mein Schwert; das ist kund von mir im Lande. Doch rate ich wie der Kanzler zur Güte, solang es bei einer Liebe von der Art bleibt, wo es besser stünde, gnädiger Herr! Ihr stelltet Euch an, als ob Ihr sie gar nicht wüßtet. Das sind jugendliche Thorheiten; wer war nicht einmal ein Thor in seiner Jugend? laßt das wilde Roß ausreißen, so ermüdet's eher. Es kommt nur auf die Folgen an; ich kann keine böse vermuten; zu oft schon bewies er sich edel und ritterlich; nochmal! das ist Thorheit, nicht Verderbnis; eine Ausschweifung, die ohne Widerstand vielleicht schon am Ende, und gewiß nicht so ruchbar wäre. Allenfalls kann man bösen Folgen vorkommen durch verborgene Aufsicht, ruhige Gegenanstalten. Darum solltet Ihr Euern Sohn immer nahe bei Euch und in Ehren haben; mag er denn sein Mädchen an demselben Orte verborgen halten oder nicht: die Bequemlichkeit wird ihn ermüden, oder Eure Güte seine Leidenschaft überwinden.

ERNST. Auch so? – Seibelstorfer!

SEIBELSTORFER. Gnädiger Herr! als Ritter denk' ich wie[29] Gundelfingen, als Kammermeister wie Tuchsenhauser. Albrechts Schuld ist nicht groß genug, um einen Ritter in den Turm zu werfen, und würde er's? so sind die Folgen zu schrecklich, um sich denselben auszusetzen. Ein bürgerlicher Krieg! Gott! hat Bayern nicht genug schon gelitten? Sind der Unterthanen Armut, die Schulden der fürstlichen Kammer nicht Beweise genug davon?

ERNST zornig. Und Ihr, Vicedom!

VICEDOM. Wenn ich im Brande meiner Schlösser und Festen einen Schandfleck an meiner Ehre ausbrennen sollte, so zündete ich sie heute noch an; und wenn der Herzog und seine fürstliche Ehre beleidigt sind, so mag alles zu Grunde gehen! die Ehre muß gerettet werden. So denk' ich. Ihr habt nun das Mädchen in Euerm Lande, in Eurer Gewalt; fort mit ihr aus der Welt; und dann ist's aus. Eures Sohnes weibische Thränen werden Bayern nicht empören; und sollte er mehr als weinen? so ist er ein Rebell.

MAXELRAINER. Kein Rebell! ein Ritter, ein Landstand, frei wie wir! – Glaubt Ihr, Vicedom! daß ich, der unter des Thorringers Fahne gegen Heinrich, als er noch Tyrann war, gefochten habe, es leiden würde, wenn man mein Mädchen mordete? und wenn's auch der Herzog gethan hätte? – Was? ohne Verhör? ohne Spruch? ohne Verbrechen? oder meint Ihr, Albrecht sei eine Memme? oder niemand werde beistehen dem künftigen Herzoge? – Nein, gnädiger Herr! bei der Ehre müßt Ihr Euern Sohn fassen, denn seine Liebe ist unanständig, und da sie ruchbar geworden, nun gar schimpflich. An Eurer Stelle hätt' ich ihn nicht zum Turniere laden lassen; dieser Ausschluß hätte sicher auf sein ritterliches Gemüt gewirkt; er hätte sich vor sich selbst geschämt, nicht dabei gewesen zu sein; und wer sich schämt, den reuet's; und wen es reuet, der liebt schon nicht mehr. Findet ein anderes solches Mittel, und ich heiße es gut.

PIENZENAUER. Es ist noch Zeit. Ihr könntet ihm durch die Marschälle die Schranken verbieten lassen, solange er dem Mädchen nicht entsaget.

SANDIZELLER. Ich denke auch so. Unedle Sitte schließt den Ritter vom Turnier aus.

TORE. Ich halte es für das beste, das gegenwärtigste Mittel.

ERNST. Das Mittel, das ich ergreife, das ich will. – Fort! nach Regensburg. Alle ab.

Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 1, Stuttgart [o.J.], S. 27-30.
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