Zweiter Auftritt.

[63] Kerker. Nacht.


AGNES in schweren Ketten, angeschmiedet an einen Stuhl. Es brennt eine Lampe. Eine stumme Scene der innigsten Wehmut. Wo bist du, mein Albrecht! wo? – Du reißest dich von Ketten los, die dich nicht banden, und deine Agnes halten eiserne Centner an Tod und Abwesenheit geschmiedet! »Morgen wieder! Morgen wieder!« Ach! für mich kein Morgen mehr, denn da oben ist's immer ein Tag; – aber die Nacht vor dem Tage gräßlich! erschrecklich! Nein, nicht gräßlich, mein Albrecht! hat dies Herz dich lieben können! hat's das Bürgermädchen gewagt: so wird sie auch sterben können. – Ich muß ja; es ist nicht einmal Opfer; ich kann ja dich nicht immer lieben. – – Aber Tod! Tod! – – oder sollte dieser schauerliche Ort meine Wohnung werden? mein lebendiges Grab? – Auch das! Küßt ihre Ketten. So seid ihr mein Brautschmuck! bei euch schwöre ich sie wieder, die ewige Liebe. O nicht schwer, wie ihr, aber eisern, fester noch sind die Bande unserer Liebe; kann ich doch euch nicht brechen. Pause. Sie weint. Aber verdient hab' ich doch Kerker und Fesseln nicht! nicht den Tod! – O mein Vater! deine Weissagung! – daß du mir doch vorangegangen wärest! – – und du, ohne den ich mir kein Leben denken kann, du, mein Einziger! mein Albrecht! wenn du es wüßtest! – warum ahndete es dir nicht auch? – Steht auf. Wenn er's erführe! wenn sein mächtiger Arm mich rettete! – O ja! dein guter Engel wird dich mahnen; dein Herz wird ängstlich dir klopfen, dein innerer Schauder wird dir sagen: Agnes ist fort, zum Tode; rette sie! rette sie! Die Thüre des Kerkers öffnet ein Waffenknecht, er schließt sie vom Stuhle los und sagt.[63]

WAFFENKNECHT. Folget zum Gericht! Er hält sie bei den Ketten, ab.

AGNES ringt mühsam die Hände zum Himmel und beugt ein Knie. Sprich du mein Urteil, Allmächtiger! Ab.


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 1, Stuttgart [o.J.], S. 63-64.
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