Siebenter Gesang.

[203] 1.

Indessen war in dunkle Wälderschatten

Erminiens Roß mit seiner Last geflohn;

Denn freien Lauf muß ihm die Hand gestatten,

Und zwischen Tod und Leben schwankt sie schon.

Der Gaul durchstreift, nach Willkühr, ohn' Ermatten,

So manchen Pfad der wald'gen Region,

Daß sie zuletzt der Andern Blick' entschwindet,

Und man die Jagd nunmehr vergeblich findet.


2.

Wie oft die Hund' umkehren von der langen

Mühsamen Jagd, schwerkeuchend, matt und lahm,

Wenn jede Spur des Wildes ausgegangen,

Das aus dem Blachfeld in den Wald entkam:

So ziehen jetzt, mit Zornglut auf den Wangen,

Die Ritter heim, ermüdet und voll Schaam.

Sie aber flieht, und wagt, vor Angst und Grauen,

Nach den Verfolgern nicht sich umzuschauen.
[204]

3.

Sie irrt die Nacht, den Tag, mit blindem Jagen,

Von keiner Leitung, keinem Rath bestimmt;

Und ihre Thränen nur und ihre Klagen

Sind alles, was sie schauet und vernimmt.

Doch als die Sonne nun vom schönen Wagen

Die Rosse löst und tief im Meer verglimmt,

Naht sie dem Jordan sich auf irrem Pfade;

Hier steigt sie ab und wirft sich ans Gestade.


4.

Sie speiset nicht; denn Gram ist ihre Speise,

Und nur mit Thränen wird ihr Durst getränkt.

Allein der Schlummer, der dem Erdenkreise

In seligem Vergessen Ruhe schenkt,

Wiegt Sinn' und Schmerzen ein, indem er leise

Auf sie herab den weichen Fittig senkt.

Doch Liebe stört durch mancherlei Gestalten

Den Frieden ihr, auch bei des Schlummers Walten.


5.

Nicht eher wacht sie auf, bis von den Zweigen

Der Vögel Heer mit Zwitschern grüßt den Wald,

Die Wogen murmeln, sich die Büsche neigen,

Und Morgenluft um Well' und Blume wallt.

Die matten Augen öffnen sich und zeigen

Ihr rings der Hirten stillen Aufenthalt;

Ihr däucht, es ruf' aus Well' und Laub ein Tönen

Sie nun zurück zum Weinen und zum Stöhnen.
[205]

6.

Doch da sie weinend folgt dem Schmerzendrange,

Füllt auf einmal ein heller Schall ihr Ohr,

Als mische sich mit hirtlichem Gesange,

Wie ihr bedünkt, ein kunstlos Haberrohr.

Nun steht sie auf und nähert sich dem Klange,

Und aus dem Schatten blickt ein Greis hervor,

Der Körbe flicht, von seiner Heerd' umgeben,

Indeß drei Kinder den Gesang erheben.


7.

Als Diese nun die fremden Waffen schauen,

Erschrecken sie und fürchten schon Gefahr.

Doch Jene weckt mit holdem Gruß Vertrauen,

Das Aug' enthüllend und das goldne Haar:

Ihr, die der Himmel liebt, nehmt ohne Grauen,

So redet sie, der schönen Arbeit wahr;

Denn keinen Krieg soll diese Tracht der Waffen

Dem stillen Werk, den holden Liedern schaffen.


8.

Dann fuhr sie fort: O Vater, da im Lande

Rings um euch her die Kriegesflamme zehrt,

Wie bleibt ihr hier im stillen Friedensstande

Und fürchtet nicht des Söldners wildes Schwert?

Sohn, sprach der Greis, an diesem fernen Strande

Blieb Haus und Heerde stets noch unversehrt

Von Noth und Schmach, und nimmer drang das Brausen

Des wilden Kriegs in diese stillen Klausen.
[206]

9.

Vielleicht behütet uns des Himmels Milde,

Die frommer Hirten Demuth hebt und hält;

Vielleicht, so wie der Blitz nicht aufs Gefilde,

Nur auf die Höhn erhabner Zinnen fällt,

Bedränget mit ergrimmtem Schwert der wilde

Ausländer nur die stolzen Herrn der Welt.

Auch kann die Krieger, die nach Beute geizen,

Der Armuth schlechtes, niedres Loos nicht reizen.


10.

Nur Andern schlecht und niedrig, mir so theuer,

Daß mich kein Wunsch nach Gold noch Scepter drängt;

Daß nie des Geizes Gier, der Ehrsucht Feuer

Eingang in meine stille Brust empfängt.

Im Bache lösch' ich meinen Durst, von scheuer

Besorgniß fern, er sei mit Gift gemengt.

Gesunde Speisen, die ich nicht bezahle,

Reicht Heerd' und Garten mir zum mäß'gen Mahle.


11.

Geringes g'nügt, uns Unterhalt zu geben;

Geringes nur ist unsrer Wünsche Ziel.

Sieh meine Söhne, die mich hier umgeben,

Der Heerde Schutz; was brauch' ich Knechte viel?

So fließt in stiller Einsamkeit mein Leben;

Mich freut der Hirsch' und Rehe muntres Spiel,

Die Fische freu'n mich, die im Flusse springen,

Die Vögel, die sich froh gen Himmel schwingen.
[207]

12.

Auch mir hat andrer Wunsch, in jungen Jahren,

Da man am meisten irrt, die Brust geschwellt;

Ich hielt's gering, der Heerde nur zu wahren,

Und ich verließ mein heimatliches Feld.

Zu Memphis lebt' ich eine Zeit, den Schaaren

Der königlichen Diener beigesellt:

Und hatt' ich nur die Gärten zu besorgen,

Blieb doch der Höfe Trug mir nicht verborgen.


13.

Von kühner Hoffnung schmeichelnd hingehalten,

Ertrug ich lang' ein jedes Ungemach.

Doch endlich schwand, bei meines Bluts Erkalten,

Die Hoffnung mir, die Kühnheit, nach und nach;

Da sehnt' ich seufzend mich nach meiner alten,

Verlornen Ruh, dem niedern Hirtendach:

Hof, sprach ich, lebe wohl! und schnell entschieden,

Kehrt' ich zum Wald zurück und lebt' in Frieden.


14.

So spricht der Greis. Mit stiller Ueberlegung

Horcht aufmerksam Erminia fort und fort,

Und fühlt der Schmerzen stürmische Bewegung

Zum Theil gestillt durch dieses weise Wort.

Und sie beschließt, nach reiflicher Erwägung,

An diesem einsam abgelegnen Ort

Zum mindsten nun so lange zu verziehen,

Bis vom Geschick ihr Heimkehr wird verliehen.
[208]

15.

O du Beglückter – spricht sie mit Vertrauen –

Der Leiden hat empfunden auch einmal!

Läßt solchen Frieden dich der Himmel schauen,

So gönne Mitleid nun auch meiner Qual

Und nimm mich auf in diese holden Auen,

Denn weilen mögt' ich hier im stillen Thal.

Vielleicht wird meine Brust, darf ich hier rasten,

Der schweren Bürde sich zum Theil entlasten.


16.

Begehrtest du, was blinden Pöbels Wähnen

Als Gott anbetet, Gold und Edelstein:

Vermögt' ich leicht zu stillen dieses Sehnen,

Denn noch genug von solchem Tand ist mein.

Nun fängt sie an, indem des Kummers Thränen

Dem Aug' entfließen, wie Krystall so rein,

Von ihrem Leid den Hirten zu belehren,

Und mitleidsvoll weint er in ihre Zähren.


17.

Er tröstet sie mit väterlicher Güte,

Beut liebreich ihr die stille Wohnung dar

Und führt sie hin, wo, ähnlich von Gemüthe,

Die schon bejahrte, treue Gattin war.

Die Fürstin hüllt der Jugend holde Blüthe

In groben Zeug und birgt das goldne Haar;

Und doch, im Blick, in ihres Anstands Würde,

Erscheint sie nicht Bewohnerin der Hürde.
[209]

18.

Der Hoheit edler Glanz bleibt unverborgen,

Obwohl sie nur im schlechten Kleide geht;

Und auch beschäfftigt mit gemeinen Sorgen,

Erstrahlt sie noch von hehrer Majestät.

Sie führt die Heerden auf die Weid' am Morgen

Und bringt zur Hürde sie am Abend spät,

Und preßt die Milch, den Eutern abgewonnen,

In runde Formen ein, wann sie geronnen.


19.

Oft, wann die Heerd' in kühler Waldesdichte

Sich schützte vor des Mittags heißem Strahl,

Schnitt sie dem Stamm des Lorbeers und der Fichte

Den theuern Namen ein wohl tausendmal,

Und grub in tausend Bäume die Geschichte

So seltner Lieb' und so unsel'ger Qual;

Und las sie dann die eignen Züge wieder,

So strömten Zähren heiß die Wange nieder.


20.

Dann rief sie aus: Bewahr' in dir die Kunde,

Wirthbarer Hain, so ich dir anvertraut:

Damit, wann einst in diesem Schattengrunde

Ein treuer Liebender dies Denkmal schaut,

Wehmüth'ges Mitleid ihm das Herz verwunde

Bei meiner Leiden schmerzenvollem Laut:

O, sag' er dann, wie herben Lohn hienieden

Hat Lieb' und Glück so großer Treu beschieden!
[210]

21.

Und hört der Himmel jemals die Gebete,

Die Sterbliche voll Inbrunst hier ihm weihn:

So kommt vielleicht, der lebend mich verschmähte,

Einst, wenn ich nicht mehr bin, in diesen Hain.

Und blickt sein suchend Aug' auf jene Stäte,

Die dann bewahrt mein schlummerndes Gebein,

Wird er vielleicht so unverdienten Qualen

Den späten Lohn von wenig Thränen zahlen.


22.

Und war das Herz dem Elend hier zum Raube,

So hat die Seel' im Tode doch Genuß,

Wenn seiner Liebe Glut dem kalten Staube

Ein Glück gewährt, dem Ich entsagen muß.

So spricht die Arme zu dem stummen Laube,

Und ihrem Aug' entströmt ein Thränenguß. –

Tancred indeß, der ihr zu folgen denket,

Irrt fern von ihr, wie ihn der Zufall lenket.


23.

Er ließ zuerst von ihrer Spur sich leiten

Und lenkte seinen Lauf zum nahen Wald.

Doch aus den Bäumen dringt von allen Seiten

So schwarz und dicht der Finsterniß Gewalt,

Daß er sogleich in diesen Dunkelheiten

Die Spur verliert und in der Irre wallt,

Und nur die Ohren anstrengt, um zu lauschen,

Ob Roßgetrampel schallt, ob Waffen rauschen.
[211]

24.

Und wenn einmal des Nachtwinds leises Regen

Der Ulm' und Buche zartes Laub berührt,

Wenn Wild und Vögel einen Zweig bewegen,

Er folgt sogleich, wohin der Schall ihn führt.

Zuletzt entkommt er aus den Waldgehegen,

Und ein Geräusch, das er von weitem spürt,

Lockt ihn auf unbekanntem Pfad, vom vollen

Mondlicht erhellt, dahin, wo es erschollen.


25.

Dort angelangt, erblickt er eine Quelle,

Die, reich und klar, lebend'gem Fels entsprang

Und als ein starker Bach mit rascher Welle,

Laut plätschernd, durch die grünen Ufer drang.

Unmuthig macht er Halt an dieser Stelle

Und ruft; allein er hört nur Wiederklang,

Und sieht indeß mit weiß und rothen Strahlen

Aurora schon den Rand des Himmels malen.


26.

Er seufzt vor Grimm und zürnt, daß seinen Händen

Der Himmel das gehoffte Glück entzieht;

Doch heiße Rache schwört er zu vollenden,

Wenn seiner Herrin jetzt ein Leid geschieht.

Zum Lager nun beschließt er sich zu wenden,

Obwohl er sich des Wegs nicht sicher sieht;

Denn er bedenkt, es sei nicht fern vom Tage,

Da er von neuem mit Argant sich schlage.
[212]

27.

Er reitet fort mit ungewissem Schritte,

Als plötzlich Rossestrab sein Ohr erreicht,

Und aus dem Thale kommt, in schnellem Ritte,

Ein Mann hervor, der einem Boten gleicht;

Er schwingt die Peitsch' und trägt, nach unsrer Sitte,

Zur Seit' ein Horn, das bis zur Hüfte reicht.

Bei Diesem forscht Tancred, um zu erfahren,

Wie er gelange zu den Christenschaaren.


28.

Der sagt italisch: Eben dahin wende

Ich meinen Ritt, gesandt von Bohemund.

Ihm folgt Tancred, der sicher glaubt, ihn sende

Sein großer Ohm, und traut dem falschen Mund.

Zu einer Burg gelangen sie am Ende,

Umringt von trüben See's morast'gem Grund,

Zur Zeit, da sich die Sonne scheint zu neigen,

Um in ihr nächtlich Haus hinabzusteigen.


29.

Der Bote läßt sein Horn die Ankunft sagen,

Und eine Brücke sinkt herab sofort.

Nun spricht er zu Tancred: Weil' ohne Zagen,

Bist du ein Christ, bis Tagesanbruch dort;

Denn Graf Cosenza nahm, vor kaum drei Tagen,

Den Saracenen diesen sichern Ort.

Der Ritter hält, die Beste zu betrachten,

Die Lag' und Kunst unüberwindlich machten.
[213]

30.

Es fällt ihm ein, ob hinter diesen Thüren

Der starken Burg vielleicht die Tücke wacht.

Doch Todsgefahr kann seine Brust nicht rühren,

Kein Wort, kein Blick verkündet den Verdacht;

Denn wohin Schicksal oder Wahl ihn führen,

Da will er sicher sein durch eigne Macht.

Nur weil er andern Kampf schon eingegangen,

Trägt er nach neuer Fehde kein Verlangen.


31.

Er hemmt daher den Schritt, zum guten Glücke,

Da, wo die Brück' auf einer Wiese ruht,

Dicht vor der Burg, und folget nicht der Tücke

Des falschen Führers, der zum Schloß ihn lud.

Indem erscheint ein Ritter auf der Brücke,

Dem Ansehn nach entflammt von Zorn und Wut;

Gerüstet, in der Hand den bloßen Degen,

Ruft der ihm zu, bedrohend und verwegen:


32.

O du, der zu Armida's mächt'gen Reichen

Durch Schickung oder Willkühr sich gewandt,

Leg' ab die Wehr! Nicht denke zu entweichen,

Und beut den Fesseln die gefangne Hand!

Komm in dies Schloß, wo Alle deines Gleichen

Sich unterwerfen dem, was Sie erkannt;

Und hoffe nie, den Himmel mehr zu schauen

Durch Jahreslauf und deines Haars Ergrauen,
[214]

33.

Wenn du nicht schwörst, für sie, und wider jeden

In Kampf zu gehn, der sich nach Christus nennt.

Tancred betrachtet ihn bei diesen Reden,

Bis er die Waffen und die Stimm' erkennt.

Es war Rambald, der zu erlognen Fehden

Armiden folgt' und ihrethalb bekennt

Das Heidenthum, und den Gebrauch vertheidigt,

Der hier besteht und alles Recht beleidigt.


34.

Von heil'gem Zorn entbrennt der fromme Krieger,

Und glüh'nden Blicks erwidert er im Flug:

Ich bin Tancred, nichtswürdiger Betrieger!

Ich, der für Christus stets die Waffen trug.

Durch ihn nur ward ich seiner Feinde Sieger,

Und dies erproben sollst du bald genug;

Denn meine Rechte hat der Herr erkoren,

Dein treulos Herz dir rächend zu durchbohren.


35.

Rambald, als ihm der hehre Nam' erklungen,

Erschrickt urplötzlich und erbleicht vor Grau'n.

Doch spricht er keck: Von welcher Macht gedrungen,

Kommst du, Unsel'ger, hier den Tod zu schau'n?

Hier wird die Kraft gelähmt dir und bezwungen;

Und dies dein stolzes Haupt, vom Rumpf gehau'n,

Send' ich den Franken zu als Siegesbeute,

Bin ich derselbe, wie vordem, auch heute.
[215]

36.

So spricht der Heid'; und weil des Tages Sinken

Nichts mehr erkennen läßt, als dunkle Nacht,

Sieht man auf einmal tausend Lampen blinken,

So daß ein neuer, heller Tag erwacht.

Das Schloß erglänzt, wie auf des Meisters Winken

Bei nächt'gem Fest der Bühne stolze Pracht.

Erhaben sitzt Armida, ungesehen;

Doch ihrem Aug' und Ohr kann nichts entgehen.


37.

Der edle Kriegsheld rüstet sich indessen

Mit Muth und Waffen zu gewalt'ger That;

Vom matten Roß war er schon abgesessen,

Weil ihm der Feind zu Fuß entgegen trat.

Bedeckt vom Schild, des Helmes nicht vergessen,

Das Schwert gezückt, kommt Jener nun genaht.

Der Fürst eilt auf ihn zu in vollem Grimme,

Mit wildem Blick und fürchterlicher Stimme.


38.

Der Andre nähert sich in weiten Bogen

Und droht zu hau'n, geschützt vom Waffenbach.

Entschlossen kommt Tancred herangezogen

Und faßt ihn hart, obwohl noch krank und schwach;

Und wie Rambald sich kaum zurückgebogen,

Rückt er sogleich aufs allerschnellste nach,

Treibt fort, dringt zu, haut ein mit rascher Hitze

Und lenkt auf sein Gesicht des Schwertes Blitze,
[216]

39.

Und sucht am meisten stets den Ort zu finden,

Wo die Natur die Lebensgeister nährt,

Läßt stolzes Drohn mit Streichen sich verbinden

Und macht, daß Furcht sich mit dem Schaden mehrt.

Der hurt'ge Franke stiehlt durch Drehn und Winden

Die leichten Glieder weg ihm unterm Schwert,

Und setzt des Feindes fürchterlichen Schlägen

Die Klinge bald und bald den Schild entgegen.


40.

Doch sein Bemühn, dem Sturm sich zu entrücken,

Ist minder schnell, als seines Gegners Wut.

Schon ist der Helm zerhau'n, der Schild in Stücken,

Durchbohrt der Harnisch und bedeckt mit Blut;

Hingegen will kein einz'ger Hieb ihm glücken,

Der seinem Feind den mindsten Schaden thut.

Er zittert, zagt und fühlt sein Herz zerrissen

Von Liebe, Zorn, Beschämung und Gewissen.


41.

Verzweifelnd will er, um den Kampf zu enden,

Die letzte Probe des Geschicks bestehn.

Er wirft den Schild hinweg; mit beiden Händen

Packt er das Schwert, das noch kein Blut gesehn,

Und eilt, dem Gegner einen Hieb zu senden,

Sich dicht ihm nähernd, dem zu widerstehn

Kein Stahl vermag. Das Schwert durchzischt die Lüfte

Und dringt ihm schmerzlich in die linke Hüfte.
[217]

42.

Dann auf die breite Stirn haut er erbittert,

So daß der Schlag wie eine Glocke schallt.

Tancred, wird auch der Helm ihm nicht zersplittert,

Nickt doch und wankt, indem das Eisen prallt.

Nun fühlt er erst, wie ihn die Wut durchzittert;

Aus seinen Augen sprüht des Grimms Gewalt,

Und durchs Visir des Helmes dringt zusammen

Der Zähne Knirschen mit der Blicke Flammen.


43.

Den Anblick trägt er nicht, der falsche Heide,

Nicht dieses Auges schrecklich blitzend Drohn;

Das Eisen zischt, und tief im Eingeweide,

Tief in der Brust, fühlt er die Wunde schon.

Auf einen Pfeiler fällt des Schwertes Schneide,

Denn zeitig noch ist ihm der Feind entflohn;

Die Spän' und Funken fliegen auf mit Sausen,

Und des Verräthers Herz durchfährt ein Grausen.


44.

Er flieht der Brücke zu; nur durch die Schnelle

Wird des Entkommens Hoffnung noch erfrischt.

Allein Tancred verfolgt ihn auf der Stelle,

Drückt Fuß an Fuß und glaubt ihn schon erwischt:

Als plötzlich, zu des Flücht'gen Schutz, die Helle

Des Fackellichts sammt jedem Stern erlischt;

Und vom verarmten Himmel strahlt ins Dunkel

Der blinden Nacht nicht mehr des Monds Gefunkel.
[218]

45.

In diesen Nacht- und Zauber-Finsternissen

Kann ihm Tancred nicht folgen, noch ihn sehn,

Und darf, da jeder Lichtstrahl ihm entrissen,

Unsicher nur und tappend weiter gehn.

Zu einem Eingang kommt er, ohne Wissen;

Er geht hindurch, und merkt nicht, was geschehn.

Doch hinter ihm schließt krachend sich die Pforte

Und sperrt ihn ein an einem dunkeln Orte.


46.

Gleichwie der Fisch – wo unser Meer, vom Bogen

Comacchio's eingehegt, zum Sumpf gerinnt –

Um zu entgehn den sturmbewegten Wogen,

In stillerm Wasser sich zu schirmen sinnt,

Und so sich selber einschließt, rings umzogen

Vom sumpf'gen Kerker, dem er nicht entrinnt;

Denn dies Gefängniß seltner Art läßt immer

Den Eingang frei, allein den Ausgang nimmer:


47.

So war Tancred von selbst hier eingegangen –

Wie immer auch der wunderbaren Haft

Einrichtung sei – und fand sich da gefangen,

Wo Niemand sich von selbst den Ausgang schafft.

Wohl rüttelt' er am Thor; doch sein Verlangen

Blieb ohne Frucht, trotz seines Armes Kraft.

Da tönt ein Ruf: Umsonst ist dein Beginnen,

Armidens Sklav, dem Kerker zu entrinnen!
[219]

48.

Grab des Lebend'gen bleibt dir dies Gefängniß

Auf ew'ge Zeit; Tod wäre dir noch Glück.

Der Ritter schweigt und drückt des Leids Bedrängniß,

Den bittern Gram, ins tiefe Herz zurück.

Sich klagt er an, die Liebe, das Verhängniß,

Den eignen Wahn, der Andern Bubenstück.

Still sagt er oft, von Unmuth hingerissen:

Leicht wär' es wohl, der Sonne Licht zu missen;


49.

Doch weh! mir ist das süß're Licht benommen

Der schönern Sonn', und weiß ich Armer nicht,

Ob je an einen Ort ich werde kommen,

Wo meinen Schmerz ein Liebestrahl durchbricht.

Er denkt Argants, und wird noch mehr beklommen:

Wie strafbar, spricht er, fehlt' ich meiner Pflicht!

Wie muß er mich verachten und verhöhnen!

O schwere Schuld! o Schmach, nie zu versöhnen!


50.

So drücken jetzt der Ehr' und Liebe Schmerzen

Des Kriegers Brust mit sorgenschwerer Last.

Doch während sie die trüben Tag' ihm schwärzen,

Hat nicht Argant auf weichen Federn Rast.

So glühen Blut- und Ruhmgier ihm im Herzen,

So sehr ist Ruh dem wilden Sinn verhaßt,

Daß er mit Eifer wünscht, noch von der rauhen

Verwundung krank, den sechsten Tag zu schauen.
[220]

51.

Die Nacht vorher kaum will er Ruhe schaffen

Dem müden Leib, der grimme Heidenheld,

Und eilt, dem Lager schon sich zu entraffen,

Eh noch ein Strahl des Berges Haupt erhellt.

Dem Knappen ruft er zu: Gieb mir die Waffen!

Und schon sind in Bereitschaft sie gestellt;

Nicht die gewohnten: neue, hoch an Werthe,

Die zum Geschenk der König ihm verehrte.


52.

Er legt sie an – kaum mag er sie gewahren –

Und diese Last, er fühlt sie nicht einmal,

Und nimmt das alte Schwert, das er seit Jahren

In Schlachten führt, vom allerfeinsten Stahl.

Wie ein Komet mit gräulich blut'gen Haaren

Schießt durch entbrannte Lüfte seinen Strahl,

Furchtbarer Seuch' und Volksempörung Boten,

Ein drohend Licht bepurpurten Despoten:


53.

So ist Argant im Waffenschmuck zu schauen.

Sein Auge flammt, berauscht von Zorn und Blut;

Die furchtbare Geberd' haucht Todesgrauen,

Und Todesdrohn haucht seiner Blicke Wut.

So fest vermag kein Herz sich zu vertrauen,

Daß es nicht bebt vor dieses Auges Glut.

Laut brüllend, läßt er sein entblößtes Eisen

Die finstre Luft mit leerem Hieb durchkreisen.
[221]

54.

Bald soll der Räuber aus der Christenbande,

Der, ruft er aus, mich zu erreichen glaubt,

Daliegen, blutig und besiegt, im Sande,

Mit Staub besudelt sein verruchtes Haupt.

Noch lebend, seh' er, seinem Gott zur Schande,

Von dieser Hand die Waffen sich geraubt;

Und sterbend soll er nicht durch Flehn mir wehren,

Sein Fleisch zum Mahl den Hunden zu gewähren.


55.

Nicht anders brüllt der Stier durch Thal und Schlüfte,

Wann Eifersucht ihn reizt mit scharfem Sporn,

Und weckt in sich, beim Wiederhall der Klüfte,

Durch sein Gebrüll die Rachgier und den Zorn.

Mit leeren Stößen ladet er die Lüfte

Zu Kämpfen ein und wetzt am Stamm sein Horn,

Und wühlt im Sand und fordert aus der Weite

Den Nebenbuler auf zum wilden Streite.


56.

Von Wut gepeitscht, daß ihm die Lippen beben,

Spricht er zum Herold in des Hochmuths Wahn:

Ins Lager geh' und künd' auf Tod und Leben

Furchtbaren Kampf dem Ritter Jesu an.

Nun kann er nicht sich länger Ruhe geben,

Schwingt sich aufs Roß, läßt den Gefangnen nahn,

Enteilt der Stadt, und mit verhängtem Zügel,

In tollem Lauf, sprengt er hinab den Hügel.
[222]

57.

Er stößt ins Horn; mit grausenvollem Schalle

Dringt durch das Feld die rauhe Stimm' hervor

Und füllet rings, gleich Donners Wiederhalle,

Mit rascher Furcht der Hörer Herz und Ohr.

Versammelt ist in jenem Zelt, das alle

An Umfang übertrifft, der Fürsten Chor.

Der Herold bringt die Ladung, nennt Tancreden,

Schließt aber Keinen aus von diesen Fehden.


58.

Mit ernstem Blick und zweifelndem Gemüthe

Hat Gottfried schon den ganzen Kreis durchspäht;

Und doch, wie sehr sich Aug' und Geist bemühte,

Zeigt Keiner sich, der solchem Werke steht.

Verlassen hat ihn seiner Helden Blüthe:

Noch keine Kund' ergab sich von Tancred;

Auch Bohemund ist fern vom Heer, entwichen

Der mächt'ge Held, durch den Gernand erblichen.


59.

Und in Armidens trügrischem Geleite

Flohn, außer jenen, die das Loos erwählt,

Die Besten, die Berühmtesten im Streite,

Vom Schweigen der gewognen Nacht verhehlt.

Die Andern stehn beschämt und stumm zur Seite,

Weil Kraft dem Arm, dem Geiste Kühnheit fehlt;

Und Keiner will für Ruhm sein Leben wagen,

So ganz besiegt ist Ehrgefühl vom Zagen.
[223]

60.

An jeder Mien', an ihrem Blick und Schweigen

Wird leicht der Feldherr diese Furcht gewahr.

Von edlem Zorn fühlt er den Busen steigen,

Und plötzlich tritt er mitten in die Schaar:

Wohl müßt' ich unwerth mich des Lebens zeigen,

Entzög' ich jetzt mein Leben der Gefahr,

Zugebend, daß ein Heid', an dieser Stäte,

So schimpflich unsern Ruhm mit Füßen trete.


61.

Mein Lager mag den Frieden sich bewahren,

Schau'n die Gefahr, selbst von ihr unerreicht.

Auf! auf! bringt mir die Rüstung! Und schon waren

Im Augenblick die Waffen ihm gereicht.

Doch Raimund nun, deß längst gereiften Jahren

Die edle Reife des Verstandes gleicht,

Und dem, von Allen, Keiner überlegen

An grüner Kraft, tritt dem Bouillon entgegen.


62.

Nein, spricht der Greis, nie werden wir erlauben,

Auf Eines Haupt das Heer gewagt zu sehn.

Nicht Einen, Alles würdest du uns rauben;

Als Feldherr sollst du, nicht als Krieger, stehn.

Du stützest ja das heil'ge Reich, den Glauben;

Durch dich soll Babels Herrschaft untergehn.

Du sollst nur mit dem Geist, dem Scepter walten,

Und Andre laß mit Schwert und Kühnheit schalten.
[224]

63.

Und ich, obwohl mich zu gebeugtem Rücken

Das Alter schon verdammt, gern tret' ich ein.

Mag sich, wer will, der Kriegsgefahr entrücken;

Mir soll das Alter nicht Entschuld'gung sein.

O mögte so mich Jugendkraft beglücken,

Wie euch jetzt, die ihr steht in bangen Reihn,

In denen Zorn und Schaam so fest entschlafen,

Daß nichts euch spornt, den Lästrer zu bestrafen;


64.

Wie mich, als ich vordem – mir sah das ganze

Germanien zu – vor Kaiser Conrads Thron,

Dem wilden Leopold mit meiner Lanze

Die Brust zerriß und gab den Todeslohn.

Wohl war es eine That von höherm Glanze,

Den Mann zu fällen, der noch nie geflohn,

Als wenn man hier, allein, mit nacktem Arme,

Jagt' in die Flucht ein Heer von diesem Schwarme.


65.

Ja, wär' in mir noch jenes Blut und Feuer,

Längst dämpft' ich dieses Stolzen Uebermuth.

Doch wie ich sei: noch schlägt mein Herz nicht scheuer,

Und auch dem Greise fehlt es nicht an Muth.

Bezahlen soll den Sieg der Heide theuer,

Und lass' ich auf dem Kampfplatz all mein Blut.

Ich waffne mich; mein ganzes vor'ges Leben

Soll dieser Tag mit neuem Glanz umgeben.
[225]

66.

So spricht der hohe Greis, und für die Schaaren

Ist seine Red' ein Sporn der Tapferkeit.

Sie, die vorhin so stumm und furchtsam waren,

Sind jetzt in Worten muthig und bereit.

Nicht nur scheut Keiner mehr des Kampfs Gefahren,

Gar Viele jetzt wetteifern um den Streit.

Ihn wollen Balduin, Rüd'ger sich beschieden,

Guelf, Stephan, Gernier und die beiden Guiden;


67.

Und Pyrrhus, dessen Trug, mit Lob vernommen,

Einst Antiochien gab dem Bohemund.

Und um den Kampf wetteifern, muthentglommen,

Jetzt Eberhard, Ridolf auch und Rosmund,

Aus Schottland, Irland, Engelland gekommen,

Durchs Meer getrennt von unserm Länderbund;

Und ihn verlangen, mit beredter Lippe,

Die treuen Gatten, Odoard und Gildippe.


68.

Doch mehr entflammt, als alle diese Jugend,

Den Heldengreis die edle Kampfbegier;

Und schnell die Rüstung in einander fugend,

Steht er bewehrt, bis auf des Helmes Zier.

Ihm sagt Bouillon: O du, der alten Tugend

Lebend'ger Spiegel! wollte Gott, in dir

Schaut' unser Volk sein Muster, seine Lehre!

Du zeigst ihm Krieges Kunst und Zucht und Ehre.
[226]

69.

O wären noch zehn Andre mir gegeben,

Dir gleich an Heldenwerth, bei jüngerm Blut:

Wie wollt' ich dann das heil'ge Kreuz erheben,

Wie tilgt' ich bald der Babel stolze Brut!

Doch jetzt laß ab; erhalte noch dein Leben

Zu Thaten, würd'ger für den grauen Muth.

Mag ein Gefäß der Andern Namen fassen,

Und sei der Spruch dem Zufall überlassen;


70.

Vielmehr dem Höchsten, der sein heil'ges Wollen

Vom Glück und vom Verhängniß läßt vollziehn.

Doch Raimund steht nicht ab, und will, sie sollen

Auch seinen Namen mit zum Loose ziehn.

Nun läßt Bouillon die Zettel alle rollen

In seinen Helm, und regt und schüttelt ihn;

Und auf dem ersten, der dem Loos' entwunden,

Wird Raimunds von Toulouse Nam' erfunden.


71.

Der Nam' erschallt mit jauchzendem Empfange,

Und Keiner wagt zu schmähn des Looses Wahl.

Mit frischer Kraft erfüllt sich Stirn und Wange,

Und so verjüngt der Greis sich auf einmal,

Wie in der neuen Haut die wilde Schlange,

Die, goldumglänzt, sich schmückt im Sonnenstrahl.

Doch Gottfried nun, zur höchsten Freud' erhoben,

Verheißt ihm Sieg und hört nicht auf zu loben.
[227]

72.

Dann löset er sein Schwert vom Wehrgehänge

Und reicht's dem Greise dar, und spricht im Flug:

Dies ist das Schwert, das stets im Schlachtgedränge

Der fränkische Rebell von Sachsen trug.

Ich nahm es ihm, da, mit gerechter Strenge,

Für tausendfache Schuld ich ihn erschlug.

Stets war es siegreich mir in jedem Kriege;

Nimm du es nun, und helf's auch dir zum Siege!


73.

Der Heid' indeß, von Ungeduld entglommen

Ob ihrem Zögern, droht von fern und schreit:

O unbesiegtes Volk, o Volk der Frommen!

Ein einz'ger Mann ruft euch heraus zum Streit.

Mag doch Tancred, der große Kriegsheld, kommen,

Traut er so viel auf seine Tapferkeit.

Doch harrt er wohl, auf Federn weich gebettet,

Der dunkeln Nacht, die Einmal ihn errettet?


74.

So komm' ein Andrer, wenn er zagt; in Schaaren

Kommt insgesammt zu Fuß und Roß heran,

Wenn nicht ein Einz'ger von so Unzählbaren

Mit mir zu kämpfen waget Mann an Mann.

Seht da das Grab, gewürdigt zu bewahren

Mariens Sohn; warum noch steht ihr an?

Lös't eu'r Gelübde doch; der Weg ist offen.

Welch größer Werk bleibt eurem Schwert zu hoffen?
[228]

75.

So, wie mit Geißeln, wird mit bitterm Hohne

Der Christenschaar vom Heiden zugesetzt.

Doch Raimund duldet's nicht; von diesem Tone

Fühlt er noch mehr, als Alle, sich verletzt.

Gereizter Muth sieht nichts mehr, was er schone,

Wenn er am rauhen Stein des Zorns sich wetzt;

Und so besteigt nun Raimund auf der Stelle

Den Aquilin, benannt von seiner Schnelle.


76.

Geboren ward das Roß an Tajo's Wogen,

Wo oft der kühnen Heerde Mutterpferd,

Vom Liebeshauch des Frühlings angeflogen,

Wann der Naturtrieb stärker in ihm gährt,

Fruchtbarer Luft den Saamen hat entsogen,

Mit offnem Schlund dem Winde zugekehrt;

Und, wunderbar! vom lauen Hauch durchdrungen,

Empfängt es mit Begier und wirft die Jungen.


77.

Gewiß, du sprächest: die am leichtsten wehen,

Die Himmelslüfte zeugten Aquilin,

Sähst du so schnell, daß keine Spur zu sehen,

Ihn ausgestreckt auf ebnem Sande fliehn;

Sähst du ihn lenksam und gewandt sich drehen,

Und rechts und links die engen Kreise ziehn.

Dies edle Roß besteigt der Graf und sendet

Aufwärts den Blick, da er zum Kampf sich wendet:
[229]

78.

O Herr, der einst die unerfahrnen Waffen

In Terebinth mit seinem Arm gelenkt;

Der jenen starken Goliath hinzuraffen

Gebot der Schleuder, die ein Knabe schwenkt':

O mögst du jetzt auch mir den Sieg verschaffen!

Durch mich sei dieser Heid' in Staub gesenkt;

Daß jetzt ein Greis den Hochmuth überwinde,

So wie er einst erlag vor einem Kinde.


79.

So fleht der Graf, und sein inbrünstig Lallen,

Von sichrer Hoffnung auf den Herrn beschwingt,

Steigt auf im Flug zu den gestirnten Hallen,

Wie von Natur empor die Flamme dringt.

Der ew'ge Vater hört's mit Wohlgefallen

Und wählet aus der Schaar, die ihn umringt,

Ihm einen Beistand, der den Greis als Sieger

Soll unverletzt entziehn dem frechen Krieger.


80.

Der Engel, den vom ersten Augenblicke,

Als Raimunds Eintritt in die Welt geschehn,

Zum steten Schutz im irdischen Geschicke

Dem wackern Mann die Vorsicht ausersehn:

Da jetzt aufs neu mit gnadenvollem Blicke

Der Herr ihm winkt, dem Greise beizustehn,

Ersteigt die Burg, wo die gesammten Schaaren

Der Himmelsmacht die Waffen aufbewahren.
[230]

81.

Hier ruhn gehäuft die mächt'gen Donnerkeile

Und der gewalt'ge Speer, des Drachen Tod,

Und jene graunvoll unsichtbaren Pfeile,

Die Pest erzeugen und viel andre Noth.

Hier schwebt der große Dreizack hoch am Seile,

Der schrecklicher als Alles uns bedroht,

Wann er mit ehrner Kraft am Grundbau rüttelt

Der weiten Erd', und rings die Städte schüttelt.


82.

Hier flammt zugleich mit anderm Kriegsgeräthe

Ein großer Schild vom hellsten Diamant;

Vom Kaukasus bis an des Atlas Stäte

Bedeckt er leicht die Völker und das Land,

Und für gerechte Fürsten, heil'ge Städte,

Wird dieses Schildes mächt'ger Schutz verwandt.

Den nimmt der Engel jetzt, um ungesehen

Mit ihm dem wackern Raimund beizustehen.


83.

Schon füllte sich indeß die Mauerbreite

Mit vielem Volk; auch sandte der Tyrann

Clorinden aus mit mächtigem Geleite,

Das rings am Hügel sich zu reihn begann.

Zu gleicher Zeit rückt von der andern Seite

Ein Christenhauf' in guter Ordnung an;

Und der geraume Platz, den Beid' umfassen,

Wird für den Kampf der Ritter frei gelassen.
[231]

84.

Der Heide schaut umher; doch nicht Tancreden,

Den unbekannten Kämpfer sieht er dort.

Ihm sagt der Graf: Der, den du willst befehden,

Ist anderswo, zu deinem Heil und Hort.

Doch sei nicht stolz; du riefst der Franken jeden,

Und prüfen will ich deine Kraft sofort;

Denn kämpfen darf ich für den andern Ritter,

Auch ist's erlaubt, daß ich erschein' als Dritter.


85.

Der Stolze spricht mit lächelnd bitterm Munde:

Wo weilt Tancred? Was hält ihn denn so fest?

Ihn, der dem Himmel droht, und in der Stunde

Des Kampfs sich nur auf seinen Lauf verläßt?

Doch flieh' er zu des Meers, der Erden Grunde:

Kein Ort ist, wo mein Schwert ihm Ruhe läßt!

Du lügst, sagt Jener, wenn du vom Entweichen

Des Tapfern sprichst, den du nicht kannst erreichen.


86.

Der Heide knirscht: Nimm, ruft er mit Erboßen,

Zum Rennen Platz; für ihn nehm' ich dich an.

Bald wird sich's zeigen, ob dein Arm die großen,

Tollkühnen Worte wohl vertheid'gen kann.

So sprengen sie zum Kampf, und Beide stoßen

Nach ihres Gegners Helm mit Macht hinan;

Der brave Raimund trifft, wohin er zückte,

Doch ohne daß sein Feind im Sattel rückte.
[232]

87.

Argant durchrennt umsonst das Kampfgefilde,

Sein Stoß – ein seltner Fehler ihm – bleibt leer;

Denn jener Himmelshort hielt mit dem Schilde

Von Raimund ab das mördrische Gewehr.

Vor Wut zerbeißt die Lippen sich der Wilde,

Zerbricht am Boden fluchend seinen Speer

Und zieht den Stahl, und sprengt mit Sturmesdrange

Auf seinen Gegner an zum zweiten Gange.


88.

Wie Widder, die das Haupt zum Stoße senken,

Rennt, graden Laufs, das mächt'ge Roß herbei;

Doch Raimund eilt, zur Rechten abzulenken,

Trifft seines Feindes Stirn und fliegt vorbei.

Von neuem kommt Argant; mit neuem Schwenken

Läßt Jener ihn zur Rechten und bleibt frei,

Trifft wieder seinen Helm, und fruchtlos immer;

Der Helm, demantner Härtung, weicht ihm nimmer.


89.

Der Heide nun, um seinen Mann zu fassen

In engerm Kampf, drängt und umschließt den Feind.

Der Andre, der so ungeheuern Massen,

Sammt seinem Roß, schier zu erliegen meint,

Weicht aus, greift an, und, ohn' ihm Ruh zu lassen,

Kreist so umher, daß er zu fliegen scheint;

Und das behende Roß folgt den Befehlen

Des Zügels stets, ohn' einen Schritt zu fehlen.
[233]

90.

Wie vor der Burg, gedeckt durch ihre Lage

Auf Höh'n, im Sumpf, ein Feldherr zieht umher

Und tausend Weg' und Künste, Tag vor Tage,

Versucht und übt: so macht's der Graf nunmehr.

Und da er sieht, daß er mit keinem Schlage

Verletzt der Brust, des stolzen Hauptes Wehr,

Sucht er an schwächerm Ort hineinzudringen

Und zwischen Stahl und Stahl sein Schwert zu bringen.


91.

Schon hat die Wehr des Feindes manche Spalten,

Schon macht' er oft sie lau und roth von Blut;

Und seine Rüstung ist noch wohl erhalten,

Und jeder Schmuck noch unversehrt und gut.

Wie auch Argant nur toben mag und schalten,

Vergebens braucht er alle Kraft und Wut.

Doch unerschlafft verdoppelt er, nicht zählend,

Der Hieb' und Stöße Meng', und stärkt sich fehlend.


92.

Zuletzt gelingt ihm unter tausend Streichen

Ein mächt'ger Hieb, und Raimund ist so nah,

Daß Aquilin vielleicht nicht zu entweichen

So schnell vermogt', als dieser Hieb geschah.

Doch jener Bot' aus überird'schen Reichen

Ist schon mit unsichtbarer Hülfe da;

Er hebt den Arm und streckt dem wilden Degen

Den diamantnen Himmelschild entgegen.
[234]

93.

Die Klinge bricht – denn Widerstand zu schaffen

Vermag kein Schwert, gestählt von Menschenhand,

Den unzerstörbarn, ungemischten Waffen

Des ew'gen Meisters – und sie fällt in Sand.

Kaum glaubt's der Heide, der mit starrem Gaffen

Die kleinen Splitter fallen sah aufs Land,

Und staunt, da er entwaffnet spürt die Rechte,

Daß mit so starker Wehr sein Gegner fechte.


94.

Wohl glaubt Argant, die Klinge sei gesprungen

Am andern Schild, den Raimund vor sich hält;

Und Dieser ist vom gleichen Wahn bezwungen,

Unwissend, welcher Schutz sich ihm gesellt.

Kaum aber sieht der Graf das Schwert entrungen

Der Feindeshand, als Zweifel ihn befällt;

Denn niedre Beut', unedles Siegeszeichen

Könnt' er, mit solchem Vortheil, nur erreichen.


95.

Ergreif' ein andres Schwert! Schon wollt' er's sagen,

Allein ihm fällt ein neuer Zweifel ein;

Denn Schmach der Seinen wär's, würd' Er erschlagen,

Der Kämpfer für den ganzen Volksverein.

So will ihm nicht unwürd'ger Sieg behagen,

Noch soll der Christen Ruf gefährdet sein.

Indem er zaudert, säumt Argant nicht lange

Und wirft Gefäß und Knauf ihm an die Wange.
[235]

96.

Er sprengt zugleich, wild wie ein Ungewitter,

Zum Ringen auf ihn los und naht ihm dicht.

Dem Grafen trifft der Wurf des Helmes Gitter

Und quetscht im Anprall heftig sein Gesicht;

Doch unbestürzt entweicht der greise Ritter

Dem starken Arm, der ihn beinah umflicht,

Und eilt, den Heiden in die Faust zu hauen,

Die ihn umklammern will, gleich Unthiersklauen.


97.

Dann schwenkt er sich von der auf diese Seite,

Von dieser nun auf die, ohn' Unterlaß;

Und nah' er sich, enteil' er in die Weite,

Stets wird sein Schwert vom Feindesblute naß.

Die ganze Kraft, die ganze Kunst im Streite,

Was neuer Zorn vermag und alter Haß,

Er sammelt es, zum Fall Argants entschlossen,

Und Glück und Himmel sind ihm Bundsgenossen.


98.

Der Heide steht dem Angriff, sonder Wanken,

Stark durch sich selbst und durch die feinste Wehr:

Dem Schiffe gleich, dem Mast und Segel sanken,

Das steuerlos wogt auf empörtem Meer,

Und dennoch, da mit wohlgefugten Planken

Die Seiten ihm gedeckt sind rings umher,

Der wilden Flut sich zeigt noch ohne Spalten

Und noch nicht ganz verzweifelt, sich zu halten.
[236]

99.

So sehr, Argant! war guter Rath dir theuer,

Als dir zum Schutz Beelzebub erwacht

Und eine Wolke – seltsam Ungeheuer! –

Zum leichten Schatten eines Menschen macht,

Dem er Clorindens Hochgestalt in treuer

Nachbildung giebt, sammt ihrer Waffentracht,

Sprach', ohne Seel', in den bekannten Tönen,

Und Haltung und Geberdungsart der Schönen.


100.

Das Trugbild kommt zum Oradin, von allen

Pfeilschützen dem erfahrensten, und spricht:

Berühmter Oradin, der nach Gefallen

Sein Ziel erwählt und trifft mit Zuversicht!

Wie hart für uns, wenn Er hier sollte fallen,

Der tapfre Held, der für Judäa ficht,

Und wenn mit seiner Wehr, im Siegesprangen,

Sein Gegner sollt' in Frieden heim gelangen!


101.

Hier zeige deine Kunst, und mit dem Blute

Des fränk'schen Räubers röthe deinen Pfeil;

Denn, außer ew'gem Ruhm, kommt dir zu Gute

Vom König würd'ger Lohn für solches Heil.

Der Krieger bleibt nicht lang' im Zweifelmuthe,

Sobald er hört, ihm werde Lohn zu Theil;

Schnell aus dem Köcher ist der Pfeil gezogen,

Er legt ihn auf und spannt den sichern Bogen.
[237]

102.

Die Sehne schwirrt; der Pfeil, mit schnellen Schwingen,

Fliegt ab und zischt, da er die Luft durchfährt.

Und, wo des Gürtels Schnallen sich verschlingen,

Bohrt er sich ein und trennt sie unverwehrt.

Doch kann er nicht den Panzer tief durchdringen,

Kaum wird er roth und kaum die Haut versehrt;

Denn weiter läßt der Engel ihn nicht kommen,

Der dem Geschoß die beste Kraft benommen.


103.

Der Ritter zieht den Pfeil aus seiner Wunde,

Und plötzlich springt das warme Blut hervor,

Und, höchst erzürnt, wirft er mit droh'ndem Munde

Dem Heiden die gebrochne Treue vor.

Der Feldherr auch, der in so wicht'ger Stunde

Den theuern Freund nie aus dem Blick verlor,

Sieht des Vertrages Bruch, glaubt zu entdecken,

Der Graf sei schwer verletzt, und bebt vor Schrecken.


104.

Um würd'gen Lohn dem Frevel zu verhängen,

Regt er die Seinen auf mit Wink und Schrei'n.

Schon fallen die Visire, schon verlängen

Die Zügel sich, die Speere legt man ein;

Und nun, im gleichen Augenblicke, sprengen

Von da und dort hervor die wilden Reihn.

Das Feld verschwindet, und vom Kampfgewimmel

Wälzt sich der Staub in Wolken hoch gen Himmel.
[238]

105.

Beim ersten Anfall prasseln Helm' und Schilde,

Und Lanzen krachen, daß die Erde dröhnt.

Hier stürzt ein Roß, dort irrt durch die Gefilde

Ein andres hin, das keinem Lenker fröhnt.

Hier liegt ein Todter; Jener dort stößt wilde

Verwünschung aus, und Dieser ächzt und stöhnt.

Rauh ist die Schlacht, und wie gedrängter worden

Das Kampfgemisch, so wächst und steigt das Morden.


106.

Leicht wirft Argant sich mitten ins Gedränge,

Reißt einen Kolben aus der nächsten Hand,

Schwingt rasch ihn um sich her, die Breit' und Länge,

Durchbricht die Schaar und säubert rings das Land.

Nur Raimund sucht er in der Krieger Menge,

Hat gegen ihn nur Zorn und Stahl gewandt,

Und will, so scheint's, mit seinen Eingeweiden,

Gleich einem gier'gen Wolf, den Hunger weiden.


107.

Doch nun erscheint, den Weg ihm zu verlegen,

Den Lauf zu hemmen, eine tapfre Schaar;

Er findet Ormann, Guido sich entgegen,

Den Balnavill und der Gerharde Paar.

Er weicht nicht, zögert nicht; nur mehr verwegen

Macht ihn der Helden Widerstand sogar:

Wie Feuer, in verschlossnem Raum gehütet,

Ausbricht mit Macht und doppelt furchtbar wütet.
[239]

108.

Er tödtet Ormann, macht den Guido wanken,

Wirft Balnavill matt zu der Todten Heer;

Doch immer wächst der Waffen und der Franken

Furchtbarer Kreis und drängt ihn mehr und mehr.

Indem der Kampf, durch ihn allein im Schwanken,

Wogt zwischen beiden Völkern hin und her,

Beschließt Bouillon, den Bruder aufzumahnen,

Und ruft ihm zu: Jetzt rege deine Fahnen,


109.

Und auf den linken Flügel wirf die Deinen,

Da, wo am stärksten brennt des Kampfes Glut.

Der bricht hervor und stürzt zusammt den Seinen

Seitwärts sich auf den Feind mit solcher Wut,

Daß Asiens Völker schwach und furchtsam scheinen

Und nicht mehr widerstehn dem Frankenmuth,

Der ihre Reihn durchbricht, Panier' und Streiter

Zu Boden wirft, und mit dem Roß den Reiter.


110.

Vom gleichen Sturm wird auch der rechte Flügel

In Flucht gejagt, und Keiner als Argant

Vertheidigt sich; so, mit verhängtem Zügel,

Treibt sie die Furcht hinaus ins weite Land.

Nur er noch trotzt den Franken, fest im Bügel;

Wer hundert Arm', in jeder rechten Hand

Ein Schwert, ein Schild in jeder linken rührte,

Er thäte kaum, was jetzt Argant vollführte.
[240]

111.

Er steht dem Schwerthieb und dem Kolbenpralle,

Der Speer' und Rosse drängendem Gewicht,

Und scheint allein genug dem ganzen Schwalle,

Und zeigt bald dem, bald dem sein Angesicht.

Wund ist sein Leib, zerfetzt die Waffen alle,

Blut strömt er aus und Schweiß, als fühl' er's nicht.

Allein das Volk stößt, drängt ihn so gewaltsam,

Daß es zuletzt ihn fortreißt unaufhaltsam.


112.

Er wendet sich beim ungeheuern Drange

Der Menschenflut, die ihn von hinnen reißt;

Doch Flucht ist nicht im Herzen noch im Gange,

Wenn Armesthat des Herzens Muth beweist.

Noch macht der Augen Glut den Feinden bange,

Noch droht aus ihr der alte zorn'ge Geist;

Noch müht er sich, mit aller Macht des Strebens,

Das flücht'ge Volk zu hemmen, doch vergebens.


113.

Der kühne Held vermag nicht zu erringen,

Daß sie gehaltner nur und mäß'ger fliehn,

Denn Furcht mag weder Kunst noch Zügel zwingen;

Er fleht, er herrscht: sie hören nicht auf ihn.

Bouillon nunmehr, dem seines Plans Gelingen

Des Glückes Beistand zu verbürgen schien,

Folgt ungesäumt des Sieges frohen Bahnen

Und schickt dem Siegerheere neue Fahnen.
[241]

114.

Und war der Tag dies, der dem höchsten Gotte

In seinem Rath von Ewigkeit gefiel:

Wohl sah noch heut, dem mächt'gen Feind zum Spotte,

Das Siegerheer der heil'gen Arbeit Ziel.

Kaum aber ward gewahr die Höllenrotte,

Wie sehr in diesem Kampf ihr Reich zerfiel,

Als sie, da ihr's vergönnt, die Luft sich thürmen

In finstre Wolken ließ und rief den Stürmen.


115.

Sogleich erlischt, bedeckt von schwarzer Hülle,

Der Sonne Glanz; mit mehr als Höllengrau'n

Flammt rings der Himmel auf und läßt die Fülle

Der Blitze nur und Wetterstrahlen schau'n.

Der Hagel stürzt, beim Donnerwutgebrülle,

Herab, zerschlägt und überschwemmt die Au'n.

Der Sturmwind tobt, die Bäume rings zersplittern;

Nicht Eichen nur, auch Fels und Hügel zittern.


116.

Platzregen, Sturm und Ungewitter fahren

Mit gleicher Wut den Franken ins Gesicht,

Und unbezwinglich Grau'n hemmt ihre Schaaren,

Da auf sie los solch plötzlich Wetter bricht.

Die mindre Zahl nur kann den Platz bewahren

Bei den Panieren; denn man sieht sie nicht.

Clorinde nun läßt keine Zeit verloren –

Sie war nicht fern – und giebt dem Roß die Sporen.
[242]

117.

Sie ruft den Ihren zu: Für uns, Genossen!

Kämpft jetzt der Himmel und beschützt das Recht.

Wir sind verschont von seines Zorns Geschossen,

Frei ist der Blick, die Hand uns zum Gefecht,

Und in das Antlitz fahren seine Schlossen

Dem Feinde nur, den die Bestürzung schwächt,

Und gönnen Waffen nicht, noch Licht ihm weiter.

Wohlauf zum Kampf, denn das Geschick ist Leiter!


118.

So spornet sie das Volk, giebt ihren Nacken

Dem Ungestüm der ganzen Hölle bloß,

Eilt mit Gewalt das Frankenheer zu packen,

Und achtet nicht den eiteln Widerstoß.

Nun aber wendet auch Argant die Hacken

Und stürmt mit Macht auf die schon Sieger los,

Und Diese räumen das Gefild' und fliehen,

Um sich dem Schwert und Sturme zu entziehen.


119.

Den Nacken nun des flücht'gen Heers bedrohten

Der Heiden Schwert, der Geister mächt'ge Wut,

Und mit dem Regenstrom vermischt, in rothen

Geschwollnen Bächen, floß dahin das Blut.

Zur Schaar gemeiner Sterbenden und Todten

Sinkt hier Ridolf, sinkt Pyrrhus in die Flut;

Den würgt die Faust des grimmigen Circassen,

Der muß den edeln Sieg Clorinden lassen.
[243]

120.

So fliehn die Franken fort, und der Dämonen,

Der Palästiner Wut verfolgt sie dicht.

Bouillon allein, laut zürnend den Baronen,

Die er mit Eifer mahnt an ihre Pflicht,

Beut ohne Furcht den Feindeslegionen,

Dem Blitz und Sturm sein sichres Angesicht,

Und hält zu Roß am Thor, und sammelt alles,

Was fliehend sich zerstreut, im Schutz des Walles.


121.

Wohl stürmt er zweimal dem Argant entgegen

Und drängt ihn weit zurück, der kühne Held;

Wohl haut er zweimal ein mit nacktem Degen,

Da, wo der Feind am dichtsten sich gestellt.

Doch endlich zieht auch er zu den Gehegen

Des festen Walles ein, und räumt das Feld.

Der Feind kehrt um, und in des Lagers Schranken

Verschließen sich, matt und bestürzt, die Franken.


122.

Doch die Gewalt des Regenstroms, das Toben

Des wilden Sturms verfolgt sie auch noch dort.

Das Feuer wird verlöscht; der Wind von oben,

Die Flut von unten, dringt an jeden Ort,

Zerreißt das Tuch, zerbricht die Pfähl' und Kloben,

Und führt die ganzen Zelte mit sich fort.

Geheul und Regen, Sturm und Donnerbrausen

Betäubt die Welt mit Harmonien voll Grausen.

Quelle:
Torquato Tasso: Das Befreite Jerusalem. Teil 1, Berlin 1855, S. 203-244.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das befreite Jerusalem
Befreites Jerusalem (1-2)
Torquato Tasso's Befreites Jerusalem, Volumes 1-2 (German Edition)
Befreites Jerusalem

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Nachkommenschaften

Nachkommenschaften

Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier. Neun Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.

434 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon