13. Verlangen nach einem abgeschiedenen Wandel in der Gemeinschaft mit Jesu

[344] Mel.: Unerschaffne Gotteslieb' ... oder: Mache dich, mein Geist bereit ...


1.

Liebster Heiland, nahe dich,

Meinen Grund berühre

Und aus allem kräftiglich

Mich in dich einführe,

Daß ich dich Inniglich

Mög' in Liebe fassen,

Alles andre lassen!
[344]

2.

Sammle den zerstreuten Sinn,

Treuer Hirt der Seelen!

Denn wenn ich in dir nicht bin,

Muß mein Geist sich quälen.

Kreatur Ängstet nur,

Du allein kannst geben

Ruhe, Freud' und Leben.


3.

Mache mich von allem frei,

Gründlich abgeschieden,

Daß ich eingekehret sei

Stets in deinem Frieden,

Kindlich, rein, Sanft und klein,

Dich in Unschuld sehe,

In dir leb' und stehe!


4.

Menschenfreund, Immanuel,

Dich mit mir vermähle;

O du sanfter Liebesquell,

Salbe Geist und Seele,

Daß mein Will' Sanft und still

Ohne Widerstreben

Dir sich mag ergeben!


5.

Jedermann hat seine Lust

Und sein Zeitvertreiben;

Mir sei Eines nur bewußt,

Herr, in dir zu bleiben!

Alles soll Folgen wohl,[345]

Wenn ich mich nur übe

In dem Weg der Liebe.


6.

Kreaturen, bleibet fern,

Und was sonst kann stören!

Jesu, ich will schweigen gern

Und dich in mir hören.

Schaffe du Wahre Ruh,

Wirke nach Gefallen,

Ich halt' still in allen!


7.

Was noch flüchtig, sammle du,

Was noch stolz ist, beuge,

Was verwirret, bring zur Ruh,

Was noch hart, erweiche,

Daß in mir Nichts hinfür

Lebe noch erscheine

Als mein Freund alleine!


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 344-346.
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