[427] Mel.: Gott Lob, ein Schritt zur Ewigkeit ... oder: Aus tiefer Not schrei ich zu dir ...
1.
Ich bin ein armes Waiselein,
Ein Fremdling hier auf Erden;
O Jesu, laß mich dir gemein
Und innig nahe werden!
Ich will mit dir vermählen mich,
Weg alles andre! Du und ich
Als Freunde wollen leben.
2.
Ich sage ab der Kreatur,
Mit Jesus will ich's wagen.
Gib, daß ich mich freundmäßig nur
Mög' gegen dich betragen,
Daß ich fein offenherzig sei,
In deiner Liebe fest und treu
Und all's in Liebe nehme!
3.
Was je ein Freund am andern hat,
Das soll mir Jesus werden,
Gesellschaft, Schönheit, Lust und Rat,
Und was man wünscht auf Erden.
Hat's dieser hier, hat's jener dort,
Das sollst du mir mit einem Wort
Allein und alles bleiben.
4.
Gib, daß ich keinem mehr vertrau
Und herzelicher meine,
Gib, daß ich keinen lieber schau[428]
Als dich, mein Schatz, alleine!
Mein Freund ist mein, und ich bin sein;
Ich freue mich in dir allein
Und deinem liebsten Willen.
5.
Ei, sag mir's doch, was dir mißfällt,
Zeig meine Fehler alle!
Ich hab's mir herzlich vorgestellt,
Daß ich nur dir gefalle.
Doch, werter Freund, hab auch Geduld,
Entzieh mir nimmer deine Huld,
Wo ich dich möcht' betrüben!
6.
Sag's nur, wo ich dir dienen kann,
Ich will dich gern vergnügen;
Ich will mich selbst nicht sehen an,
Kannst du nur Ehre kriegen!
Hast du nur Fried' und Freud' in mir,
So bin ich selig dort und hier;
Was ist an mir gelegen!
7.
Komm denn, mein Freund, nimm mich ganz hin,
Du bist mir g'nug alleine,
Laß mich in abgeschiednem Sinn
Dir bleiben stets gemeine;
Leist mir Gesellschaft durch die Zeit!
Bald werden wir in Ewigkeit,
Mein Freund, beisammen wohnen.
Ausgewählte Ausgaben von
Geistliches Blumengärtlein
|
Buchempfehlung
Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.
270 Seiten, 13.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
432 Seiten, 19.80 Euro