52. Heute, weil ihr seine Stimme höret ...

[429] Eigene Melodie, oder: Der Tag ist hin, mein Jesu ...


1.

Gott rufet noch, sollt' ich nicht endlich hören?

Wie lass' ich mich bezaubern und betören!

Die kurze Freud', die kurze Zeit vergeht,

Und meine Seel' noch so gefährlich steht.


2.

Gott rufet noch, sollt' ich nicht endlich kommen?

Ich hab' so lang die treue Stimm' vernommen;

Ich wußt' es wohl, ich war nicht, wie ich sollt';

Er winkte mir, ich habe nicht gewollt.


3.

Gott rufet noch; wie, daß ich mich nicht gebe!

Ich fürcht' sein Joch und doch in Banden lebe,

Ich halte Gott und meine Seele auf;

Er ziehet mich, mein armes Herze, lauf!


4.

Gott rufet noch, ob ich mein Ohr verstopfet,

Er stehet noch an meiner Tür und klopfet,

Er ist bereit, daß er mich noch empfang',

Er wartet noch auf mich, wer weiß, wie lang?


5.

Gib dich, mein Herz, gib dich einst ganz gefangen;

Wo willst du Trost, wo willst du Ruh erlangen?

Laß los, laß los, brich alle Band' entzwei!

Dein Geist wird sonst in Ewigkeit nicht frei.


6.

Gott locket mich, nun länger nicht verweilet!

Gott will mich ganz, nun länger nicht geteilet![430]

Fleisch, Welt, Vernunft, sag immer, was du willt,

Mein's Gottes Stimm' mir mehr als deine gilt!


7.

Ich folge Gott, ich will ihn ganz vergnügen,

Die Gnade soll im Herzen endlich siegen;

Ich gebe mich, Gott soll hinfort allein

Und unbedingt mein Herr und Meister sein.


8.

Ach, nimm mich hin, du Langmut ohne Maße,

Ergreif mich wohl, daß ich dich nie verlasse,

Herr, rede nur, ich geb' begierig acht,

Führ, wie du willst, ich bin in deiner Macht!


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 429-431.
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Geistliches Blumen-Gärtlein Inniger Seelen; Oder kurtze Schluß-Reimen, Betrachtungen und Lieder uber allerhand Warheiten des Inwendigen Christenthums ...: [Reprint of the Original from 1735]