570. Dunkle Glaubensüberlassung

[168] Jetzt hält mein Freund sich auf im Kabinett inwendig,

Wie er da ist, was er da drinnen macht,

Ich nicht zu sehn und nicht zu wissen tracht';

Mein Sehn macht mich zum Sehn untüchtig und elendig,

Ich kann nicht gehn hinein, ich muß am Türlein wachen,

Mit seinem Tun vergnügt, laß ich ihn immer machen.

Doch in mir bin ich arm und bloß,

Die Dürr- und Dunkelheit ist groß,

Ich soll dennoch nicht weinen und nicht klagen,

Nicht sehen um, nicht fürchten und nicht fragen:

»Wo bin ich hier, Ist dies der rechte Pfad?«

Ich leb' so hin auf Gottes Gnad',

Das Ruder ist nicht mehr in meiner Hand,

Gott weiß, wo noch mein Schifflein findet Land;

Ich bin zufrieden doch in dieser meiner Pein,

Die Überlassung muß jetzt ohne Schranken sein.

Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 168.
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