IV. Die Hirten.

[40] Battos.

Sag' wir, Korydon, wessen die Kühe da sind? Des Philondas?


Korydon.

Nicht doch; sie sind Aegon's, der mir sie zu weiden vertraut hat.


Battos.

Nun, und du melkst sie doch unter der Hand nach einander am Abend?


Korydon.

Ja, wenn der Alte die Kälber nicht aufzög' und mich bewachte.


Battos.

Aber der Kuhhirt selber, wohin denn kam er auf einmal?


Korydon.

Weiß du noch nicht? Ihn nahm ja der Milon mit zum Alpheos.


Battos.

Ist dem Menschen je auch Salböl vor die Augen gekommen?


Korydon.

Doch dem Herakles, sagen sie, käm er an Kraft und Gewalt gleich.


Battos.

Mir auch sagte die Mutter, ich sei mehr als Polydeukes.[41]


Korydon.

Zwanzig Schafe denn nahm er, die Hacke zur Hand, und so gieng er.


Battos.

Wenn nur Milon den Wolf auch beredete, gleich da zu würgen!


Korydon.

Unablässig verlangen nach ihm mit Brüllen die Kühe.


Battos.

Armes Vieh! war dir kein besserer Hirte zu finden?


Korydon.

Arm, ja gewiß! da geh'n sie umher und wollen nicht weiden.


Battos.

Seh' mir einer die Färse! nicht mehr fürwahr als die Knochen

Blieben ihr. Ob sie vom Thau nur lebt, als wie die Cikade?


Korydon.

Nein, bei Gäa! Ich führe sie bald am Aesaros zur Weide,

Reich' ihr dabei wohl selber ein Büschel des zartesten Grases,

Bald auch tummelt sie sich auf den schattigen Höh'n des Latymnos.


Battos.

Und der Stier da, der röthliche! mein doch! Solch' ein Gerippe

Möcht' ich den Lampriern wünschen, dem hungerleidigen Völklein,

Wenn sie einmal ein Opfer der Here haben zu bringen.


Korydon.

Aber ich treib' ihn stets nach dem Meersumpf und auf den Physkos,

Auch an Neäthos' Bord, wo die herrlichsten Kräuter gedeihen,

Dürrwurz, sammt Geißweizen, und die balsamreiche Melisse.


Battos.

Ach, unseliger Aegon, dir wandern die Kühe zum Hades,

Während du nur auf den leidigen Sieg die Gedanken gestellt hast!

Und die Syringe (du klebtest sie selbst), nun wird sie verschimmeln.[42]


Korydon.

Nein, die nicht, bei den Nymphen! denn als er nach Pisa hinabzog,

Ließ er sie mir zum Geschenk. Auch ich, fürwahr, bin ein Sänger.

Stimm' ich doch Glauka's Lieder und Pyrrhos' lieblich genug an.

Kroton preist mein Gesang! O herrliche Stadt Zakynthos!

Und die östliche Kuppe Lakinion! dort wo der Faustheld

Aegon einmal allein an achtzig Kuchen verzehrte.

Dort auch schleppt' er den Stier, bei'm Huf ihn packend, herunter

Von dem Gebirg' und bracht' als Geschenk ihn dar Amaryllis.

Laut aufschrieen die Frau'n, doch der Kuhhirt lachte vergnüglich.


Battos.

Ach, Amaryllis! wenn gleich nun todt, dich trag' ich allein doch

Immer im Sinn! Wie die Ziegen mich freuen, so freuetest du mich,

Liebliche, die nun dahin! Weh, wehe! zu hart ist mein Schicksal!


Korydon.

Muth, o Battos! Es kann sich mit dir leicht morgen schon bessern.

Hoffnung geht mit dem Leben, im Tod erst endet die Hoffnung.

Zeus auch regnet einmal, ein andermal blicket er heiter.


Battos.

Ja, das ist wahr. – Ei, wirf dort unten die Kälber! am Oelbaum

Fressen sie Laub! das verruchte Gezücht', das! Sit – da! du Weißer!


Korydon.

Sit – da! Hinauf den Hügel, Kymätha! nun, wirst du nicht hören?

Wart', ich komme! bei'm Pan, das wird dir übel vergolten,

Trollst du nicht dort weg. – Schau doch, nun schleicht sie sich dahin!

Hätt' ich den Krummstab nur bei der Hand, wie wollt' ich dich bläuen!


Battos.

Korydon, sieh doch, um Zeus, hierher! Da fuhr mir ein Stachel

Unter dem Knöchel gerade hinein! Die unbändigen Disteln

Auch, überall da herum! O fahre das Kalb in's Verderben!

Während ich hinter ihr drein war, fieng ich das. Siehst du dergleichen?[43]


Korydon.

Ja, schon hab' ich ihn hier mit den Nägeln gepackt, und da ist er!


Battos.

Ei, wie ein winziger Stich, und zähmt so mächtigen Lümmel!


Korydon.

Steigst du wieder herauf in's Gebirg', so gehe nicht barfuß

Mehr; im Gebirg' sind Dorn und stachlige Sträucher zu Hause.


Battos.

Sage mir, Korydon, hat es dein Graukopf immer mit jenem

Lockeren Dirnlein noch, mit dem Schwarzaug' mein' ich, wie vormals?


Korydon.

Ho, das glaub' ich, du Narr! Noch gar nicht lang, daß ich selber

Ihn an der Stallwand traf, just da er wieder am Werk war.


Battos.

Nun, Glück zu, du bockischer Alter! Dir wird es kein Satyr,

Kein dünnbeiniger Pan in diesem Stücke zuvorthun!


M.

Quelle:
Theokritos: Idyllen. In: Theokritos, Bion und Moschos, Stuttgart 1883, S. 40-44.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon