Vierzehnte Szene

[285] Von links Frau Bürgermeister, Frieda, der Major. Die Vorigen.


FRIEDA laut. Gel, ich hab's g'sagt! Da habt's as jetzt!

FRAU BÜRGERMEISTER sehr bestürzt zu ihrem Mann. Was ist mit Suschen?

SUSCHEN. Es ist alles aus, Mama.

FRAU BÜRGERMEISTER ebenfalls weinend. Aber – Kind!

FRIEDA. Wer hat jetzt recht g'habt?

MAJOR zu Frieda. Das ist die Hauptsache, daß Sie recht haben.

FRAU BÜRGERMEISTER. Aber was war denn, Fritz?

BÜRGERMEISTER. Er sagte, daß ich ihn kompromittiere.

FRAU BÜRGERMEISTER. Schau nach, Suschen! Geschwind! Vielleicht wartet er draußen.

SUSCHEN. Nein, Mama. Ich habe recht gut gemerkt, daß es vorbei ist.

FRAU BÜRGERMEISTER fühlt Suschen an die Stirne. Was hast du für einen heißen Kopf!

SUSCHEN. Laß mich. Rasch nach links ab.

FRAU BÜRGERMEISTER. Das ist ja ein Unglück.

FRIEDA. Und die Schand![285]

BÜRGERMEISTER. Ich kann es noch nicht glauben. Mir ist so, als wenn es nicht wahr sein kann.

FRIEDA. Ja, der Beamtengiggel!

FRAU BÜRGERMEISTER. Vielleicht hat er nur so im Zorn geredet. Er ist kein böser Mensch.

BÜRGERMEISTER. Er war nicht zornig, Mama. Ganz ruhig und überlegt.

FRAU BÜRGERMEISTER wieder in Weinen ausbrechend. Das arme, arme Ding! Muß so gestraft werden!

MAJOR. Geh, Schwägerin! Nimm's nicht so schwer. Es hätte was Schlimmeres passieren können.

FRIEDA. Da sieht ma wieder an Jungg'sellen. Ahmt den Major nach. »Es hätte was Schlimmeres passieren können.« Als wenn's noch was Ärgeres geben könnt'.

MAJOR. O ja, verehrte Frau Pilgermaier!

FRIEDA. Weil des kei Schand net is, wenn ma scho den größten Staat g'macht hat mit'n Herrn Schwiegersohn, und auf oamal is nix mehr!

FRAU BÜRGERMEISTER. Ich darf nicht daran denken. Schluchzt. Vorgestern habe ich noch mit Suschen beim Kaufmann Kissenüberzüge angesehen.

BÜRGERMEISTER. Es muß noch recht werden.

MAJOR. Und die Kissen kaufen wir schon noch für einen andern Mann.

FRIEDA. Weil ma so schnell wieder ein' find't.

MAJOR zu Frieda. Sie haben wirklich was Trostreiches an sich.

FRIEDA. Is ja wahr! I kann mi ärgern, wenn ma so daher red't.

BÜRGERMEISTER. Ich mache mir solche Vorwürfe, Mama!

FRAU BÜRGERMEISTER. Ich habe schon eine Ahnung gehabt, wie du fortgefahren bist.

BÜRGERMEISTER. Und wegen nichts! Rein wegen nichts!

FRIEDA. I geh jetzt. Soll i mi net z'erst nach'm Suschen umschau'n?

FRAU BÜRGERMEISTER. Nein.

FRIEDA. Ich hätt s' vielleicht trösten können, daß s' doch net gar so fassungslos is.

FRAU BÜRGERMEISTER. Laß sie jetzt allein.

FRIEDA. Wie d' meinst. Also adieu! Und nehmt's as halt als eine Fügung Gottes! Links ab; unter der Türe dreht sie sich[286] nochmals um. I schick euch später mein Mann her. Nein, das wird eine Schwätzerei geben in dem Dornstein! Ab.

MAJOR. Das glaube ich auch.

FRAU BÜRGERMEISTER. Ich will zum Suschen hinauf.

BÜRGERMEISTER. Ja. Rede ihr zu! Frau Bürgermeister langsam nach links ab; sie trocknet sich mit dem Taschentuche die Augen.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 285-287.
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