Zehnte Szene

[410] FRAU GISELIUS. Was gibt's denn, Giselius? Zu Dr. Appel. Und Sie, Herr Doktor, wollen uns doch net verlasse?

DR. APPEL. Herr Geheimrat schienen mir den Wunsch auszusprechen ...

PROFESSOR GISELIUS ärgerlich zu seiner Frau. Siehst du, da haben wir's! Genau, wie ich sagte. Rerum ignarus. Der junge Mann hier hat nicht die geringste Ahnung davon, wieso und warum er heiraten will ...

FRAU GISELIUS erstaunt. Der Herr Doktor?

PROFESSOR GISELIUS. Deine Einwendungen haben sich als hinfällig erwiesen; jetzt wären wir ja soweit, daß wir uns auf deine berühmten Ahnungen verlassen müßten, das heißt, wenn ich leichtfertig genug wäre, meine Tochter in voller Unkenntnis ihrer Zukunft zu lassen.

FRAU GISELIUS. Ja, hat der Herr Doktor ...?

PROFESSOR GISELIUS. Jawohl, er hat erstens zugestanden, daß er selbst nichts weiß und zweitens dessenungeachtet meine Belehrung nicht angenommen.

DR. APPEL in größter Verlegenheit. Verehrter Herr Geheimrat![410]

FRAU GISELIUS. 'n Augenblick. Ich muß direkt frage, lieber, guter Herr Doktor, hawwe Sie denn um unser Lottche angehalte?

DR. APPEL. Ich habe mir diese Freiheit allerdings nicht genommen.

FRAU GISELIUS schlägt die Hände zusammen. Aber Otto! In was für Verlegenheite bringscht du dann unser Kind?

PROFESSOR GISELIUS eigensinnig. Das war doch die gegebene Voraussetzung – und übrigens hast du selbst die Tatsache behauptet.

FRAU GISELIUS. Ich?

PROFESSOR GISELIUS. Du und Cölestine.

FRAU GISELIUS. Kann m'r denn dich kein Augeblick allein lasse? Mußt du mit deine Schrulle partout Konfusione anrichte?

DR. APPEL. Ich habe mir diese Freiheit allerdings nicht genommen.

FRAU GISELIUS. Herr Doktor, jetzt müsse Sie mir hoch un heilig verspreche, daß Sie keim Mensche e Sterbenswörtche sage.

DR. APPEL. Ich habe mir diese Freiheit allerdings nicht genommen, indes muß ich bekennen, daß mir der Gedanke seit einigen Tagen nicht fremd ist ... Ich weiß nicht, ob Sie mir erlauben, darüber zu sprechen.

FRAU GISELIUS. Jetzt is scho das Bescht, frei von der Leber weg.

DR. APPEL. Seit ich Ihr verehrtes Fräulein Tochter gesehen habe, richteten sich meine Gedanken auf ein stilles Familienglück ...

FRAU GISELIUS. Und hawwe Sie das unserm Lottche gesagt?

DR. APPEL. Nein! Das hätte ich mir nun und nimmermehr erlaubt, und ich entschloß mich auch nur schwer zu dem Wagnis, heute meine Glückwünsche darzubringen.

FRAU GISELIUS heiter, mit einem Blick nach ihrem Mann, der links im Hintergrunde steht und nachdenklich zur Decke aufsieht. Und da sin Sie ihm in die Händ gefalle? Resolut. Wisse Sie was, Herr Privatdozent, so in der G'schwindigkeit laßt sich net Ja und Ame sage, aber wann alles in Ordnung is, und unser Lottche will, hernach Ihm die Hand entgegenhaltend. sin mei Geheimrat und ich auch keine Rabeneltern.

DR. APPEL linkisch. Ich darf also meine Hoffnung ...

PROFESSOR GISELIUS ohne seine Stellung zu verändern. Veto.[411]

FRAU GISELIUS. So komm doch her, Giselius!

PROFESSOR GISELIUS. Ich lege mein Veto ein, wenigstens in solange nicht durch eine erschöpfende Aussprache volle Klarheit geschaffen ist ...


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 410-412.
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