Erstes Hauptstück

[9] Es war selm in Nazareth hint

A Mo, der si Joseph hat gnennt;

So brav, wia ma net oft oan findt

Und wia ma's net glei a so kennt.


Er hot als a Zimmamo glebt.

Und koa Geld war freili net do,

Mit da Arwat hot a's dahebt,

Daß a grad a so furt macha ko.


's werd gwen sei, wia's heunt aa no is.

Ma hat oft halt grad a so z' toa.

Bal baut werd, na hot ma sei G'wiß,

Sinscht is da Vodeanst eppa kloa.


A richtiga Mensch richt si's ei'

Und halt seine Kreuza beinand.

No ja, und dös muaß amal sei',

Und dös sagt oan scho da Vastand.


Da Joseph hat's wohl a so gmacht

Und hot nia nix unnütz valor'n,

Denn, bal ma dös richti betracht',

Sinscht waar a koa Heiliga worn.


I woaß, daß ma 'r eppa sagn kunnt:

De Zimmaleut mögn gern a Bier,[9]

Und Brotzeit, de macha s' all Stund,

De meischt'n hamm jetzt de Manier.


Vielleicht aba selbigs Mal net?

Obwohl daß ma's net so gwiß woaß,

Und weil's in die Büacha oft steht,

Z' Palästina waar's a weng hoaß.


Da kunnt oana 's Bier net ganz g'rat'n,

So moant ma. Dös hätt no koa G'fahr,

Denn drei und vier Maß san koa Schad'n,

Weil's selbigs Mal billiga war.


Ko sei und net aa, – is, wia's mog,

Ma hot nia nix Unrechts net ghört,

Und hört ma no heut nia koa Klog,

Und hot sie koa Mensch net beschwert.


Sei Frau, no dös wißts ja allsamm,

Da brauchts ja koa Wort mehra net,

Indem daß mir's alle glernt hamm,

Was im Katekisimus steht.


Ganz Nazareth sagt, wia de leb'n,

So friedli und brav und so staad! –

Dös muaß's wohl net glei wieda gebn!

Waar schö', bal's as öfta gebn tat.


Jetzt, daß i enk weita vazähl:

Es kimmt selm auf oamal a Schreibn,

Es müaßt si, und glei auf da Stell,

A jeda bei'n Rentamt ei'schreib'n.


Da Kaiser Augustus will's hamm.

Er braucht eahm halt wieda a Geld.

Ma treibts vo de kloana Leut z'samm;

Dös is amal so auf da Welt.


Was tean jetzt de Leut z' Nazareth?

Sie wern halt aa schimpfa und zahl'n,

Und wia'r oan de Sach g'ärgert hätt',

Dös siecht ma danach bei de Wahl'n.
[10]

An Joseph hot's aa net schlecht gift'.

Balst moanast, du kamst a weng z' toa,

Na kriagast a sellene Schrift,

Als waar ge de Steuerlast z' kloa!


Ja, kratz di no hinta de Ohrn,

Do ko'st scho nix macha, mei Mo!

Und zahlt is no jedesmal worn,

Mit'n Staat, da fangt koana o.


Da Joseph sagt z'letzt: »In Gotts Nam«,

Na roas' ma auf Bethlehem nei'

As Rentamt und sag'n, was ma hamm,

Es werd scho net gar so vui sei'.«


»Was is na mit dir, bleibst du do,

Maria? Du woaßt scho, warum.«

»I bleibet ja gern, liaba Mo,

Aba 's Rentamt will, daß i kumm.


Da Steuerbot hot's ins ja gsagt,

Denn a jeda, sagt a, muaß her,

Und d' Weiberleut aa, hot a gsagt,

Und koan Ausnahm geits do it mehr.«


Da Joseph sagt: »Jetza is 's recht!

Wia geht ma denn mit de Leut um!

Und bal ma'r aa ghorsam sei' möcht,

Aba dös is dennascht scho z' dumm!«


»O Joseph, es steht in da Schrift:

Ös seids bald in Bethlehem drin,

Und was si alssammet auftrifft,

Dös hot insa Herrgott an Sinn.«


Gesang

Im Wald is so staad,

Alle Weg san vawaht,[11]

Alle Weg san vaschnieb'n,

Is koa Steigl net bliebn.


Hörst d' as z'weitest im Wald,

Wann da Schnee oba fallt,

Wann si 's Astl o'biagt,

Wann a Vogel auffliagt.


Aba heunt kunnts scho sei,

Es waar nomal so fei,

Es waar nomal so staad,

Daß si gar nix rührn tat.


Kimmt die heilige Nacht.

Und da Wald is aufgwacht,

Schaugn de Has'n und Reh,

Schaugn de Hirsch übern Schnee.


Hamm sie neamad net gfragt,

Hot's eahr neamad net gsagt,

Und kennan s' do bald,

D' Muatta Gottes im Wald.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 3, München 1968, S. 9-12.
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