Klage im Walde

[148] Laue Lüfte

Spielen lind,

Blumendüfte

Trägt der Wind,

Röthlich sich die Bäume kräuseln,

Lieblich Wähnen

Zärtlich Sehnen

In den Wipfeln, abwärts durch die Blätter säuseln.


Rufst du mich,

Süßes Klingen?

Ach! geheimnißvolles Singen,[149]

Bist nicht fremd, ich kenne dich!

Wie die Tauben

Zärtlich lachen, girren, kosen,

Also mir im bangen Herzen

Schlagen Fitt'ge Lust und Schmerzen;

Zu den dunkeln Dämmerlauben,

Zu den Blumenbeeten, Rosen

Wandl' ich, ruf' ich, schau' umher –

Und die ganze Welt ist leer.


In die dichte Einsamkeit

Trag' ich meiner Thränen Brand;

Ach! kein Baum thut mir bekannt,

Setz' mich an des Bronnens Rand:

Vogel wild die Töne schreit,

Echo hallt,

Hirschlein springt im dunkeln Wald.
[150]

Und es braußt herauf, herunter,

Waldstrom klingt durch seine Klüfte,

Seine jungen Wellen springen

Auf den Felsenstufen munter,

Adler schwingt sich durch die Lüfte: –

Thränen, Rufen, Klagen, Singen,

Könnt ihn nicht zurück mir zwingen?

Garten, Berge, Wälder weit

Sind mir Grab und Einsamkeit.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 148-151.
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