4. Die Luft

[127] Holde Sehnsucht, steigst du nieder?

Süßer Strom, der mich ertränkt?

Ew'ge Ruhe, kehrst du wieder,

In die sich das volle Herz so still versenkt?


Deine kühlen Fluten dringen

Tief in's Innre der Natur,

Dir entgegen, Holde, bringen,

Alle Welten ihre Kinder deiner süßen Spur.


Ueberall bist du gebettet,

Nährst und säugst die volle Welt,

Auch an dich mein Lebensstrom gekettet,

Dir entgegen ist mein Herz gestellt.


Wogendes, kreisendes Meer,

Sich selbst gebährend,

Alles ernährend,

Du ruhst in dir mit deinem Stürmen schwer.
[128]

Wann die Wetter sich erzeugen,

Wann sich die knarrenden Eichen beugen,

Und die Wolken flatternd jagen,

Nieder der Blitz sich reißt,

Und sein rothes Auge, glühend

Durch die schwarze Wüste ziehend,

Das Innre der flammenden Welt uns weißt:


Dann erzeugt sich in dem Streite

Nur die stille, liebe Ruh,

Die Empörung geht zur Seite,

Und die Sanftheit deckt mit Flügeln

Auf den Wäldern, Bergen, Hügeln,

Alles schweigend mit dem linden blauen Athem zu.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 127-129.
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