Weland

[283] Romanze.


Wir hören große Wunder

Vom klugen Weland sagen,

Sein Vater, Riese Vade

Bracht' ihn in jungen Tagen


Zu Mimer, dem verständgen,

Dem Schmid im dunkeln Than,

Dann kam Weland zu Zwergen,

Wo er mehr Kunst gewann.


Zum König Nidung ging er,

Sein Ruhm war weit bekannt,

Er wirkte schöne Schwerdter,

Und manchen Schildesrand.
[284]

Und Messer, wunderkünstlich,

Auch Becher goldner Pracht,

Er wurde für den klügsten

Und besten Schmid geacht't.


Durch Welands Weisheit siegte

Nidung, vom Feind gequält,

Drum ward des Königs Tochter

Dankbar dem Mann vermählt.


Als nun der Feind geschlagen,

Weland zum König trat,

Doch zürnend hörte dieser

Nicht, was der Schmid ihn bat.


Er stieß ihn hart zurücke,

Du kannst nicht seyn mein Sohn,

Mein Kind find't ander Glücke! –

So gebt in meinen Lohn,
[285]

Laßt mich von dannen ziehen,

Rief Weland, fern von hier;

Du bleibst hier, rief der König,

Das Fortgehn hindr' ich dir.


Am Fuß ließ er die Sehnen

Ihm schneiden; nun geh hin,

Nicht fliehst du, sollt' ich wähnen,

Sprach er mit falschem Sinn.


Hinkend und ungemuthet

Schlich Weland in sein Haus,

Wie schwach er war, doch Rache

Sann seine List ihm aus.


Um schmieden ihn zu sehen

Der Sohn des Königs kam,

Beim Ambos stand der Listge,

Er schnell den Knaben nahm,
[286]

Und tödtete ihn heimlich,

Dann faßt' er sein Gebein,

Und goß von Erz und Silber

Viel Leuchter schön und fein,


Die Knochen in den Säulen,

Den Schädel nahm er dann,

Es machte den zum Becher

Von Gold der kluge Mann.


Man suchte wohl den Knaben,

Sie fragten auch Weland;

Der sprach: ich sah ihn nimmer,

Er ist zum Wald gerannt.


Des Königs schöne Tochter

Ein junges Mägdelein

Trug einen Ring von Golde

Mit manchem Edelstein,
[287]

Den ihr der Vater schenkte

Und gern ihn schimmern sah

An ihren weißen Fingern,

Im Garten es geschah


Als sie dort Blumen suchte,

Daß ihr der Ring zerbrach,

Die Jungfrau rang die Hände,

Und klagte Weh! und Ach!


Sie furchte ihres Vaters

Bestrafung, seinen Zorn,

Sie rief: o wär' ich Arme

Doch nimmermehr gebohrn!


Er wird gewiß mich tödten

Um dieses Ringelein,

Kein Mägdlein könnte ärmer

Auf dieser Welt doch seyn.
[288]

Da riethen die Freundinnen:

Geh heimlich zum Weland,

Von seinen klugen Sinnen

Wird bald dein Leid gewandt.


Sie trat in seine Schmiede,

Und klagte ihre Noth,

Er nahm den Ring und fachte

Schnell an das Feuer roth,


Er fügte ihn zusammen

Und schmolz wohl Gold und Erz,

Sie sah froh in die Flammen,

Vergessen war ihr Schmerz.


Sie lächelte ihm freundlich,

Da schloß der Schmid Weland

Schnell seine feste Thüre

Und nahm sie bei der Hand.
[289]

Er zwang das Mägdlein dorten,

Die Nidung ihm versprach,

Sie weinte in den Nöthen,

Und sah nie schlimmern Tag.


Sie kehrte heim zum Vater,

Sie hat ihm nichts gesagt.

Bald fühlte sie sich schwanger,

Da wurde viel geklagt.


So hatte sich gerächet

Weland, der kluge Mann,

Drauf macht er große Flügel

Und band sich diese an,


So stand er auf der Zinne,

Die Leute riefen: seht!

Weland ist nun ein Vogel,

Er fliegend von uns geht.
[290]

Auch Nidung kam, der König,

Es nahm ihn Wunder groß,

Weland rief: fort ich fliege,

Du bist nun erbelos.


Den Sohn hab' ich getödtet,

In Leuchtern, golden fein,

Die deine Tafel schmücken

Schmolz ich des Sohns Gebein.


Auch hast du einen Becher,

Leuchtend von Golde roth,

Du trinkst aus seinem Schädel,

Und kennst nicht deine Noth.


Und deine schöne Tochter

Geht nicht mehr Jungfrau dir,

Sie zwang ich dir erzürnet,

Sie trägt ein Kind von mir.
[291]

Der König nahm den Bogen,

Legt' auf den scharfen Pfeil,

Alle Ritter im Zorne

Spannten in grimmer Eil.


Da flogen scharfe Stralen

Und schossen durch das Licht,

Doch Weland hob die Schwingen,

Kein Eisen traf ihn nicht.


Er flog mit klugen Sinnen

Auf seines Vaters Schloß,

Und Nidung starb, der König,

Das Herzeleid war groß:


Sein jüngster Sohn ward König,

Die Schwester sein gebar

Wittich, den kühnen Helden

Noch in demselben Jahr.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 283-292.
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