20. Mortimer an Eduard Burton

[507] Roger Place.


Ich habe seit lange, teurer Freund, keine Nachrichten von Ihnen erhalten, und ich gerate fast in die Besorgnis, daß Sie ebenfalls krank sind. Mit Ihrem Vater hat es sich wahrscheinlich nicht gebessert, denn sonst würden Sie mir wohl einige Nachricht davon gegeben haben.

Ich fühle mich in der Einförmigkeit des Landlebens noch immer sehr glücklich; es scheinen mir lauter Mißverständnisse zu sein, wenn die Menschen so emsig nach ihrem Glücke suchen; selten denkt man sich bei dem Worte Glück etwas Deutliches, und die Wandrer gehn nun oft auf wunderbaren Wegen um das Ziel herum. Amalia ist ebenso froh und gesund, als ich bin, und ich möchte sagen, daß sie mit jedem Tage heiterer wird.

Ich habe mich jetzt daran gewöhnt, eine eigene Haushaltung zu führen, und ich und meine Frau haben uns noch nie gestritten, ein paar recht freundschaftliche Zänkereien abgerechnet, die über ein häßliches Weib entstanden, die Amalia aus zu großer Gutherzigkeit in ihre Dienste genommen hat. Dies Wesen hat ganz das Ansehen einer verzauberten Fee, wenigstens habe ich noch in keinem Märchen eine Beschreibung von einer häßlichern gefunden; ihre Physiognomie ist mir im höchsten Grade zuwider, es ist nicht meine Schuld, wenn ich sie zugleich für boshaft halten muß.

Leben Sie recht wohl und antworten Sie mir bald.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden, Band 1, München 1963, S. 507.
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