Vier und zwanzigster Brief.

Ernestinchen an Fiekchen.

[175] Liebstes Fiekchen!


Das Maaß meines Unglückes ist nun leider! ganz voll geworden, und ich bin in den traurigsten Umständen; – nicht mehr die Haushälterinn, die geliebte Ernestine des Herrn Rittmeisters, sondern – das Weib des Vizetrompeters.

Der Herr Rittmeister griff mir vor einiger Zeit an den Bauch. – »Mensch, sagte er: ich glaube gar, du bist trächtig.« – Ich erwiederte, daß ich es nicht wisse, hätte aber schon einige Zeit her ein gewisses Krabbeln im Leibe gefühlet, das mir sehr wunderlich vorgekommen wäre, und Übelkeiten verursachet hätte. »Richtig, fuhr er fort:[176] du wirst bald hecken.« Ich dachte, er würde sich freuen, wenn ich ihm einen Erben schenkte; aber ich irrte mich. Er ließ den Vizetrompeter kommen, und f rüg ihn, ob er Vater zu meinem Kinde sey; und da er es bejahete, wurde der Dorfkaplan gerufen, der sogleich sein Hokus-Pokus machen, und uns zusammenkuppeln mußte. Da kann man wohl mit Recht sagen, daß er die Kuh mit sammt dem Kalbe hat, und ich bin nunmehr die Frau Vizetrompeterinn.

Aber das Übelste steht mir noch bevor. Wir haben schon die zweite Ordre erhalten, in Krieg zu ziehen, und mein Mann will mich nicht zurück lassen. Er hat vorgegeben, daß ich mich nun vorschriftmäßig tragen müsse, und mir alle meine Kleider und Sachen, bis auf zwei Hemden verkauft; weil er sich noch einige Stangen Stiefelwichse machen, auch einen Vorrath von Haarpuder und Pomade, und eine[177] Partyie Speck und geräucherte Würste, nebst etwas Danziger auf den Marsch einkaufen will. Er hat mir dafür ein Ärmelwamms von weißem Frieß machen lassen, das mich schrecklich reibet, und worinnen ich mich ganz entsetzlich schäme. Du lieber Himmel, wie ich nun herunter gekommen bin! – und in fünf Tagen, heißt es, werden wir marschiren, und ich werde müssen zu Fuße gehen, und das Kind wie eine Zigeunerinn auf dem Buckel tragen. – Ich darf nicht vordenken. – –

Du bist itzt in glücklichen Umständen. Da du jederzeit meine Freundinn wärest, so zeige dich mir doch itzt in der Noth, und hilf mir mit etlichen Thalern, welche ich dir, sobald ich eine gute Beute machen werde, wieder ersetzen will, und die du nur an unsern Stöckelknecht, den ich sehr speziell kenne, addressiren darfst.

Ich erwarte von dir noch dies letzte[178] Schreiben, und bin bis an die Gränzen meines Elendes


Deine Ernestine.

Quelle:
Karl Timlich: Priaps Normal-Schule die Folge guter Kinderzucht. [München] [1971], S. 175-179.
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