Kindheit

[47] Voll Früchten der Hollunder; ruhig wohnte die Kindheit

In blauer Höhle. Über vergangenen Pfad,

Wo nun bräunlich das wilde Gras saust,

Sinnt das stille Geäst; das Rauschen des Laubs


Ein gleiches, wenn das blaue Wasser im Felsen tönt.

Sanft ist der Amsel Klage. Ein Hirt

Folgt sprachlos der Sonne, die vom herbstlichen Hügel rollt.


Ein blauer Augenblick ist nur mehr Seele.

Am Waldsaum zeigt sich ein scheues Wild und friedlich

Ruhn im Grund die alten Glocken und finsteren Weiler.


Frömmer kennst du den Sinn der dunklen Jahre,

Kühle und Herbst in einsamen Zimmern;

Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort.


Leise klirrt ein offenes Fenster; zu Tränen

Rührt der Anblick des verfallenen Friedhofs am Hügel,

Erinnerung an erzählte Legenden; doch manchmal erhellt sich die Seele,

Wenn sie frohe Menschen denkt, dunkelgoldene Frühlingstage.


Quelle:
Georg Trakl: Das dichterische Werk. München 1972, S. 47.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sebastian im Traum
Sebastian im Traum.