Nachtseele

[108] Schweigsam stieg vom schwarzen Wald ein blaues Wild

Die Seele nieder,

Da es Nacht war, über moosige Stufen ein schneeiger Quell.


Blut und Waffengetümmel vergangner Zeiten

Rauscht im Föhrengrund.

Der Mond scheint leise in verfallene Zimmer,


Trunken von dunklen Giften, silberne Larve

Über den Schlummer der Hirten geneigt;

Haupt, das schweigend seine Sagen verlassen.


O, dann öffnet jener die langsamen Hände

Verwesend in purpurnem Schlaf

Und silbern erblühen die Blumen des Winters


Am Waldsaum, erstrahlen die finstern Wege

In die steinerne Stadt;

Öfter ruft aus schwarzer Schwermut das Käuzchen den Trunknen.


Quelle:
Georg Trakl: Das dichterische Werk. München 1972.
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