Erzberger

[121] Du guter Mond aus Buttenhausen!

Du leuchtest durch den Wolkenflor.

Wenn auch die bösen Stürme brausen –

sanft strahlt dein mildes Rund empor.

Und ob der ganze Schnee verbrennt,

ob uns ein leiser Zephir fächelt –

wie immer auch das Firmament:

Matthias lächelt.


Was hattest du im Krieg zu schuften!

Du reistest in und aus der Schweiz.

Tät wo ein kleines Stänklein duften,

du, Lieber, wußtest es bereits.

Gewiß, du hast den Zimt erkannt,

hast Tirpitz wacker durchgehechelt . . .

Ein Trost blieb uns im Weltenbrand:

Matthias lächelt.


Was bist du alles schon gewesen!

Ein wilder Weltannexionist

(man kann es leider heut noch lesen),

dann, als es schief ging, Pazifist . . .

Man sah dich stets mit wem paktieren,

du machtest dich dem Reich bezahlt . . .

Wir wußten: Uns kann nichts passieren –

Matthias strahlt.


Du sanft Gestirn stehst nun am Himmel

und – leider Gottes! – im Zenit.

Gewiß, du bist in dem Gewimmel

der schlimmste nicht, den man da sieht.

Die Sterne in der hohen Halle,

die übler Kriegsgewinst geeint,

du überstrahlst sie alle, alle – –

Matthias grinst.

Und Deutschland weint.


  • [121] · Theobald Tiger
    Ulk, 04.07.1919, Nr. 27.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 121-122.
Lizenz:
Kategorien: