Steuerabzug

[381] Die Dame, die im kleinen Häuschen

dort residiert am Lützowplatz,

den Männern dient, den kleinen Mäuschen

(in Klasse I und II), die hats

von nun an schwer in ihrem Leben:

Sie muß dem Staat an Steuern geben

von ihrem Geld am Monatsend

10% –! 10% –!


Die Jungfrau liegt in ihrem Bettchen.

Nicht weit davon der Kavalier.

Sie ist ein emsig-braves Mättchen

(sie denkt: Wie du mir, so ich dir . . . )

Er blecht. Sie seufzt. Sie muß es lassen.

Auch sie zahlt in die Steuerkassen

von dem, was man das Strumpfgeld nennt,

10% –! 10% –![381]


Herr Weismann setzt in seine Presse

den bösen Bolschewistenspuk.

Aufreißt der Redakteur die Fresse.

Herrn Weismann ists noch nicht genug.

Laßt euch nur nicht die Ruhe rauben!

Ist das auch wahr? Muß man das glauben,

was uns erzählt ein Spitzelgent?

10% –! 10% –!


Der Fiskus lüpft die Steuerlarve.

Dem Dichter zieht man auch was ab?

Ich fall vor Schreck in meine Harfe.

Das ist der Stein zu meinem Grab!

Die Sorgen nagen täglich schlimmer.

Verdient denn unsereiner immer

als Obermusenpräsident

10% –? 10%?


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 15.07.1920, Nr. 29, S. 86.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 381-382.
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