Wahre Liebe

[219] Wenn ich so müd nach Hause komm,

zerredet und zerschrieben:

dann sitzt du da, so lieb und fromm.

Man muß, man muß dich lieben!

Die Nacht gleich einem Feste ist.

Ich weiß, daß du die Beste bist.

Und warum ist das? Nämlich:

Du bist so himmlisch dämlich.


Du hast es gut.

Du ahnst es nicht,

was Stalin jüngst gesprochen;

weißt nichts vom leipziger Reichsgericht

und nichts von Kunstepochen.

Du hältst einen Puff für ein Hotel

und Bronnen für einen lauteren Quell . . .

Ich liebe dich. Weil . . . nämlich . . .

Du bist so himmlisch dämlich!


Mein blondes Glück! Von Zeit zu Zeit

tu ich ein bißchen fremd gehn.

Die andern Frauen sind so gescheit

und lassen das noch im Hemd sehn.

Dann kehr ich reuig zu dir zurück

und genieße tief atmend das reine Glück . . .

Dumm liebt zweimal.

Nämlich:

Du bist so himmlisch dämlich –!


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 16.09.1930, Nr. 38, S. 438.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 8, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 219.
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