Zweite Szene

[142] Friedrichs Lager.

Friedrich und der Marschalk Dietrich von Plichendorf treten auf.


FRIEDRICH.

Was habt Ihr einzuwenden, Marschalk?

DIETRICH.

Vieles!

Mir scheint die Zeit nicht günstig noch der Ort

FRIEDRICH.

Nicht länger wollen meine Ritter harren,

Sie brennen nach der Schlacht.

DIETRICH.

Ich kenne das.

Auch ich bin jung gewesen.

FRIEDRICH.

Und die Völker,

Die mir mein Oheim, König Karl, gesandt,

Die Ungarn, Raizen, Serben und Bulgaren,

Sie lieben nicht die Rast, und säum ich noch,

Sind sie entflogen auf den flücht'gen Rossen.

DIETRICH.

Solch Heidenvolk, es bringt uns wenig Segen.

Sie plündern Klöster, rauben Kirchen aus.

Laßt diese hin, erharrt die beßre Hülfe,

Die Herzog Leopold uns bringt!

FRIEDRICH.

Zu lang

Verweilet er. Kein Bote kommt von ihm,

Und keiner kehrt zurück, den ich gesandt.

DIETRICH.

Er bleibt nicht aus; er hat Euch nie gefehlt.

Und ziehn wir übern Innstrom uns zurück,

So stehn wir ungefährdet, bis er kommt.

FRIEDRICH.

Zurück? Nein, wahrlich nicht!

DIETRICH.

Bedenklich ist[142]

Die Stellung hier, von Strömen eingeklemmt,

Von Inn und Isar. Wenn die Schlacht mißlingt,

Sind wir verloren: eine Brücke nur

Zum Rückzug, die vom Drang zusammenbricht.

FRIEDRICH.

Dem Feinde soll man Brücken, goldne, baun;

Wir brauchen keine. Vorwärts blickt der Held!

Das Rettungsschiff, das nur dem Flüchtling frommt,

Zertrümmert er.

DIETRICH.

Das Glück ist keinem pflichtig.

Drum ist die Vorsicht für das Unglück gut.

FRIEDRICH.

Kann ich es länger dulden, weiser Freund,

Daß ich ein König und auch keiner bin?

Soll ich den Gegner suchen stets und meiden?

Nein, die Entscheidung ist uns beiden not,

Die Völker fordern sie, und wie wir heut

Uns gegenüberstehen, Macht an Macht,

Ist es ein gleicher, heldenwürd'ger Kampf.

DIETRICH.

Der Landmann hat fürs Wetter seine Zeichen,

Der Schiffer seine Boten für den Sturm:

Ein alter Kriegsmann hat die seinen auch.

Nicht ich allein hab Euch gewarnt, als Ihr

Im Kloster Admont übernachtetet,

Da sah der Abt zu den Gestirnen auf,

Und fröhlich blickt' er nicht zurück.

FRIEDRICH.

Ich glaube

Den Zeichen gern, wenn sie mir günstig sind.

Heut sind es fünfzig Jahre, daß der Erste

Von Habsburgs Stamm zum König ward gewählt,

Heut schwebt die Krone über Östreichs Haupt.

DIETRICH.

Wenn sonst den Fürsten Eures Stamms ein Kampf

Bevorstand, fragten sie den goldnen Ring,

Das Kleinod Eures Hauses: glänzt' er hell,

So galt's für gutes Zeichen, war er trüb,

Für schlimmes. Ja, vor jener Marchfeldschlacht,

Drin Ottokar erlegen ist (es war

Mein erster Strauß in König Rudolfs Dienst),

Da leuchtete das Gold wie Sonnenschein

Und so bei Gellheim auch, wo Euer Vater

Den Adolf schlug und sich die Kron errang.

FRIEDRICH.

Seht hier! am Daumen trag ich diesen Ring.

DIETRICH.

Der ist ja bleich wie Erde.[143]

FRIEDRICH.

Muß er nicht?

Ihn trugen Helden, Sieger, Könige:

Wie könnt er glänzen an des Enkels Hand,

Der zaudernd vor dem Gegenkönig steht?


Man hört hinter der Bühne einen Marsch, von Blasinstrumenten gespielt.


Doch hört! es nahet schon der Krieger Schar,

Die ich nach alter Sitte vor dem Treffen

Zu Rittern schlagen will. Geht Ihr hinüber

Zu meinem Bruder Heinrich, nehmt die Fahne

Von Österreich und steht dem Jüngling bei!

Er soll des rechten Flügels Führer sein,

Den linken Flügel führet Salzburg an,

Das Reichspanier wird in der Mitte wallen.

Sowie der Ritterschlag vollzogen ist,

Ertönt zum Aufbruch der Trommetenstoß.

Ja, tapfrer Plichendorf, erfahrner Held,

Ein Kleinod meines Hauses seid auch Ihr:

Laßt Euer Heldenauge hell mir glänzen!

Das soll mir gute Vorbedeutung sein.


In das Hauptzelt abgehend.


Man wappne mich!


Aus dem Hintergrunde kommt der Zug der zum Ritterschlag bestimmten Knappen. Sie sind sämtlich mit weißen Waffenröcken bekleidet, weiße Federn auf der Sturmhaube, das Schwert am Halse hängend, in der rechten Hand goldne Sporen, in der linken einen silbernen Gürtel. Musik.


DIETRICH seitwärts stehend.

Da ziehen sie heran,

Die Jünglinge, wie Opfer aufgeschmückt,

In weißen Waffenröcken, bald vielleicht

Gerötet von dem frischen Herzensblut.

Das ist ein Neideck, dies ein Strahlenfels,

Die sind von Achdorf, der von Hohenstein,

Der edelsten Geschlechter Sprößlinge.

O Mütter, Bräute, weinen werdet ihr!


Nachdem sich die Knappen im Vorgrund in einem Halbkreis aufgestellt haben, tritt Friedrich in prächtiger Rüstung, mit gezogenem Schwert aus dem Zelte. Die Knappen werfen sich aufs Knie.

Friedrich tritt in ihre Mitte.
[144]

Und dort aus dem Gezelte tritt der König.

Ha, wie er glänzt in Schönheit und in Pracht!

Von Golde schimmert Rüstung und Gewand,

Der Helmbusch wallt, das Schlachtschwert leuchtet hell:

Seit ich ihn kenne, so erschien er nie.

Sucht er auf sich zu locken die Gefahr?

Meint er, zu siegen durch die bloße Macht

Der herrlichen Erscheinung? Hut ihn Gott!


Ab.


FRIEDRICH.

Die ihr mich grüßet mit gebognem Knie

In Kleidern weiß und rein wie frischer Schnee,

Als ob ihr, allen Makels abgetan,

Eintreten wolltet in ein neues Leben,

Sagt, was begehrt ihr?

DIE KNAPPEN.

Herr, den Ritterschlag.

FRIEDRICH.

Was ihr begehrt, ist eine hohe Sache,

Die nur ein Tadelloser bitten soll.

Doch weil mir euer adeliger Stamm

Bekannt und eure Tugend ist bewährt,

So soll euch des Begehrs willfahret sein,

Wofern ihr das zu halten mir gelobt,

Was ich euch heiße.

DIE KNAPPEN.

Herr, wir sagen's zu.

FRIEDRICH.

So schnallt euch denn die goldnen Sporen fest!

Und soll es sein, als hätt ich's selbst getan.

Der Sporn der Ehre weck euch das Gemüt

Zu löblichem und tugendsamem Werk!


Sie schnallen sich die Sporen an.


Habt ihr's vollzogen?

DIE KNAPPEN.

Herr, es ist geschehn.

FRIEDRICH.

Jetzt gürtet euch den Silbergürtel um!

Und soll es gelten, als hätt ich's getan.

Der Gürtel deutet euch die fromme Zucht,

Die euch vor Übeltat bewahren soll.


Sie gürten sich.


Seid ihr gegürtet?

DIE KNAPPEN.

Herr, es ist geschehn.

FRIEDRICH.

An euern Gürtel hänget nun die Wehr!

Und sei's, als hätt ich selbst sie drangehängt.[145]

Gespornt von Ehre und mit Zucht gegürtet,

Ist euch das Schwert ein Rüstzeug rechter Tat.


Sie stecken die Schwerter an.


Seid ihr bewehret?

DIE KNAPPEN.

Herr, es ist geschehn.

FRIEDRICH mit hochgehaltenem Schwert.

Im Namen Gottes und Sankt Michaels

Und Sankt Georgs, des Ritters, schaff ich euch

Zu Rittern mit dem Schlage meines Schwerts.


Er schlägt einen der Knappen über die Schulter.


Und wie ich dieses Jünglings Schulter traf,

So traf ich alle mit dem einen Schlag.

Seid echte Ritter, tapfer, fromm und treu!

Seid Gottes Diener, ehret reine Fraun,

Die Witwen schützet und die Waisen schirmt,

Der Unschuld helfet und das Unrecht straft!

Wenn euch der König ruft zu Schlacht und Streit,

Zieht aus die ersten, kehrt die letzten heim!

Vor allem heute, wo der höchste Kampf

Gestritten wird, der Kampf um Kron und Reich,

Seid unverdrossen, seid wie Löwen kühn!

Denn darum schuf ich jetzt zu Rittern euch,

Daß euer neues, frisches Rittertum

Belebend ströme durch mein ganzes Heer.

Das Schwert laßt blitzen! Braust dahin gleich Wettern!

Die Fahnen flattern, die Trommeten schmettern.


Trommetenschall. Die Knappen springen und stürmen mit geschwungenen Schwertern nach allen Seiten ab. Friedrich in das Zelt.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 2, München 1980, S. 142-146.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Knigge, Adolph Freiherr von

Die Reise nach Braunschweig

Die Reise nach Braunschweig

Eine Reisegruppe von vier sehr unterschiedlichen Charakteren auf dem Wege nach Braunschweig, wo der Luftschiffer Blanchard einen spektakulären Ballonflug vorführen wird. Dem schwatzhaften Pfarrer, dem trotteligen Förster, dem zahlenverliebten Amtmann und dessen langsamen Sohn widerfahren allerlei Missgeschicke, die dieser »comische Roman« facettenreich nachzeichnet.

94 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon