Graf Eberhards Weißdorn

[185] Graf Eberhard im Bart

Vom Württemberger Land,

Er kam auf frommer Fahrt

Zu Palästinas Strand.


Daselbst er einsmals ritt

Durch einen frischen Wald;

Ein grünes Reis er schnitt

Von einem Weißdorn bald.


Er steckt' es mit Bedacht

Auf seinen Eisenhut;

Er trug es in der Schlacht

Und über Meeres Flut.
[185]

Und als er war daheim,

Er's in die Erde steckt,

Wo bald manch neuen Keim

Der milde Frühling weckt.


Der Graf, getreu und gut,

Besucht' es jedes Jahr,

Erfreute dran den Mut,

Wie es gewachsen war.


Der Herr war alt und laß,

Das Reislein war ein Baum,

Darunter oftmals saß

Der Greis in tiefem Traum.


Die Wölbung, hoch und breit,

Mit sanftem Rauschen mahnt

Ihn an die alte Zeit

Und an das ferne Land.


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 185-186.
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