Des Knaben Berglied

[21] Ich bin vom Berg der Hirtenknab,

Seh auf die Schlösser all herab;

Die Sonne strahlt am ersten hier,

Am längsten weilet sie bei mir;

Ich bin der Knab vom Berge!


Hier ist des Stromes Mutterhaus;

Ich trink ihn frisch vom Stein heraus;

Er braust vom Fels in wildem Lauf,

Ich fang ihn mit den Armen auf;

Ich bin der Knab vom Berge!


Der Berg, der ist mein Eigentum,

Da ziehn die Stürme rings herum;

Und heulen sie von Nord und Süd,

So überschallt sie doch mein Lied:

Ich bin der Knab vom Berge!


Sind Blitz und Donner unter mir,

So steh ich hoch im Blauen hier;

Ich kenne sie und rufe zu:

Laßt meines Vaters Haus in Ruh!

Ich bin der Knab vom Berge!
[21]

Und wann die Sturmglock einst erschallt,

Manch Feuer auf den Bergen wallt,

Dann steig ich nieder, tret ins Glied

Und schwing mein Schwert und sing mein Lied:

Ich bin der Knab vom Berge!


Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 21-22.
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