Harfnerlied am Hochzeitmahle

[10] Festlich ist der Freude Schall

Durch dies hohe Haus geschwebet

Und ein dumpfer Widerhall

Aus der Gruft emporgebebet.

In der schönen Jubelnacht[10]

Habt der Väter ihr gedacht,

Manche hohe Tat besungen

Aus der Vorzeit Dämmerungen.


Oft war dieses Saales Raum

Schimmervoll bei frohen Festen,

Wie mit jedem Lenz der Baum

Prangt in frischen Blütenästen.

Ach! die hier in Fröhlichkeit

Treuer Liebe Bund geweiht,

Drunten in der Schlummerhalle

Ruhen sie beisammen alle.


Auf des Lebens Bahn dahin

Fleugt der Mensch mit Sturmeseile,

Dann in treuer Freunde Sinn

Dauert er noch kurze Weile.

Durch den Saal, in Erz und Stein,

Stehn der Vorwelt lange Reihn,

Können nicht das Auge heben,

Nicht das Wort der Liebe geben.


Keine ewig helle Tat

Hebt dich aus der Nacht der Grüfte;

Niemand sah des Donners Pfad,

Noch den Fittig sanfter Lüfte.

Wie du auf zu Gott geblickt,

Wie des Freundes Hand gedrückt,

Wie der Liebe Kuß gegeben,

Das entschwindet mit dem Leben.


Auch das Kind, das lächelnd sich

In der Mutter Arm geschmieget,

Und der Greis, der wonniglich

Enkel auf dem Schoß gewieget,

Und die Braut, mit Jugendlust

Hängend an des Treuen Brust:

Alle lebten schönes Leben,

Alle soll das Lied erheben!
[11]

Quelle:
Ludwig Uhland: Werke. Band 1, München 1980, S. 10-12.
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