[Nicht wahr? Vom Zwang boshafter Toren frei]

[48] Nicht wahr? Vom Zwang boshafter Toren frei,

Die uns gewiss um unser Glück beneiden,

Lass oft uns stolz sein, doch stets mild dabei.


Nicht wahr? Wir wandeln heiter und bescheiden

Den Pfad, den uns die Hoffnung lächelnd zeigt,

Gleichviel, ob man uns sehn mag oder meiden.


Einsam im Lieben, wie im Wald, der schweigt,

Sei'n unsre Herzen wie zwei Nachtigallen,

Die zärtlich singen, wann der Tag sich neigt.


Und was die Welt sagt, ob wir ihr gefallen,

Ob sie uns zürnt, gleichviel! Da ihre Hand

Ja schmeichelt oder Wunden schlägt uns allen.


Uns eint das teuerste und stärkste Band,

Froh lächelnd, dass zu nichts der Mut uns fehle.

Denn uns bewehrt ein Schwert aus Diamant.


Und unbekümmert, welchen Weg uns wähle

Das Los, lass gleichen Schrittes immerdar

Uns Hand in Hand gehn, mit der Kinderseele


Der Brust, die nichts als Liebe fühlt, nicht wahr?

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 48-49.
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