Juni

[141] Monat der Liebe, Monat Jesu, gold und rot,

O Juni, dir entfaltet sich in lichtem Scheine

Der Seele Blume und das Herz, das flammend loht

Wie bräutlicher Gesang und Düfte süsser Reine.


Du Fest des heil'gen Herzens, o Fronleichnamstag,

Durch göttlich echtes Blut und Fleisch geweihte Zeiten!

Im Sieg des Sommers lacht der üpp'ge grüne Hag,

Und es erstickt der Lolch in korndurchwogten Weiten.


Und uns die Sünder, uns die ganz Verlornen weiht

Von neuem die Allgegenwart, die göttlich hehre.

Wir fühlen uns gestärkt zu neuem, hartem Streit

Mit Satan und zu neuer, sieggekrönter Ehre.


Und uns bewacht vom Himmel her und vom Altar

Die angebetete, die reine, blut'ge Liebe.

In schmerzensvoller Brust fühlt Hoffnung zart und klar

Das Herz, das glüh'nde Herz, durchbebt vom heil'gen Triebe,


Die Unseren zu retten, gnadenreiche Macht

Der Güte, die für uns den Sieg errang im Kampfe.

Und mystisch steigt der Weihrauch tiefer Sommerpracht

Glorreich zum Himmel auf in stillem Opferdampfe.

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 141.
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