Sommer

[116] Und mit Wangen, die sich entfärben,

Sprach das Kind von den Liebkosungen

Der trunkenen Freundin bezwungen:

Ach, Liebste, ich fühle mich sterben!


Ich sterbe. O sel'ges Verderben,

Du hältst mich glühend umschlungen,

Dein blühendes Fleisch ist durchdrungen

Von Düften, die süss mich umwerben.


Dein Fleisch birgt die dunklen Gefahren

Der sommergereiften Schöne,

Wo Düfte und Schatten sich paaren.


Sturm sind deiner Stimme Töne,

Und der Locken blutig Gefunkel

Fliesst jäh in das bleierne Dunkel.

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 116-117.
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