Letzte Hoffnung

[155] Am Kirchhof steht ein Baum alleine

In einer jungen Herrlichkeit.

Ihn pflanzt kein hergebrachtes Leid, –

Sanft neigt er sich dem schlichten Steine.


Im Sommer wie im Winter singt

Ein Vöglein auf dem Baum, wie klingt

So zart der Schmerz der treuen Töne.


Der Vogel und der Baum sind wir,

Du das Gedenken, ich die Ferne.

Der einst'gen Tage, mild wie Sterne –

Ach lebt ich noch zu Füssen dir!


Ach leben, leben! Meine Schöne,

Das kalte Nichts besiegte mich,

Doch leb ich dir im Herzen? Sprich![156]

Quelle:
Verlaine, Paul: Ausgewählte Gedichte. Leipzig 1983, S. 155-157.
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