I.

[277] Hojeda. – Amerigo Vespucci. – Die Neue Welt erhält seinen Namen. – Juan de la Cosa. – v. Yanez. Pinzon. – Bastidas. – Diego de Lepe. – Diaz de Solis. – Ponce de Leon und Florida. – Balboa entdeckt den Pacifischen Ocean. – Grijalva an den Küsten von Mexico.


Die Briefe und Berichte Columbus' und seiner Gefährten, die sich wiederholt und mit offenbarer Vorliebe über den Gold- und Perlenreichthum der jüngst entdeckten Länder verbreiteten, hatten eine gewisse Anzahl begieriger Kaufleute und eine große Menge abenteuerlustiger Edelleute nicht wenig in Aufregung versetzt.

Am 10. April 1495 hatte die spanische Regierung eine allgemeine Erlaubniß zur Entdeckung neuer Gebiete ertheilt; der unglaubliche Mißbrauch derselben aber und die Beschwerden von Columbus' Seite, dessen Privilegien hierdurch empfindlich geschädigt wurden, führten am 2. Juni 1497 die ausdrückliche Zurücknahme jenes Zugeständnisses herbei, ein Verbot, das man sich später noch durch Androhung schwerer Strafen zu verschärfen gezwungen sah.

Damals herrschte in der That ein wirkliches Entdeckungsfieber, das Fonseca, der Bischof von Bajadoz, über den Columbus wiederholt Klage zu führen hatte und in dessen Hand alle Angelegenheiten Indiens ruhten, noch außerdem begünstigte.[277]

Kaum war der Admiral zur dritten Reise von San-Lucar ausgelaufen, als schon vier Entdeckungs-Expeditionen fast gleichzeitig von reichen Rhedern, darunter in erster Linie Pinzon und Amerigo Vespucci, ausgerüstet wurden.

Von diesen Expeditionen verließ die aus vier Schiffen bestehende erste derselben den Hafen von Santa-Maria am 20. Mai 1499 unter dem Commando Alfonso's de Hojeda; als Lootse fungirte dabei Juan de la Cosa, während Amerigo Vespucci wahrscheinlich das Amt des Astronomen der Flotte vertrat.

Vor der auszugsweisen Erzählung der Geschichte dieser Reise geben wir einige Details über jene drei Männer, deren Letzterer in der Geschichte der Entdeckung der Neuen Welt eine um so hervorragendere Rolle spielt, als diese selbst später seinen Namen erhalten hat.

Hojeda, geboren in Cuenca gegen 1465, und erzogen in dem Hause der Herzöge von Medina-Celi, hatte sich die Sporen in den Kriegen gegen die Mauren verdient. Als einer der Abenteurer, welche Columbus für seine zweite Reise angeworben hatte, fand er Gelegenheit, sich wiederholt durch sein kaltes Blut und die Gewandtheit in der Auffindung aller möglichen Hilfsmittel auszuzeichnen. Welche Ursachen führten nun zwischen Columbus und Hojeda zu einem so vollständigen Bruche, trotz der hochwichtigen Dienste, welche der Letztere, vorzüglich im Jahre 1495, geleistet hatte, wo er die Schlacht von La Vega entschied, in der die ganzen verbündeten Karaïben vernichtet wurden? Man weiß das nicht. Jedenfalls aber fand Hojeda bei seiner Rückkehr nach Spanien in Fonseca eine Stütze und einen mächtigen Beschützer. Der Minister für Indien soll ihm sogar, wie man behauptet, das Journal der letzten Reise des Admirals und dessen Karte der neuentdeckten Gebiete ausgeantwortet haben.

Der erste Steuermann Hojeda's war Juan de la Cosa, wahrscheinlich aus Santona in Biscayen gebürtig. Er war oft längs der Küste Afrikas gesegelt, bevor er Columbus auf der ersten und zweite Reise begleitete, wobei ihm die Functionen des Kartographen (maestro de hacer cartas) oblagen.

Als Zeugnisse der kartographischen Geschicklichkeit La Cosa's besitzen wir zwei sehr merkwürdige Karten: die eine enthält alle Angaben über Landungen in Afrika bis zum Jahre 1500; die auf Pergament gezeichnete und sorgfältig colorirte andere aber die Entdeckungen Columbus' und seiner Nachfolger.[278]

Der zweite Steuermann war Barthelemy Roldan, gleichfalls ein Theilnehmer an Columbus' Reise von Paria aus.

Amerigo Vespucci's Obliegenheiten schienen etwas unbestimmt gelassen zu sein; er sollte ganz im Allgemeinen »entdecken helfen« (ajutore a discoprire lautet der italienische Text seines Briefes an Soderini).

Geboren zu Florenz am 9. März 1451, gehörte Amerigo Vespucci einer vornehmen und sehr wohlhabenden Familie an. Er hatte Mathematik, Physik und Astrologie, wie man sich damals ausdrückte, mit gutem Erfolge studirt, wogegen seine Kenntnisse in der Geschichte und Literatur nur oberflächlicher und untergeordneter Art gewesen zu sein scheinen. Gegen 1492 verließ er Florenz ohne bestimmten Zweck und begab sich nach Spanien, wo er zuerst Handelsgeschäfte betrieb. So findet man ihn in Sevilla als Geschäftsführer in dem bedeutenden Hause seines Landsmannes Juanoto Berardi. Da Columbus von eben diesem Hause die Mittel zu seiner zweiten Reise erhielt, darf man wohl annehmen, das Vespucci den Admiral zu jener Zeit gekannt habe. Mit dem 1495 erfolgten Tode Juanoto's trat Vespucci auf Wunsch der Erben überhaupt an die Spitze des Hauses.

Entweder müde einer Stellung, die in keinem rechten Verhältnisse zu seinen Fähigkeiten stand, ergriffen von dem herrschenden Reisefieber, oder in dem Glauben, sich in den neuen, als so reich geschilderten Ländern schnell ein Vermögen erwerben zu können, schloß sich Vespucci 1499 der Expedition Hojeda's an, wie die gerichtliche Aussage des Letzteren in dem von dem Fiscus gegen Columbus' Erben angestrengten Processe bestätigt.

Die aus vier Fahrzeugen bestehende Flottille ging am 20. Mai von Santa-Maria aus unter Segel, steuerte nach Südwesten und gebrauchte nur siebenundzwanzig Tage, um den amerikanischen Continent, und zwar an einem Punkt zu erreichen, der den Namen Venezuela erhielt, weil die auf Pfählen erbauten Wohnhäuser am Strande unwillkürlich an Venedig erinnerten. Nach wiederholten vergeblichen Versuchen einer mündlichen (Verständigung mit den Wilden, deren er sich vielmehr einige Male mit Waffengewalt erwehren mußte, fand Hojeda die Insel Margarita und kam nach einer Fahrt von achtzig Meilen östlich des Orinoco im Golfe von Paria in einer Bai an, welche den Namen las Perlas erhielt, weil deren Uferbewohner lebhafte Fischerei auf Perlenmuscheln betrieben.

Gestützt auf Columbus' Karten, segelte Hojeda dann durch den Drachenmund, der Trinidad vom Continent trennt, und gelangte im Westen bis zum Cap la Bela.


Amerigo Vespucci. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 278.)
Amerigo Vespucci. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 278.)

Endlich ging er, nach einem Besuche der Karaïbeninseln, wo viele Gefangene gemacht wurden, die in Spanien verkauft werden sollten, am 5. September 1499 in Yaquimo auf der Insel Espagnola vor Anker.

Der Admiral, der die Kühnheit und den unruhigen[279] Geist Hojeda's sehr wohl kannte und davon nur neue Störungen der Ordnung in der Kolonie befürchtete, sandte Francisco Roldan mit zwei Caravellen ab, um die Ursachen[280] seiner Hierherkunft zu erfahren und sich im Nothfalle einer Landung zu widersetzen. Des Admirals Muthmaßungen erwiesen sich nur zu richtig. Kaum am Lande, verständigte sich Hojeda mit einer Anzahl Unzufriedener, zettelte in Navagua einen Aufstand an und beschloß, Columbus einfach zu vertreiben. Nach einigen zu seinem Nachtheile ausgefallenen Scharmützeln mußten sich Roldan, Diego de Escobar und Juan de la Cosa in's Mittel schlagen, um Hojeda zum Verlassen der Insel Espagnola zu bewegen. Er führte, sagt Las Casas, eine werthvolle Ladung Sklaven mit sich, die er auf dem Markte von Cadix für eine ganz enorme Summe verkaufte. Im Februar 1500 kehrte er nach Spanien zurück, wohin ihm die schon am 18. October 1499 angelangten A. Vespucci und F. Roldan zuvorgekommen waren.

Der von Hojeda bei dieser Reise erreichte südlichste Punkt ist der vierte Grad nördlicher Breite und es dauerte seine eigentliche Entdeckungsfahrt nicht länger als drei und einen halben Monat.

Wenn wir uns trotzdem über obige Expedition etwas ausführlicher verbreitet haben, so geschah es, weil jene die erste Reise Vespucci's war. Verschiedene Autoren, vorzüglich Varnhagen, und in der letzten Zeit noch H. Major in seiner Geschichte Prinz Heinrichs des Seefahrers, behaupteten, Vespucci's erste Reise falle in das Jahr 1497, er habe folglich das Festland Amerikas eher gesehen als Columbus. Uns kam es darauf an, das Datum des Jahres 1499 festzustellen, wobei wir uns sowohl auf die Autorität Humboldt's stützen, der seiner Untersuchung der Geschichte der Entdeckung Amerikas so viele Jahre widmete, als auf Ed. Charton und Jules Codine, der diese Frage bei Gelegenheit des Major'schen Werkes im Bulletin der Pariser geographischen Gesellschaft vom Jahre 1873 eingehend behandelt.

»Doch wenn es auch wahr wäre, sagt Voltaire, daß Vespucci das eigentliche Festland zuerst entdeckt hätte, so gebührt der Ruhm ihm immer noch nicht: er kommt nur Dem zu, der das Einsehen und den Muth hatte, die erste Reise zu unternehmen, also Columbus. Der Ruhm ziert, wie Newton in seinem Streite mit Leibnitz sagt, nur den Erfinder, den Urheber einer Idee Wie vermag man aber, sagen wir mit Codine, an eine Expedition im Jahre 1497 zu glauben, bei welcher achthundertfünfzig Meilen der Festlandküsten entdeckt worden wären, ohne daß von derselben der mindeste Beweis auf uns gekommen wäre, weder in den Aufzeichnungen der zeitgenössischen Geschichtsschreiber, noch in den gerichtlichen Aussagen, in welchen,[281] bei Gelegenheit des Processes der Erben Columbus' gegen die spanische Regierung, im Gegentheil die Prioritätsansprüche jedes Expeditions-Führers auf jeden Theil der befahrenen Küste festgestellt wurden?«

Endlich beweisen authentische Documente aus den Archiven der Casa de Contratacion, daß Vespucci von Mitte August 1497 bis zur Abreise Columbus' am 30. Mai 1498, in Sevilla und San-Lucar mit Ausrüstung der zu dessen dritter Expedition bestimmten Schiffe betraut gewesen ist.

Die vorhandenen Berichte über Vespucci's Reisen sind alle sehr unklar, sowohl bezüglich der Darstellung der Thatsachen, als auch der Zeitfolge derselben; sie bezeichnen die Punkte, welche jener besuchte, so oberflächlich und unbestimmt, daß ihre Beschreibung fast auf jeden beliebigen Küstenpunkt paßt, und lassen auch über die Begleiter Vespucci's so viele Zweifel übrig, daß sic dem Geschichtsschreiber keinerlei verläßlichen Anhaltspunkt bieten. Man findet keinen bekannten Namen und nichts als einander widersprechende Daten in jenen Schriftstücken, welche nur durch die große Menge Commentare, zu denen sie Veranlassung gaben, merkwürdig sind. »Es ist, sagt A. von Humboldt, als ob ein besonderes Verhängniß gewaltet habe, daß alle auf den florentinischen Seefahrer bezüglichen Documente sich nur durch eine seltene Unklarheit und Verwirrung auszeichnen.«

Wir erzählen die erste Fahrt Hojeda's, mit der ja Vespucci's erste Reise zusammenfällt, nach Humboldt, der die wichtigsten Ereignisse der beiden Berichte verglichen und klargelegt hat. Varnhagen nämlich behauptet, daß der am 10. Mai 1497 abgereiste Vespucci am darauf folgenden 10. Juni in den Golf von Honduras eingedrungen, dann dem Gestade von Yucatan und Mexico gefolgt und den Mississippi hinaufgesegelt sei, und später, gegen Ende Februar 1498, die Spitze von Florida umschifft habe. Nach siebenunddreißigtägigem Aufenthalt an der Mündung des St. Lorenzo soll er dann im October 1498 nach Cadix zurückgekehrt sein.

Hätte Vespucci wirklich diese außerordentliche Fahrt ausgeführt, so ließe er damit freilich alle zeitgenössischen Seefahrer weit hinter sich zurück, und mit vollem Rechte verdiente der Continent den Namen Dessen, der eine so ausgedehnte Strecke seiner Küste erforscht hatte. Hierfür finden sich freilich nicht die mindesten Beweise, während Humboldt's Ansicht, nach dem Urtheile der glaubwürdigsten Schriftsteller, die größte Summe von Wahrscheinlichkeiten für sich hat.[282]

Amerigo Vespucci unternahm drei andere Reisen. A. von Humboldt identificirt die erste derselben mit der B. Yanez Pinzon's, und Avezae mit der Diego de Lepe's (1499– 1500). Gegen Ende des letzteren Jahres verhandelte Giuliani Bartholomeo di Giocondo im Auftrage des Königs Emanuel mit Vespucci und beredete diesen zum Uebertritt in portugiesische Dienste. Auf Kosten dieser Macht betheiligte sich Vespucci noch bei zwei Entdeckungsreisen. Bei der ersten nimmt er nicht wie früher die Stellung eines Führers der Expedition ein, sondern spielt an Bord nur die Rolle eines Mannes, auf dessen nautische Kenntnisse man sich unter gegebenen Verhältnissen zu stützen sucht. Die bei dieser dritten seiner Reisen untersuchte Strecke der amerikanischen Küste ist zwischen dem Cap St. Augustin und dem 52. Grad südlicher Breite zu suchen.

Bei Vespucci's vierter Expedition litt das Admiralschiff nahe der Insel Fernando de Noronha Schiffbruch, ein Umstand, der die anderen Fahrzeuge verhinderte, ihren Weg fortzusetzen und jenseits des Caps der Guten Hoffnung weiterzusegeln, sie dagegen veranlaßte, in der Bai Allerheiligen in Brasilien zu landen. Diese vierte Reise befehligte ohne Zweifel Gonzalo Coelho; dagegen ist gänzlich unbekannt geblieben, wer der Führer der dritten gewesen ist.

Diese verschiedenen Expeditionen hatten Vespucci keine Schätze eingetragen, die Verhältnisse des portugiesischen Hofes waren auch selbst so wenig glänzender Natur, daß er sich entschloß, wieder in spanische Dienste zu gehen. Bald erfolgte hier, am 22. März 1568, seine Ernennung zum »Piloto mayor«. Bei der Einträglichkeit dieser Stellung beschloß er denn seine Tage, wenn auch nicht reich, doch frei von Sorgen, und starb in Sevilla am 22. Februar 1512, ebenso wie Columbus in dem Wahne, die Küsten Asiens weiter erforscht zu haben.

Amerigo Vespucci ist vorzüglich berühmt geworden, weil die Neue Welt, statt gerechter Weise Columbia zu heißen, später seinen Namen erhalten hat, wofür ihn selbst eine Verantwortlichkeit allerdings nicht trifft. Lange Zeit und gewiß mit Unrecht hat man ihn der frechsten Dreistigkeit, des Betrugs und der Lügenhaftigkeit durch die Nachrede beschuldigt, er habe den Ruhm Columbus' verdunkeln wollen und für sich die ihm nicht gebührende Ehre einer so großartigen Entdeckung erstrebt, was doch keineswegs der Fall war. Vespucci war von Columbus and seinen Zeitgenossen geliebt und geachtet,[283] und alle seine Aufzeichnungen liefern für jene Verdächtigungen keinen Stützpunkt. Man kennt sieben später gedruckte Documente, die von Vespucci selbst herrühren sollen. Es sind das die kurzgefaßten Berichte über seine vier Reisen, zwei andere Berichte über die dritte und vierte Fahrt in Form zweier Briefe an Lorenzo de Pier Francesco de Medici, endlich ein an denselben gerichtetes Schreiben, das sich über die Entdeckungen der Portugiesen in Indien verbreitet. Diese als Plaquettes oder Büchlein in kleinem Formate gedruckten Documente wurden schnell in verschiedene Sprachen übersetzt und fanden in Europa die weiteste Verbreitung.

Schon 1507 macht ein gewisser Hylacolymus, dessen wirklicher Name Martin Waldseemüller lautet, in einem zu St. Dié in Lothringen gedruckten Buche mit dem Titel »Cosmographiae introductio« den Vorschlag, den neuen Erdtheil »Amerika« zu nennen. Im Jahre 1509 erscheint darauf in Straßburg ein kleiner Abriß der Geographie, der Hylocolamus' Empfehlung befolgt, und 1520 wird in Basel eine Ausgabe des Pomponius Mela gedruckt, welche eine Karte der neuen Welt mit der Bezeichnung »Amerika« enthält. Die Anzahl der Werke, in denen von jener Zeit ab die von Waldseemüller vorgeschlagene Bezeichnung Aufnahme fand, mehrt sich nun von Tag zu Tage.

Mehrere Jahre später, als Waldseemüller sich besser über den eigentlichen Entdecker und die Bedeutung der Reisen Vespucci's unterrichtet hatte, tilgte derselbe in seinem Werke Alles, was fälschlich mit Vespucci in Beziehung gebracht war, und setzte für dessen Namen überall den des Columbus ein. Zu spät! Der Irrthum hatte schon Bürgerrecht!

Vespucci selbst wird schwerlich viel davon erfahren haben, was man sich in Europa erzählte, und was in St. Dié vorging Die in Bezug auf seine Ehrenhaftigkeit ganz einstimmigen Zeugnisse sollten ihn doch wohl endlich von einer unverdienten Beschuldigung befreien, die so lange auf seinem Andenken lastete.

Fast gleichzeitig mit Hojeda liefen drei andere Expeditionen von Spanien aus. Die erste, welche mit einem einzigen Schiff unternommen wurde, ging Mitte Juni 1499 von Barra Saltes ab. Ihr Anführer war Pier Alonso Nino, der bei den letzten beiden Reisen des Admirals unter diesem gedient und sich jetzt mit einem Kaufmann von Sevilla, Christoval Guerra, welcher jedenfalls die Kosten der Unternehmung deckte, verbunden hatte. Diese Reise längs der Küste von Paria scheint als Hauptzweck mehr einen ergiebigen[284] Handel als wissenschaftliche Interessen verfolgt zu haben. Eine neue Entdeckung wurde während derselben nicht gemacht; die beiden Seefahrer brachten im April 1500 nach Spanien aber eine so beträchtliche Menge Perlen mit, daß die Habgier ihrer Landsleute und der Wunsch, ähnliche Abenteuer zu versuchen, nur noch mehr erweckt wurde.

Die zweite Expedition segelte unter dem Befehle Vincente Yanez Pinzon's, des jüngeren Bruders Alonso's, des Commandanten der »Pinta«, der auf Columbus so eifersüchtig war und auch die lügnerische Devise annahm:

A Castilla y a Leon

Nuevo Mundo dia Pinzon.

Yanez Pinzon, dessen treue Ergebenheit für den Admiral ebenso groß war wie der eifersüchtige Neid seines Bruders, hatte jenem zu der ersten Reise von 14(92 den achten Theil der Kosten vorgestreckt und die »Nina« damals selbst befehligt.

Im December 1499 reiste er mit vier Schiffen ab, von denen Ende September 1500 jedoch nur zwei nach Palos zurückkehrten. Er traf auf den neuen Continent etwas unterhalb der, von Hojeda wenige Monate vorher besuchten Küste, segelte an derselben 700–800 (See-) Meilen hin, entdeckte unter 8°20' südlicher Breite das Cap St. Augustin, folgte der Küste nach Nordwesten bis zum Rio Grande, dem er den Namen »Santa Maria de la Mar dulce« beilegte, und gelangte in der nämlichen Richtung bis zum Cap Vincente.

Endlich untersuchte Diego de Lepe vom Januar bis Juni 1500 dieselben Ufergebiete. Seine Fahrt ist nur wichtig durch die Feststellung der Richtung der Küsten des Festlandes jenseits des Caps St. Augustin.

Kaum war Lepe nach Spanien zurückgekehrt, als wiederum zwei Schiffe von Cadix ausliefen. Rodrigo de Bastidas, ein vornehmer und reicher Mann, hatte dieselben ausgerüstet, um neue Länder zu entdecken, vorzüglich aber zu dem Zwecke, gegen Glaswaaren und andere geringwerthige Dinge Gold und Perlen einzutauschen.

Juan de la Cosa, dessen Geschicklichkeit sprichwörtlich war und der die aufzusuchenden Gegenden schon von früher her kannte, erhielt den Oberbefehl der Expedition. Die Seefahrer erreichten das feste Land, sahen den Rio Sinn, den Golf von Uraba und gelangten nach dem Puerto del Retrete oder[285] de los Escribanos, am Isthmus von Panama. Dieser von Columbus erst am 26. November 1502 aufgefundene Hafen liegt siebzehn Meilen von der ehedem berühmten, jetzt aber verfallenen Stadt Nombre de Dias.

Ueberhaupt wurde diese von einem einfachen Kaufmanne organisirte Expedition durch Juan de la Cosa an Entdeckungen zu einer der fruchtbarsten Reisen. Leider sollte sie ein trauriges Ende nehmen. Die Schiffe erlitten im Golf von Haragua namhafte Beschädigungen, wodurch Bastidas und la Cosa genöthigt wurden, bei St. Domingo an's Land zu gehen. Hier ließ aber Bovadilla, der Ehrenmann, dieses Muster eines Gouverneurs, dessen niederträchtiges Verfahren gegen Columbus wir schon früher schilderten, die beiden Führer unter dem erdichteten Vorwande, von den Indianern Xaragua's Gold gekauft zu haben, verhaften und sendete sie nach Spanien, wo sie nach einem entsetzlichen Sturme, bei dem ein Theil der Flotte zu Grunde ging, ankamen.

Nach dieser erfolgreichen Expedition vermindert sich die Zahl der Entdeckungsreisen während mehrerer Jahre, welche die Spanier mehr dazu benutzten, ihre Herrschaft in den Ländern, wo sie Niederlassungen gegründet hatten, zu befestigen.

Schon 1493 begann die Kolonisation Espagnolas und entstand daselbst die Stadt Isabella. Zwei Jahre später durchstreifte Columbus selbst das ganze Gebiet der Insel, unterwarf mit Hilfe seiner zur Indianerjagd abgerichteten Hunde die armen Wilden und zwang sie, die eigentlich gar nichts zu thun gewöhnt waren, in den Bergwerken zu harter Arbeit. Bovadilla und später Ovando, welche die Indianer wie eine Heerde wilder Thiere behandelten, hatten jene unter die Kolonisten vertheilt. Die Grausamkeiten gegen diese unglückliche Race wurden von Tag zu Tag abscheulicher. Durch gemeine Hinterlist bemächtigte sich Ovando der Königin von Xaragua und dreihundert Großer des Landes. Auf ein gegebenes Zeichen wurden Alle, trotzdem, daß man ihnen nicht das Geringste vorwerfen konnte, einfach niedergemacht. »Im Verlaufe einiger Jahre, sagt Robertson, stieg die Summe Gold, welche man in den königlichen Schatz Spaniens abführte, auf ungefähr 460.000 Pesos (2,400.000 Livres tournois = 11/2 Millionen Mark), eine sehr beträchtliche Summe, wenn man im Auge behält, wie sehr der Werth des Goldes zu Anfang des 16. Jahrhunderts gestiegen war.« Im Jahre 1511 erobert Diego Velasquez Cuba mit nur dreihundert Mann, und hier[286] erneuerten sich die blutigen Auftritte und die rohe Plünderungswuth, welche dem spanischen Namen eine so traurige Berühmtheit erwarben. Man schnitt den Indianern die Hände ab, stach ihnen die Augen aus und goß siedendes Oel oder geschmolzenes Blei in ihre Wunden, wenn man sie nicht bei mäßigem Feuer briet, um von ihnen ein Geständniß bezüglich der Schätze zu erpressen, in deren Besitz man sie glaubte. Die Bevölkerung verminderte sich denn auch zusehends, so daß der Tag ihres völligen Verschwindens nicht fern sein konnte. Man muß hierüber bei Las Casas, dem unermüdlichen Vertheidiger dieser grausam mißhandelten Volksstämme, nachlesen, um aus dessen herzzerreißender und entsetzlicher Darstellung zu erfahren, welche Qualen und Mißhandlungen jene zu erdulden hatten.

Auf Cuba wurde der Cazike Hattuey gefangen und zum Feuertode verurtheilt. Als er schon an den Pfahl gebunden war, bemühte sich ein Franziskaner noch, ihn zu bekehren, indem er ihm versprach, daß er auf der Stelle alle Wonnen des Paradieses schmecken werde, wenn er den christlichen Glauben annähme.

»Befinden sich, fragte Hattuey dagegen, auch Spanier an demselben Orte, der diese Wonnen bieten soll? Gewiß, antwortete der Mönch, doch nur Solche, welche gerecht und gut gewesen sind! – Der Beste von Euch, versetzte der empörte Cazike, kennt ja weder Gerechtigkeit noch Güte! Nein, ich mag nimmer dahin kommen, wo ich einem einzigen Vertreter dieser verfluchten Race begegnen könnte!«

Kennzeichnet das nicht hinreichend den Grad der Verzweiflung, zu dem jene bedauernswerthen Völkerschaften getrieben waren? Jene Schreckensscenen aber wiederholten sich überall, wohin die Spanier den Fuß setzten. Doch werfen wir einen Schleier über die Schandthaten, welche Menschen vollbrachten, die sich für civilisirt hielten und andere minder wilde Völker zum Christenthume, der Religion der Vergebung und der Liebe, zu bekehren trachteten.

Im Laufe der Jahre 1504 und 1505 untersuchten vier Schiffe den Golf von Uraba. Hierbei führte Juan de la Cosa zum ersten Male den unbeschränkten Oberbefehl. In die nämliche Zeit hat man auch die dritte Reise Hojeda's nach dem Gestade von Coquibacoa zu verlegen, welche, nach Humboldt, zwar bestimmt stattfand, aber sehr dunkel geblieben ist.

Im Jahre 1507 entdeckte Juan Diaz de Solis im Vereine mit V. Yanez Pinzon ein ausgedehntes Land, das später unter dem Namen[287] Yucatan bekannt wurde. Obwohl sich diese Reise durch keine besonderen Ereignisse auszeichnete, sagt Robertson, verdient sie doch der Erwähnung weil sie zu den wichtigsten Entdeckungen führte. Aus demselben Grunde werden wir uns später auch mit einer Fahrt Diego de Orampo's beschäftigen, der, als er nach Cuba segeln sollte, zuerst mit Sicherheit erkannte, daß dieses von Columbus früher für einen Theil des Continents angesehene Land nur eine große Insel sei.


Lebendig verbrannte Indianer. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 284.)
Lebendig verbrannte Indianer. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 284.)

Zwei Jahre später drangen Juan Diaz de Solis und V. Pinzon, bei einer Reise nach dem Aequator und[288] über diesen hinaus, bis zum 40. Grade südlicher Breite vor und erkannten mit Verwunderung, daß der Continent zu ihrer Rechten diese erstaunliche Längenausdehnung habe.


Durch Hunde zerrissene Indianer. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 287.)
Durch Hunde zerrissene Indianer. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 287.)

Sie landeten wiederholt und nahmen feierlich von dem Küstenstriche Besitz, gründeten aber aus Mangel an Hilfsmitteln nirgends eine Niederlassung. Das auffälligste[289] Resultat dieser Reise bestand demnach einzig in der genaueren Kenntnißnahme der Länge dieses Erdtheiles.

Der Erste, der auf den Gedanken kam, eine Kolonie auf dem Festland zu gründen, war jener Alfons de Hojeda, dessen abenteuerliche Fahrten nur im Vorhergehenden erzählten. Selbst ohne Vermögen, doch bekannt wegen seines Muthes und Unternehmungsgeistes, fand er leicht einige Theilnehmer die ihm die nöthigen Mittel für dieses Vorhaben lieferten.

Gleichzeitig rüstete Diego de Nicuessa, ein reicher Kolonist von Espagnol eine Expedition zu dem nämlichen Zwecke aus (1509). König Ferdinand, wie immer verschwenderisch mit Unterstützungen, wenn sie nichts kosteten, verließ ihnen Beiden reichlich Patente und Ehrentitel, gab zu den Unternehmungen selbst aber keinen Maravedi. Er errichtete auf dem Continente zwei Gouvernements, deren eines sich vom Cap la Vela bis zum Golfe von Darien, das andere von hier aus bis zum Cap Gracias a Dios erstreckte. Das erste wurde Hojeda, das zweite Nicuessa verliehen. Die beiden »Conquistadores« bekamen es jetzt aber mit minder sanftmüthigen Bevölkerungen als die der Antillen zu thun. Entschlossen, sich der Wegnahme ihres Landes zu widersetzen, entwickelten sie den Spaniern ganz unerwartete Vertheidigungsmittel. Es kam zu erbitterten Kämpfen. In einem einzigen Gefechte fielen sechzig Leute Hojeda's von den Pfeilen der Indianer, deren Spitzen mit »Curare« bestrichen waren, das ist ein so heftiges Gift, das schon die geringste Verwundung den Tod nach sich zieht. Nicuessa seinerseits hatte vollauf zu thun, sich nur zu vertheidigen, weil trotz zweier namhaften Verstärkungen aus Cuba die größte Zahl der Theilnehmer an jenem Zuge in Folge von Verwundungen, Anstrengungen, Krankheiten und Entbehrungen umgekommen war. Die Ueberlebenden begründeten unter der Leitung Balboa's dann die kleine Kolonie Santa Maria el Antigua in Darien.

Vor der Erzählung der merkwürdigen Expedition des Letztgenannten müssen wir jedoch die Entdeckung eines Landstriches erwähnen, welcher den nördlichsten Theil des tief in das Festland eingeschnittenen Bogens bilden der den Namen des Golfs von Mexico führt. Im Jahre 1502 war Juan Ponce de Leon, einer der ältesten Familien Spaniens angehörig, mit Ovand in Espagnola eingetroffen. Er hatte thatkräftig zur Unterwerfung dieser Insel beigetragen und 1508 die Insel San Juan de Porto-Rico erobert. Da er von Indianern hörte, daß sich auf der Insel Bimini eine Wunderquell[290] befinde, deren Wasser Diejenigen verjüngte, welche davon tranken, beschloß Ponce de Leon, dieselbe aufzusuchen. Man darf wohl annehmen, daß er diese Heilquelle selbst erproben wollte, obwohl er damals nur gegen fünfzig Jahre zählte.

Ponce de Leon setzte also auf seine Kosten drei Schiffe in Stand, mit denen er am 1. März 1512 aus dem Hafen St. Germain de Porto-Rico absegelte. Er wandte sich nach den Liucayen, die er ebenso wie den Bahama-Archipel eingehend durchforschte. Fand er aber auch die im naiven Glauben gesuchte Wunderquelle nicht, so entdeckte er doch ein scheinbar sehr fruchtbares Land, dem er, entweder, weil er daselbst am Palmsonntag (Blumen-Ostern) landete, oder wegen seines bezaubernden Anblickes den Namen Florida gab. Mit einem solchen Erfolge hätte sich wohl mancher andere Seefahrer begnügt. Ponce de Leon irrte aber von Insel zu Insel und trank von jeder Quelle, die er fand, ohne dadurch sein weißes Haar wieder dunkeln oder die Falten des Gesichtes verschwinden zu sehen. Dieser trügerischen Narrenfahrt müde, warf er nach sechsmonatlichen fruchtlosen Versuchen die Flinte in's Korn, überließ es Perez de Ortubia und dem Piloten Antonio de Alminos, die Nachforschungen fortzusetzen, und kehrte am 5. October nach Porto-Rico zurück. »Hier mußte er manchen Spott über sich ergehen lassen, sagt der Pater Charlevoix, als man ihn leidender und mehr gealtert als bei der Abfahrt wiederkommen sah.«

Man wäre wohl versucht, diese ihren Motiven nach so lächerliche, ihren Erfolgen nach so fruchtbare Reise unter die erfundenen Fahrten zu rechnen, wenn sie nicht durch so glaubwürdige Geschichtsschreiber wie Peter Martyr, Oviedo, Herrera und Garcilasso de la Vega bestätigt würde.

Vasco Nuñez de Balboa, ein fünfzehn Jahre jüngerer Mann als Ponce de Leon, war mit Bastidas nach Amerika gekommen und hatte sich auf Espagnola niedergelassen. Dort versank er aber, wie so viele seiner Landsleute, trotz des »Repartimiento« ihm zugetheilter Indianer, so tief in Schulden, daß er sehnlichst die Gelegenheit herbeiwünschte, sich den Verfolgungen seiner zahlreichen Gläubiger entziehen zu können. Zum Unglück verbot eine Verordnung jedem nach dem Festlande bestimmten Schiffe, zahlungsunfähige Schuldner an Bord aufzunehmen. Dank seinem erfinderischen Kopfe, wußte Balboa diese Schwierigkeit zu überwinden und ließ sich in einer leeren Tonne bis auf das Schiff rollen, das Encisco nach Darien führen sollte.[291]

Wohl oder übel mußte sich der Führer der Expedition den ihm so sonderbar aufgedrängten Anschluß des vor den Häschern fliehenden, aber muthigen Abenteurers gefallen lassen. Von den Antillen her gewöhnt, keinen ernsthaften Widerstand zu finden, vermochten die Spanier doch nicht die wilden Völkerschaften des Festlandes zu unterwerfen. In Folge innerer Streitigkeiten mußten sie sich nach St. Maria el Antigua zurückziehen, welches der, an Stelle Encisco's zum Befehlshaber ernannte Balboa in Darien gründete.

Wußte er sich bei den Indianern durch seinen persönlichen Muth geachtet zu machen, ebenso wie durch seinen, mehr als zwanzig bewaffnete Männer gefürchteten Spürhund Leocillo, der auch Soldatensold empfing, so hatte Balboa jenen durch seine Gerechtigkeitsliebe und verhältnißmäßige Mildheit, welche unnütze Grausamkeiten nicht zuließ, doch auch eine gewisse Sympathie einzuflößen gewußt. Im Laufe mehrerer Jahre erhielt er wiederholt schätzbare Nachrichten über jenes Eldorado, jenes Goldland, das er zwar selbst nicht erreichen sollte, zu dem er seinen Nachfolgern jedoch den Zugang wesentlich erleichterte.

So hörte er von der Existenz eines »sechs Sonnen« (d. h. sechs Reisetage) entfernten anderen Meeres, dem Pacifischen Ocean, das die Küste Perus, eines Landes mit ungeheurem Reichthume an Gold, bewässern sollte. Balboa, dessen Charakter ein eben so zäher war wie der Cortez' oder Pizarro's, der aber nicht wie diese Zeit fand, seine außergewöhnlichen Naturgaben in ihrem ganzen Umfange zu verwerthen, täuschte sich nicht über den Werth dieser Mittheilung und sah den hohen Ruhm vor Augen, den eine solche Entdeckung auf seinen Namen häufen müßte.

Er sammelte demnach hundertundachtzig Freiwillige, lauter unerschrockene Soldaten und an die Wechselfälle des Krieges und die ungesunden Ausdünstungen eines sumpfigen Landes, wo Fieber, Ruhr und Leberkrankheiten epidemisch herrschten, hinlänglich gewöhnte Leute.

Wenn der Isthmus von Darien nur sechzig Meilen in der Breite mißt, so trägt er doch eine gewaltige Gebirgskette, an deren Fuße das angeschwemmte, ungemein fruchtbare Land eine Vegetation hervorbringt, von deren Ueppigkeit Europäer gar keine Vorstellung haben. Hier wuchert ein unentwirrbares Netz von Lianen zwischen Farrenkräutern und Baumriesen, welche die Sonne vollkommen verdecken, hier grünt der echte, da und dort von sumpfigen Lachen durchsetzte Urwald mit seiner Unzahl von Vögeln, Insecten und Säugethieren,[292] deren munteres Leben kaum jemals die Erscheinung eines Menschen störte. Die feuchte Wärme dieser Landschaft erschöpft dazu die Kräfte und knickt bald die Energie auch des kraftvollsten Mannes.

Zu diesen Hindernissen, mit welchen die Laune der Natur den von Balboa zu durchmessenden Weg versperrt hatte, traten aber auch noch die nicht minder furchtbaren, welche ihm die wilden Bewohner des ungastlichen Landes zu bereiten suchen konnten. Ohne Rücksicht auf die Gefahren, die seiner Expedition durch die immerhin zweifelhafte Verläßlichkeit seiner indianischen Führer und Hilfsmannschaften drohen mochten, brach Balboa auf unter Begleitung von etwa tausend indianischen Trägern und einer Meute jener schrecklichen Spürhunde, die schon auf Espagnola an Menschenfleisch Geschmack gefunden hatten.

Von den Volksstämmen, auf die er unterwegs stieß, entflohen einige mit Hab und Gut in die Berge, andere benutzten das schwierige zerrissene Terrain, um sich zu widersetzen. In der Mitte seiner Leute marschirend, ihre Entbehrungen theilend und stets bereit, sich selbst jeder Gefahr auszusetzen, wußte Balboa wiederholt deren gesunkenen Muth neu zu beleben und ihnen einen solchen Feuereifer mitzutheilen, daß er nach fünfundzwanzig Tagen mühevollen, durch viele Gefechte unterbrochenen Marsches, vom Gipfel eines Berges aus den ungeheuren Ocean erblicken konnte, von dem er vier Tage später, den blanken Degen in der einen Hand, in der anderen das Banner Castiliens, im Namen des Königs von Spanien Besitz ergriff.

Der Theil des Stillen Oceans, welchen er zuerst auffand, liegt südöstlich von Panama und führt noch heute den Namen des Golfs von San-Miguel, den Balboa ihm damals gegeben. Die Erkundigungen, die er von den mit Waffengewalt unterworfenen Caziken, bei denen er übrigens eine beträchtliche Beute machte, einzog, stimmten in allen Punkten mit denen vor seinem Aufbruche überein.

Gewiß lag im Süden ein großes Reich mit so ungeheuren Schätzen, »daß man die gewöhnlichsten Geräthe aus Gold herstellte«, wo eine Art Hausthiere, die Lamas, deren Erscheinung nach der Zeichnung Eingeborner der der Kameele ähneln mußte, abgerichtet wurden und schwere Lasten schleppten. Diese interessanten Einzelheiten und die ihm angebotene große Menge Perlen bekräftigten Balboa in der Ansicht, die von Marco Polo beschriebenen Gebiete Asiens erreicht zu haben und nun wirklich dem Königreiche[293] Cipango nahe zu sein, dessen wunderbare, den Augen der habgierigen Abenteurer unablässig vorschwebende Reichthümer der venetianische Reisende so verlockend geschildert hatte.

Balboa überschritt den Isthmus von Darien wiederholt und stets auf anderem Wege. Alexander von Humboldt konnte mit Recht behaupten, daß dieser Landstrich zu Anfang des 16. Jahrhunderts besser bekannt gewesen sei als zu seiner Zeit. Noch mehr; Balboa fuhr auch auf den Ocean hinaus mit Schiffen, die auf seinen Befehl erbaut wurden, und rüstete eben eine ansehnliche Flotte und Waffenmacht, womit er Peru zu erobern gedachte, als er nach schmählichem Rechtsspruche auf Befehl Pedrarias Davila's, des Gouverneurs von Darien, zum Tode verurtheilt wurde, nur weil Letzterer auf das errungene Ansehen des Freibeuters und den weiteren Ruhm, den er sich bei dem beabsichtigten Zuge voraussichtlich erwerben würde, eifersüchtig geworden war. Die Eroberung Perus verzögerte sich also um fünfundzwanzig Jahre durch die verbrecherische Laune eines Menschen, dessen Name durch die Ermordung Balboa's fast ebenso berüchtigt worden ist, wie der des Herostratus.

Besaß man nun durch Balboa die ersten, etwas sicheren Kenntnisse von Peru, so sollte ein anderer Entdeckungsreisender nicht minder wichtige Nachrichten über Mexico liefern, dessen Herrschaft fast über ganz Central-Amerika reichte. Juan de Grijalva hatte im Jahre 1518 den Oberbefehl über eine aus vier Schiffen bestehende, von Diego Velasquez, dem Eroberer Cubas, ausgerüstete Flottille übernommen, um das, im Vorjahre von Fernandez de Cordova zuerst gesehene Yucatan näher in Augenschein zu nehmen. Grivalja führte, außer dem Piloten Alaminos, einem Theilnehmer an Ponce de Leon's Fahrt nach Florida, zweihundertundvierzig Freiwillige mit sich, unter diesen auch Bernal Dias de Castilla, den naiven Verfasser einer höchst interessanten Geschichte der Eroberung von Mexico, aus der wir noch manche Stellen entlehnen werden.

Nach dreizehntägiger Seefahrt entdeckte Grijalva nahe der Küste von Yucatan die Insel Cozumel, umschiffte das Cap Codoche und drang in die Campeche-Bai ein. Am 10. Mai ging er in Potonchan an's Land, dessen Bewohner trotz ihres Erstaunens über die Schiffe, die sie für Meerungeheuer ansahen, und über die Blitze schleudernden Männer mit bleichem Gesicht, den Platz, wo die Spanier Wasser einzunehmen suchten, und die Stadt so[294] standhaft vertheidigten, daß dabei siebenundfünfzig Spanier getödtet und viele verwundet wurden. Ein so warmer Empfang verlockte Grijalva natürlich nicht zum längeren Verweilen bei diesem kriegstüchtigen Volke. Nach viertägiger Rast stach er wieder in See, fuhr in westlicher Richtung längs der Küste Mexicos hin, lief am 17. Mai in einen, von den Eingebornen Tabasco genannten Fluß ein und sah sich hier sehr bald von einer, etwa fünfzig wohlbewaffnete Piroguen zählenden Flottille eingeschlossen, welche einen Kampf aufnehmen zu wollen schien. Dank der Klugheit Grijalva's und den Freundschafts-Versicherungen, mit denen man nicht sparsam war, wurde der Friede jedoch nicht gestört.

»Wir ließen ihnen sagen, schreibt Bernal Dias, daß wir Unterthanen eines mächtigen Kaisers, Namens Don Carlos, seien, den auch sie als Herrn anerkennen sollten, wobei es ihnen wohl gehen werde. Sie antworteten darauf, daß sie schon einen Herrscher hätten und nicht recht verständen, wie wir, kaum hier angekommen, ihnen einen anderen anböten, ohne ihre Verhältnisse zu kennen.« Man wird zugeben, daß diese Antwort nicht verräth, daß sie von Wilden stammt.

Im Austausch gegen einige werthlose europäische Kleinigkeiten erhielten die Spanier Yuccabrot, Copalharz, Goldstückchen in Form von Fischen oder Vögeln, ebenso wie im Lande verfertigte Baumwollenstoffe. Da die bei Cap Cotoche mit an Bord genommenen Eingebornen die Sprache der Bewohner von Tabasco nicht verstanden, kürzte man den Aufenthalt daselbst ab und stach wieder in See. Man segelte am Rio Guatzacoalco vorüber, entdeckte die schneeigen Sierras von San Martin und warf Anker an der Mündung eines Flusses, der den Namen Rio de las Banderas erhielt wegen der vielen weißen Fähnchen, welche die Eingebornen beim Erblicken der Fremden als Zeichen ihrer Friedfertigkeit schwenkten.

Bei seiner Landung wurde Grivalja mit wahrhaft göttlichen Ehren empfangen. Unter Copalräucherungen legte man mehr als fünfzehnhundert Piaster an Goldgeschmeide, ferner grüne Perlen und kupferne Aexte zu seinen Füßen nieder. Nach feierlicher Besitznahme des Landes erreichten die Spanier eine Insel, welche die Insel de los Sacrificios genannt wurde, weil man auf einer Art Altar, am oberen Ende einer hohen Treppe, fünf am Tage vorher geopferte Indianer mit geöffnetem Brustkasten, aus dem das Herz herausgenommen war, und mit abgeschnittenen Armen und Beinen vorfand.


Balboa entdeckt den Pacifischen Ocean. (S. 293.)
Balboa entdeckt den Pacifischen Ocean. (S. 293.)

Später machte man vor einer kleinen Insel Halt, die nach dem Namen des Kalender-Heiligen jenes Tages San Juan genannt wurde, wozu man noch das Wort Culua fügte, das man die Indianer jener Gegend häufig wiederholen hörte. Culua aber war die alte Be[295] zeichnung für Mexico und unter jener Insel San Juan de Culua ist das heutige Saint Jean d'Ulloa zu verstehen.


Fernando Cortez. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 209.)
Fernando Cortez. (Facsimile. Alter Kupferstich.) (S. 209.)

Nachdem er auf ein Schiff, das er nach Cuba schickte, alles hier eingesammelte Gold verladen, setzte Grijalva seine Fahrt längs der Küste[296] fort, ent deckte die Sierras von Tusta und von Tuspa, verschaffte sich vielfache nützliche Nachrichten von diesen volkreichen Gebieten und kam beim Rio Panuco au wo er sich von einer zahlreichen Flottille von Ruderbooten angegriffen sah, die er nur mit Mühe abzuwehren vermochte.

Die Expedition ging nun ihrem natürlichen Ende entgegen; die Schiffe waren in traurigem Zustande, die Lebensmittel nahezu erschöpft; die Freiwilligen,[297] zum Theil verwundet oder krank, erreichten in Folge dessen eine zu geringe Zahl, um sie, selbst unter dem Schutze schnell hergestellter Befestigungen, inmitten dieser kriegerischen Stämme zurückzulassen. Auch unter den Führern herrschte keine rechte Einigkeit mehr. Kurz, nach vorläufiger Ausbesserung der Schiffe im Rio Tonala, wo Bernal Dias sich rühmt, die ersten Orangenkerne in Mexico gesteckt zu haben, schlugen die Spanier wieder den Weg nach Santiago de Cuba ein, wo sie am 15. November anlangten, nach einer Kreuzfahrt von sieben Monaten, nicht von fünfundvierzig Tagen, wie Ferdinand Denis in der Didot'schen »Biographie etc.« sagt und es Ed. Charton in seinen »Voyageurs anciens et modernes« wiederholt hat.

Diese Reise hatte sehr wichtige Resultate ergeben. Zum ersten Male wurde dabei die ungeheure Küstenlinie Yucatans, die Campeche-Bai und der am meisten zurückliegende Theil des Golfs von Mexico im Zusammenhange untersucht. Jetzt wußte man nicht allein, daß Yucatan, nicht, wie man früher annahm, eine Insel sei, sondern besaß auch schon vielseitige und verläßliche Kenntnisse des mächtigen mexicanischen Reiches. Man war höchlichst erstaunt über die Anzeichen einer Civilisation, welche die der Antillen beiweitem übertraf, über die zweckmäßige Bodencultur, die Zartheit des Gewebes der baumwollenen Kleidungsstücke, über die hochentwickelte Baukunst, wie über die Vollendung des von den Eingebornen getragenen Goldschmuckes – lauter Wahrnehmungen, welche geeignet erschienen, bei den Spaniern von Cuba den Durst nach Schätzen zu erregen und in ihnen den Entschluß reisen ließen, als moderne Argonauten zur Gewinnung dieses Goldenen Vließes auszuziehen.

Quelle:
Jules Verne: Die Entdeckung der Erde. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXIX–XXX, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 277-298.
Lizenz:

Buchempfehlung

Grabbe, Christian Dietrich

Hannibal

Hannibal

Grabbe zeigt Hannibal nicht als großen Helden, der im sinnhaften Verlauf der Geschichte eine höhere Bestimmung erfüllt, sondern als einfachen Menschen, der Gegenstand der Geschehnisse ist und ihnen schließlich zum Opfer fällt. »Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an.« C.D.G.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon