III.

[86] Bougainville. – Was aus dem Sohne eines Notars Alles werden kann. – Kolonisation der Malouinen. – Buenos-Ayres und Rio de Janeiro. – Rückgabe der Malouinen an die Spanier. – Hydrographie der Magelhaens-Straße. – Die Pescheräs. – Die vier Facardinen. – Tahiti. – Vorfälle während des Aufenthaltes daselbst. – Producte des Landes und Sitten der Eingebornen. – Die Samoa-Inseln. – St. Esprit-Land oder die Neuen Hebriden. – Die Louisiade. – Die Inseln der Anachoreten. – Neu-Guinea. – Boutan. – Von Batavia nach St. Malo.


Während Wallis seine Reise um die Erde vollendete und Carteret seine lange und mühselige Fahrt fortsetzte, war eine französische Expedition zu dem Zwecke ausgerüstet worden, um in der Südsee auf Entdeckungen auszugehen.

Unter dem alten Regierungssystem, wo Alles von persönlicher Willkür abhing, wurden auch Titel, Grade und Stellungen vielfach je nach Gunst verliehen. Es war also gar nicht zu verwundern, daß ein Soldat, der vor kaum vier Jahren den Dienst in der Landarmee mit dem Grade eines Obersten quittirt hatte, mit dem eines Schiffskapitäns in die Marine übertrat und eine solche verantwortungsvolle Stelle übernahm.

Nur in außergewöhnlichen Fällen wurden diese auffallenden Maßregeln durch die Talente Desjenigen, der von ihnen Nutzen zog, entschuldigt.

Ludwig Anton de Bougainville erblickte das Licht der Welt am 13. November 1729. Als Sohn eines Notars sollte auch er zuerst die richterliche Laufbahn erwählen und trat wirklich als Advocat auf. Ohne Neigung zu der väterlichen Beschäftigung, widmete er sich jedoch fast ausschließlich den Wissenschaften, gab ein »Lehrbuch der Integral-Rechnung« heraus und ließ sich nebenbei noch unter die schwarzen Jäger aufnehmen. Von den drei Carrièren, die er ergriffen hatte, verließ er die beiden ersten bald vollständig, blieb auch der dritten nicht lange treu, sondern wandte sich einer vierten, der Diplomatie, zu, um diese endlich gegen eine fünfte, die des Seemannes, zu vertauschen, zuletzt starb er, in der sechsten Lebensstellung, als – Senator.

Erst Adjutant Chevert's, dann Secretär bei der Gesandtschaft in London, wo er als Mitglied in die königliche Akademie der Wissenschaften eintrat, reiste er im Jahre 1756 mit dem Grade eines Kapitäns der Dragoner von Brest ab, um sich Montcalm in Canada anzuschließen. Als Adjutant dieses Generals zeichnete er sich bei mehreren Gelegenheiten so vortheilhaft aus, daß er sich das besondere Vertrauen seines Vorgesetzten gewann und nach Frankreich zurückgesendet wurde, um Verstärkung zu verlangen.[86]

Frankreich hatte gerade damals so zahlreiche Unfälle in Europa erlitten, daß es aller seiner Kräfte bedurfte, sich hier seiner Feinde zu wehren. Als der junge Bougainville nun dem Herrn von Choiseul den Zweck seiner Mission auseinandersetzte, erwiderte der Minister schroff abweisend:

»Wenn das Feuer schon das Haus ergriffen hat, bekümmert man sich nicht um die Ställe. – Es wird wenigstens Niemand sagen können, antwortete Bougainville schnell, daß Sie, Herr Minister, wie – ein Pferd sprechen!«

Dieser Einfall war zu geistreich und zu beißend, als daß er ihm nicht das Wohlwollen des Ministers hätte verscherzen sollen. Zum Glück liebte Frau von Pompadour die schlagfertigen Leute; sie stellte Bougainville dem Könige vor, und wenn jener auch für seinen General nichts auszurichten vermochte, so gelang es ihm doch, sich zum Oberst und Ritter des heiligen Ludwig ernennen zu lassen, obgleich er erst sieben Dienstjahre zählte. Nach Canada zurückgekehrt, ließ er es sich angelegen sein, Ludwig's XV. Vertrauen zu rechtfertigen, und that sich bei mehreren Gefechten rühmlich hervor. Nach dem Verluste dieser Kolonie diente er in Deutschland unter Choiseul-Stainville.

Der Friede von 1763 machte seiner militärischen Laufbahn ein Ende. Das Leben in der Garnison konnte einem so lebhaften Geiste, einem an Bewegung gewöhnten Manne wie Bougainville unmöglich genügen. Da entwarf er den sonderbaren Plan, die Falklands-Inseln im äußersten Süden Amerikas zu kolonisiren und dorthin die canadischen Ansiedler zu führen, welche kurz vorher nach, Frankreich gegangen waren, um dem tyrannischen Joche Englands zu entfliehen. Begeistert für diese Idee, wandte er sich an mehrere Rheder in St. Malo, welche seit Anfang dieses Jahrhunderts den genannten Archipel besuchen ließen und ihm den Namen der Malouinen gegeben hatten.

Sobald er sich deren Zustimmung gesichert, entwickelte Bougainville in einer Eingabe an das Ministerium mit glänzender Darstellung die etwas problematischen Vortheile dieser Niederlassung, welche durch ihre glückliche Lage den nach der Südsee segelnden Schiffen als erwünschter Zufluchtsort sollte dienen können. Er erlangte wirklich die nachgesuchte Autorisation, gleichzeitig mit seiner Ernennung zum Schiffskapitän.

Es war im Jahre 1763. Man durfte zwar nicht erwarten, daß die Officiere, welche von der Pique auf gedient hatten, diese Ernennung, welche sich durch nichts rechtfertigen ließ, mit günstigen Augen ansehen würden. Das bekümmerte aber den Marine-Minister Choiseul Stainville sehr wenig. Bougainville[87] hatte unter seinem eigenen Oberbefehl gestanden, und er fühlte sich als viel zu großer Herr, um nicht die Nergeleien des Officier-Corps der Marine unbeachtet zu lassen.


Kampf der »Swallow« mit einem malayischen Prao. (S. 83.)
Kampf der »Swallow« mit einem malayischen Prao. (S. 83.)

Nachdem Bougainville die Herren de Nerville und d'Arboulin, seinen Vetter und seinen Onkel, für die eigenen Pläne gewonnen, ließ er sofort unter der Leitung Guyot-Duclos in St. Malo die »Aigle« von 20 Kanonen und die »Sphinx« von 12 Kanonen ausrüsten, auf denen er mehrere canadische Familien einschiffte. Am 15. September reiste er von St. Malo ab, ging vor der Insel St. Catherine, an der Küste Brasiliens, vor Anker, später bei Montevideo, wo[88] er viel Pferde und Rinder einkaufte, und landete an den Malouinen in einer großen Bai, die ihm seinen Zwecken gut zu entsprechen schien; bald mußte er sich freilich überzeugen, daß das, was alle Seefahrer für mäßig hohe Wälder gehalten hatten, nichts war als niedriges Schilf. Kein Baum, kein Strauch wuchs auf der ganzen Insel. Als Brennmaterial fand sich glücklicher Weise eine Menge ausgezeichneter Torf. Auch Fischfang und Jagd lieferten reichlichen Ertrag.

Zu Anfang bestand die Kolonie aus neunundzwanzig Personen, für welche man kleine Wohnhäuschen und ein Magazin für die Lebensmittel erbaute. Gleichzeitig[89] entwarf und begann man die Anlage einer Befestigung, welche vierzehn Kanonen aufnehmen sollte. Herr de Nerville erbot sich zur Leitung der Niederlassung, während Bougainville am 5. April nach Frankreich zurückkehrte. Dort sammelte er neue Kolonisten und nahm eine reichliche Ladung Provisionen aller Art ein, mit denen er am 5. Januar 1765 wieder ankam.


Bougainville [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 86.)
Bougainville [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 86.)

Bougainville [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 86.)


Bald darauf ging er nach der Magelhaens-Straße ab, um eine Ladung Holz einzunehmen, wobei er, wie wir oben erwähnten, die Schiffe des Commodore Byron traf, denen er bis zum Port Famine (Hungerhafen) folgte. Hier verschaffte er sich mehr als 10.000 Baumpflanzen verschiedenen Alters, die er nach den Malouinen überzuführen gedachte. Als er den Archipel am nächsten 27. April wieder verließ, zählte die Kolonie achtzig Einwohner unter einem vom Könige besoldeten Generalstabe. Gegen Ende des Jahres 1765 wurden die beiden Schiffe mit Lebensmitteln und neuen Ansiedlern zurückgeschickt.

Die Niederlassung nahm jetzt schon eine bestimmtere Gestalt an, da setzten sich die Engländer an dem von Byron entdeckten Port Egmont fest. Gleichzeitig versuchte der Kapitän Macbride die Oberhoheit über die Kolonie zu erlangen, indem er behauptete, daß diese Länder dem Könige von England gehörten, obgleich Byron die Malouinen erst zu Gesicht bekam, als die Franzosen schon seit zwei Jahren festen Fuß gefaßt hatten. Nun trat Spanien mit seinen, jedenfalls begründeteren Ansprüchen auf und erklärte die Kolonie für ein zum Gebiete Südamerikas gehöriges, also ihm untergebenes Land. Weder England, noch Frankreich wollte wegen des Besitzes dieses für den Handel ziemlich unwichtigen Archipels Streitigkeiten beginnen, und so erhielt Bougainville den Befehl, seine Kolonie an Spanien unter der Bedingung zu übergeben, daß der Hof von Madrid für alle entstandenen Kosten aufkomme. Bald darauf veranlaßte die französische Regierung die regelrechte Auslieferung der Malouinen an die spanischen Emissäre.

Dieser etwas unüberlegte Kolonisationsversuch wurde übrigens doch zur Ursache und Quelle des Glücks für Bougainville, da ihn das französische Ministerium beauftragte, um die zuletzt ausgerüsteten Schiffe wenigstens zu benützen, durch die Südsee zurückzukehren und daselbst auf Entdeckungen auszugehen.

In den ersten Tagen des Monats November 1766 begab sich Bougainville nach Nantes, wo sein zweiter Officier, Duclos-Guyot, ein erfahrener Seemann, aber ergraut in unteren Stellungen, nur weil er nicht von Adel war, jetzt als Führer eines Branders, die Ausrüstung der Fregatte »Boudeuse« von[90] 28 Kanonen überwachte. Am 15. November segelte Bougainville von der Rhede von Mindin, an der Mündung der Loire, nach dem La Plata-Strome ab, wo er die beiden spanischen Fregatten »La Esmeralda« und »La Libre« treffen sollte. Kaum gelangte aber die »Boudeuse« auf das hohe Meer, als sich ein entsetzlicher Sturm erhob. Die Fregatte erlitt trotz ihrer neuen Takelage namhafte Havarien und mußte zur Ausbesserung nach Brest zurückkehren, wo sie am 21. November eintraf. Schon die erste Probe überzeugte den Befehlshaber derselben, daß die »Boudeuse« für die von ihr erwarteten Dienste nicht besonders geeignet war. Er verminderte also die Höhe der Masten und vertauschte die Geschütze gegen solche von leichterem Kaliber; trotz alledem schien die Fregatte einem schweren Seegang und den Stürmen des Cap Horn nicht gewachsen. Da das Zusammentreffen mit den Spaniern einmal bestimmt war, mußte Bougainville wieder auf das Meer hinausgehen. Der Generalstab des Schiffes bestand derzeit aus elf Officieren und drei Freiwilligen, unter Letzteren der Prinz von Nassau-Siegen. Die Mannschaft zählte dreihundert Matrosen, Schiffsjungen und Diener.

Bis zum La Plata blieb das Meer ziemlich ruhig und gestattete Bougainrille vielerlei Beobachtungen über die Strömungen, welche schon zu vielen Irrthümern bei Abschätzung des zurückgelegten Weges Veranlassung geworden waren.

Am 31. Januar ankerte die »Boudeuse« vor Montevideo, wo sie die beiden spanischen Fregatten, unter dem Commando Philippe Ruis Puentes, schon seit einem Monate erwarteten. Der Aufenthalt Bougainville's auf der Rhede und der darauf folgende vor Buenos-Ayres, wo er mit dem Gouverneur wegen seiner Mission in Unterhandlung trat, bot ihm Gelegenheit, über die Stadt und die Sitten ihrer Bewohner mancherlei merkwürdige Beobachtungen zu machen, die wir hier nicht unerwähnt lassen können. Buenos-Ayres erschien ihm für die Anzahl seiner Einwohner, welche zwanzigtausend nicht überschreiten mochte, entschieden zu groß. Es erklärt sich das dadurch, daß die Häuser alle nur ein Stockwerk haben, daneben aber von großen Gärten und Höfen umgeben sind. Die Stadt hat nicht nur keinen Hafen, sondern auch nicht einmal einen Molo. Die Seeschiffe sind daher genöthigt, ihre Ladung auf Lichterschiffen zu löschen, welche dann in einen kleinen Fluß einfahren, wo die Ballen wiederum auf Wagen geladen werden, um in die Stadt zu gelangen. Was Buenos-Ayres einen originellen Charakter verleiht, das ist die große Menge von Mönchs- und Nonnenklöstern.[91]

»Fast jeden Tag des Jahres, sagt Bougainville, feiert man hier Festtage gänzlich unbekannter Heiligen durch Processionen und Feuerwerke. Die Ceremonien beim Gottesdienst gleichen mehr einem Schauspiel. Die Jesuiten gaben hier den Frauen noch mehr Gelegenheit, ihre Frömmigkeit zu bethätigen, als ihre Vorgänger. Sie errichteten im Zusammenhange mit ihrem Kloster ein besonderes Haus unter dem Namen ›Casa de los ejercicios de las mujeras‹, d. h. Haus der Frauenandacht. Dahin kamen Frauen und Mädchen ohne Zustimmung ihrer Männer und Eltern, um sich durch zwölftägige Bußübungen zu reinigen. Hier wurden sie auf Kosten der Gesellschaft Jesu untergebracht und beköstigt, und in dieses Heiligthum hatte kein anderer Mann Zutritt außer den Brüdern des heiligen Ignaz (von Loyola); selbst weiblichen Dienerinnen blieb es verwehrt, ihre Herrinnen zu begleiten. Die Andachtsübungen bestanden in stiller Betrachtung, Gebet, Katechese, Wiederholung des Glaubensbekenntnisses und Geißelung. Man zeigte uns an den Mauern der Kapelle noch das Blut, das jene frommen Magdalenen bei ihren Bußübungen verspritzten.«

Die Umgebungen der Stadt erwiesen sich fleißig angebaut und mit vielen Landhäusern, sogenannten »Quintas«, übersäet. Schon in der Entfernung von zwei oder drei Meilen von Buenos-Ayres aber fand man nichts als endlose Ebenen, ohne jede Abwechslung und im unbestrittenen Besitz von Pferden und Büffeln, welche deren einzige Bewohner bildeten. Diese Thiere weideten hier in solcher Menge, sagt Bougainville, »daß die Reisenden, wenn sie Hunger hatten, einen Stier erlegten, davon verzehrten, was sie essen konnten, und das Uebrige für die wilden Hunde und die Tiger liegen ließen«.

Die zu beiden Seiten des La Plata hausenden Indianer konnten von den Spaniern noch nicht unterworfen werden. Man nannte sie »Indios bravos«.

»Sie sind von mittlerer Größe, sehr häßlich und fast Alle mit Aussatz behaftet. Ihre Hautfarbe zeigt ein tiefes Braun, das Fett aber, mit dem sie sich einzusalben pflegen, läßt sie noch dunkler erscheinen. Von Kleidungsstücken tragen sie nichts als einen mantelartigen Ueberwurf aus Ziegenfell, der ihnen bis zu den Füßen herabhängt und in den sie sich einhüllen.... Diese Indianer verbringen ihr Leben meist zu Pferde, wenigstens in der Nachbarschaft der spanischen Niederlassungen. Dorthin kommen sie zuweilen mit ihren Frauen, um Branntwein einzukaufen, und trinken dann unablässig, bis sie regungslos liegen bleiben.... Manchmal rotten sie sich auch zu Trupps von zwei-bis dreihundert Mann zusammen und rauben dann die Thiere von den spanischen Ländereien[92] oder greifen selbst Karawanen von Reisenden an, die sie plündern, niedermetzeln oder in die Sklaverei abführen. Leider ist diesem Uebel nicht zu steuern; wie sollte man auch solche wilde Völkerschaften zügeln, welche in einem so großen und uncultivirten Lande umherschweifen, daß es schon schwer genug ist, sie nur aufzufinden?«

Der Handel lag hier gänzlich darnieder, seit das Verbot bestand, europäische Waaren auf dem Landwege nach Peru und Chile zu schaffen. Doch sah Bougainville noch ein Schiff mit einem Cargo, im Werthe von einer Million Piastern von Buenos-Ayres auslaufen, »und wenn alle Landbewohner, fügt er hinzu. Gelegenheit hätten, nur ihre Felle und Häute nach Europa abzusetzen, so würden sie davon allein reich werden«.

Der Ankerplatz von Montevideo ist recht sicher, obwohl man hier nicht selten von den »Pamperos«, das sind Südweststürme mit furchtbaren Gewittern, überrascht wird. Die Stadt bietet nichts Merkwürdiges; ihre Umgebungen sind nicht bebaut und man muß hier Mehl. Brot und überhaupt Alles, was die Schiffe brauchen, erst von Buenos-Ayres kommen lassen. Dagegen findet man, Früchte, wie Feigen, Pfirsiche, Aepfel und dergleichen in Menge, und ebenso viel eßbares Fleisch, wie im ganzen übrigen Lande.

Es ist interessant, die Documente von vor hundert Jahren mit denen unserer jetzigen Reisenden, und vorzüglich mit Emil Daireaux' Buche über den La Plata zu vergleichen. In manchen Beziehungen stimmen die Bilder Beider noch heute überein, nach anderen Seiten freilich – z.B. bezüglich des Unterrichtswesens, von dem Bougainville noch kein Wort zu erwähnen fand – hat man hier auffallende Fortschritte gemacht.

Nach Einnahme der nöthigen Lebensmittel und Vorräthe an Wasser und lebendem, Fleisch gingen die drei Schiffe am 28. Februar 1767 nach den Malouinen unter Segel. Die Ueberfahrt war nicht vom Glück begünstigt. Schnell wechselnde Winde, schwerer Seegang und stürmische Witterung verursachten manche Havarien der »Boudeuse«. Am 23. März ging sie in der Baie française vor Anker und traf daselbst am folgenden Tage auch die beiden spanischen Schiffe, welche vom Sturm ebenfalls viel zu leiden gehabt hatten.

Am 1. April fand die feierliche Uebergabe des Etablissements an die Spanier statt. Nur wenige Franzosen machten von der Erlaubniß des Königs Gebrauch, auf den Malouinen zu verbleiben, sondern fast Alle zogen es vor, auf den wieder nach Montevideo abgehenden spanischen Fregatten an Bord zu[93] gehen. Bougainville selbst mußte die Flute »Etoile« abwarten, welche ihm Provisionen zuführen und ihn auf der Reise um die Erde begleiten sollte.

Inzwischen verfloß der März, April und Mai, ohne daß die »Etoile« anlangte, und doch erschien es unmöglich, über den Pacifischen Ocean mit dem für sechs Monate berechneten Vorrath an Lebensmitteln zu segeln, den die »Boudeuse« selbst mit sich führte. Bougainville beschloß also, am 2. Juni nach Rio de Janeiro zu gehen, das er Herrn de Giraudais, dem Befehlshaber der »Etoile«, als Ort des Zusammentreffens bezeichnet hatte, wenn diesen irgend welche Umstände hindern sollten, die Malouinen selbst anzulaufen.

Die Fahrt verlief unter so günstigem Wetter, daß er kaum achtzehn Tage brauchte, um die portugiesische Kolonie zu erreichen. Hier wartete die »Etoile« erst seit vier Tagen, weil sie Frankreich weit später, als man hoffte, verlassen hatte. Sie war Sturmes halber gezwungen gewesen, in Montevideo Schutz zu suchen, und von hier aus, entsprechend den hinterlassenen Instructionen, nach Rio abgesegelt.

Von dem Grafen d'Acunha, dem Vicekönig von Brasilien, sehr freundlich empfangen, fanden die Franzosen Gelegenheit, in der Oper die »Komödie der Irrungen« von einer Mulatten-Truppe dargestellt zu sehen und die Meisterwerke der großen italienischen Componisten von einem elenden Orchester ausgeführt zu hören, das ein buckliger Abbé im Priester-Ornat dirigirte.

Das Wohlwollen des Grafen d'Acunha war aber leider nicht von langer Dauer. Bougainville, der mit Erlaubniß des Vicekönigs eine Schnaue gekauft hatte, sah plötzlich deren Auslieferung verweigert. Ebenso wurde ihm untersagt, von der königlichen Werft das nöthige Holz zu entnehmen, das er schon erhandelt, und endlich wehrte man ihm auch noch, während der Reparation der »Boudeuse« mit seinem Stabe in einem kleinen Hause in der Nähe der Stadt zu wohnen, das ihm ein Privatmann zur Verfügung gestellt hatte. Um allen Mißhelligkeiten zu entgehen, betrieb Bougainville seine Abreise so eilig als möglich.

Bevor er die Hauptstadt Brasiliens verließ, verbreitete sich der französische Commandant eingehend über die Schönheit des Hafens, seine romantischen Umgebungen, und läßt sich auch ausführlich über die reichlichen Schätze des Landes aus, für welche der Hafen den Stapelplatz bildet.

»Die sogenannten ›Hauptminen‹, sagt er, liegen der Stadt am nächsten und höchstens fünfundsiebzig Meilen davon entfernt. Sie bringen dem Könige jedes Jahr an ›Fünften‹ mindestens hundertzwölf Aroben Gold ein; im Jahre[94] 1762 ergaben sich sogar hundertneunzehn. Unter der Gruppe der Hauptminen verstand man die von Rio des Morts, von Sabara und von Sero-Frio. Die erstere liefert außer dem Gold, das man ans ihr gewinnt, alle die Diamanten, welche aus Brasilien kommen. Mit Ausnahme der Diamanten sind alle übrigen Edelsteine hier nicht als Contrebande anzusehen; sie gehören den Unternehmern, welche nur verpflichtet sind, über die gefundenen Diamanten genaue Rechenschaft abzulegen und sie dem vom Könige zu diesem Zwecke eingesetzten Intendanten abzuliefern. Der Intendant verwahrt sie in einer mit Eisen beschlagenen und mit drei Schlössern versehenen Cassette. Den einen Schlüssel zu dieser besitzt er selbst, den zweiten der Vicekönig und den dritten der Provedor de hacienda reale. Die erste Cassette wird alsdann in eine zweite eingeschlossen, auf der die drei genannten Personen ihre Siegel anbringen, und welche die drei Schlüssel der ersteren enthält. Der Vicekönig hat nicht das Recht, zu untersuchen, was sie enthält. Er sorgt nur dafür, daß Alles in einen dritten, starken Koffer kommt, den er, nach Versiegelung des Schlosses, nach Lissabon sendet.«

Trotz dieser Vorsichtsmaßregeln und der hohen Strafen, welche jeden Diamantendieb treffen, wird doch noch ein unglaublicher Betrug getrieben. Jene Diamanten bilden übrigens nicht die einzige Revenue des Königs von Portugal, sondern Bougainville rechnet, daß dessen gesammte Einnahmen nach Abzug der Unterhaltung der Truppen, des Gehaltes der Civilbeamten und aller Verwaltungskosten, aus Brasilien allein zehn Millionen Pfund erreichen dürften.

Von Rio nach Montevideo ereignete sich kein bemerkenswerther Zwischenfall; auf dem La Plata aber wurde die »Etoile« von einem spanischen Schiffe angesegelt, wobei sie das Bugspriet, die Gallion und verschiedenes Tauwerk einbüßte. Diese Havarien und die Heftigkeit des Stoßes, welcher das Schiff etwas leck gemacht hatte, nöthigten dasselbe, nach Encenada de Baragan zurückzukehren, wo es leichter war als in Montevideo, die nöthigen Reparaturen auszuführen. Doch konnte man den Strom nicht vor dem 14. November verlassen.

Dreizehn Tage später befanden sich die Schiffe in Sicht des Caps der Jungfrauen, am Eingange der Magelhaens-Straße, in welche sie sofort einfuhren. Die Possessions-Bai, die erste, der man begegnet, stellt eine große Einbuchtung dar, welche allen Winden ausgesetzt ist und nur schlechte Ankerplätze bietet. Vom Cap der Jungfrauen bis zum Cap Orange rechnet man etwa fünfzehn Meilen, während die Breite der Meerenge überall fünf bis sieben Meilen beträgt. Die erste enge Fahrstraße ward ohne Schwierigkeit überwunden und[95] in der Boucault-Bai Anker geworfen, wo zehn Officiere und Matrosen an's Land gingen.

Diese machten bald Bekanntschaft mit den Patagoniern und tauschten verschiedene, für jene werthvolle Kleinigkeiten gegen Vigogne- und Guanacofelle aus. Die Einwohner waren zwar von großer Figur, doch nicht über sechs Fuß hoch.

»Wahrhaft riesig, sagt Bougainville, erschien mir an ihnen nur ihre ungeheure Schulterbreite, die Dicke ihres Kopfes und die Stärke der Gliedmaßen. Sie sahen kräftig und wohlgenährt aus; ihre Nerven schienen straff und das Fleisch fest und zäh; mit einem Worte, sie gleichen Menschen, welche im Naturzustande und bei vollsaftiger Nahrung sich frei entwickelt haben, soweit das eben möglich war.«

Von dem ersten nach dem zweiten Sunde, der ebenso glücklich passirt ward, mögen es sechs oder sieben Meilen sein. Derselbe ist nur eineinhalb Meile breit und etwa vier Meilen lang. In diesem Theile der Meerenge trafen die Schiffe auf die Inseln St. Barthelemy und Elisabeth. An der letzteren gingen die Franzosen an's Land, fanden aber weder Holz, noch Wasser, sondern nur ein Stück gänzlich unfruchtbares Erdreich.

Von eben dieser engen Straße ab erscheint dagegen die amerikanische Küste reichlich mit Wald bestanden. Ueberwand Bougainville nun auch die ersten schwierigen Stellen mit großem Glücke, so sollte er dafür später Gelegenheit finden, seine Geduld zu beweisen. Es ist nämlich für das hiesige Klima charakteristisch, daß Veränderungen in der Atmosphäre so unerwartet und heftig auftreten, daß Niemand davon auch nur eine Ahnung haben kann. In Folge dessen kommt es zu Havarien, wo man am wenigsten daran denkt, und zu Verzögerungen der Fahrt, wenn die Schiffe nicht gar gezwungen werden, an der Küste Schutz zu suchen, um ihre Schäden auszubessern.

Die Bai Guyot-Duclos ist ein ausgezeichneter Ankerplatz, wo man bei sechs bis acht Faden Tiefe guten Grund findet. Bougainville hielt hier an, um seine Wassertonnen neu zu füllen und sich womöglich etwas frisches Fleisch zu verschaffen; er fand aber nur eine kleine Zahl wilder Thiere. Zunächst lief man nun die Landspitze St. Anna an. Hier hatte Sarmiento im Jahre 1581 die Kolonie Philippeville gegründet. In einem vorhergehenden Abschnitte haben wir schon die schreckliche Katastrophe geschildert, in Folge welcher diese Stelle den Namen »Port Famine« erhielt. Die Franzosen entdeckten bald verschiedene Baien, Caps und kleine Häfen, in welche sie einliefen. Es waren das die Bai[96] Bougainville, wo die »Etoile« gekielholt wurde, der Hafen »Beau-Bassin«, die Cormandière-Bai, an der Küste von Feuerland das Cap »Forward«, das die südlichste Spitze der Meerenge und Patagoniens bildet, die »Cascade-Bai« auf Feuerland, deren Sicherheit und guter Ankergrund, neben der Leichtigkeit, sich hier Holz und Wasser zu beschaffen, aus ihr ein Plätzchen machen, das dem Seefahrer nichts zu wünschen übrig läßt.


Man ließ sie tanzen. (S. 98.)
Man ließ sie tanzen. (S. 98.)

Die Häfen, welche Bougainville entdeckte, haben auch noch den Vorzug, daß man von ihnen aus bequem laviren kann, um das Cap Forward, einen wegen seiner ungestümen und widrigen[97] Winde, die man hier allzu häufig antrifft, allgemein gefürchteten Punkt, zu umsegeln.

Den Anfang des Jahres 1768 verlebte man in der Fortescue-Bai, in deren Grunde sich der Hafen Galant öffnet, dessen Gestalt de Gaines schon früher sehr genau aufgenommen hat. Ein abscheuliches Wetter, von dem der schlechteste Winter in Paris keine Vorstellung aufkommen läßt, hielt die französische Expedition hier drei Wochen lang zurück. Sie wurde unterdessen von einer Gesellschaft »Pescherähs«, das sind Bewohner von Feuerland, besucht, welche auch die Schiffe bestiegen.

»Man ließ sie singen, tanzen, sagt der Bericht, Instrumente hören und vor Allem essen, was sie mit gutem Appetit thaten. Ihnen war Alles recht, Brot, Salzfleisch, Talg, sie verzehrten eben, was man ihnen vorsetzte.... sie zeigten kein Erstaunen, weder über die Schiffe selbst, noch über andere Gegenstände, die man ihnen zeigte, was ohne Zweifel daher rührt, daß man schon einige elementare Vorstellungen haben muß, um die Werke der Menschenhand zu bewundern. Diese rohen Menschen betrachteten die Meisterwerke der Industrie wie die Naturerscheinungen als etwas selbstverständliches. Sie sind klein, behend, mager und verbreiten einen unausstehlichen Geruch um sich. Dabei gehen sie beinahe nackt, denn sie tragen nur schlechte Felle von Meerwölfen, welche noch dazu zu klein sind, um sie zu umhüllen.... Die Frauen sind häßlich und ihre Männer scheinen sich blutwenig um sie zu bekümmern.... Diese Wilden wohnen, Männer, Frauen und Kinder bunt durcheinander, in niedrigen Hütten, in deren Mitte ein Feuer brennt. Sie nähren sich vorzüglich von Muschelthieren, doch benützen sie zur Jagd auch Hunde und Schlingen von Walfischbarten.... Uebrigens sind es gutmüthige Leute, freilich gleichzeitig so schwächlicher Natur, daß darauf nicht sehr viel zu geben ist. Von allen Wilden, die ich gesehen habe, trugen die Pescherähs die wenigste Kleidung.«

Der Aufenthalt an diesem Orte sollte noch durch einen traurigen Zwischenfall bezeichnet werden. Ein Kind von etwa zehn Jahren war an Bord gekommen, und man hatte ihm einige Stückchen Glas und Spiegelscherben gegeben, ohne zu ahnen, welchen Gebrauch es davon machen würde. Diese Wilden haben, wie es scheint, die Gewohnheit, Talgstückchen als Talisman in die Kehle zu stecken. Der Knabe hatte es mit dem Glase ebenso machen wollen; als die Franzosen abfahren wollten, sahen sie, wie jener sich schmerzhaft wand und Blut erbrach. Sein Rachen und Zahnfleisch waren tief zerschnitten. Trotz der Beschwörungen[98] und Abreibungen eines Zauberers, oder vielleicht gar in Folge der gar zu energischen Behandlungsweise desselben, litt das Kind entsetzliche Qualen und gab auch bald darauf seinen Geist auf. Das war für die Pescherähs das Signal zur allgemeinen Flucht. Sie glaubten ohne Zweifel, die Franzosen hätten sie behext und sie müßten Alle auf diese Weise umkommen.

Als die »Boudeuse« dann am 16. Januar die Insel Rupert zu erreichen suchte, wurde sie von der Strömung bis auf eine halbe Kabellänge in die Nähe des Ufers getrieben. Der schleunigst ausgeworfene Anker zerbrach und die, Fregatte hätte, ohne einen zum Glück aufspringenden Landwind, unrettbar scheitern müssen. Man sah sich in Folge dessen genöthigt, nach dem Hafen Galant zurückzukehren. Das geschah übrigens gerade zur rechten Zeit, denn am anderen Tage wüthete ein entsetzlicher Sturm.

»Nachdem wir im Hafen Galant sechsundzwanzig Tage lang von unbeständigen und widrigen Winden heimgesucht worden waren, reichten sechsunddreißig Stunden einer so günstigen Brise, wie ich sie kaum je erlebt habe, hin, uns bis zum Pacifischen Ocean zu treiben, eine Segelfahrt, welche bezüglich der Schnelligkeit, mit der wir von genanntem Hafen bis nach der Mündung der Meerenge gelangten, wohl einzig dastehen dürfte. Ich schätze die Gesammtlänge der Meerenge vom Cap der Jungfrauen bis zu dem der Pfeiler auf etwa hundertvierzig Meilen. (Heute wissen wir, daß die Magelhaens-Straße sechshundert Kilometer lang ist.) Wir brauchten in Allem zweiundfünfzig Tage zur Fahrt durch dieselbe.... Trotz der Schwierigkeiten, die wir dabei zu überwinden hatten (und hier stimmt Byron auch mit Bougainville überein), würde ich doch diesen Weg stets dem um das Cap Horn herum vorziehen, wenigstens in der Zeit von Ende September bis Ende März, in den anderen Monaten des Jahres freilich lieber auf dem offenen Meere segeln. Widrige Winde und schwerer Seegang sind an sich keine Gefahren, während es unklug ist, nahe zwischen zwei Ländern im Finstern herumzutappen. Immer wird man in der Meerenge einige Zeit aufgehalten werden, doch ist diese Zeit nicht als gänzlich verloren zu betrachten. Man findet in derselben vieles und gutes Wasser, Holz, Muscheln, stellenweise auch schöne Fische, und ich bin überzeugt, daß der Scorbut einer Mannschaft viel mehr mitspielt, die um das Cap Horn gesegelt ist, als derjenigen, die durch die Magelhaens-Straße in das westliche Meer gelangte. Als wir aus derselben herauskamen, hatten wir keinen einzigen Kranken.«[99]

Die Ansicht Bougainville's hat bis in die letzte Zeit viele Widersacher gefunden und die von ihm so warm empfohlene Route wurde von den Seefahrern fast vollständig vernachlässigt. Mit noch größerem Rechte geschieht das heutzutage, wo der Dampf das Seewesen vollkommen umgestaltet und alle Bedingungen der Nautik verändert hat.

Kaum war er in die Südsee gelangt, als Bougainville zu seinem Erstaunen südliche Winde antraf. Er mußte in Folge dessen darauf verzichten, die Insel Juan-Fernandez anzulaufen, was er von vornherein im Willen hatte.

Mit dem Befehlshaber der »Etoile« war Verabredung dahin getroffen worden, daß die beiden Schiffe, um einen größeren Theil des Meeres übersehen zu können, soweit von einander entfernt segeln sollten, als das möglich war, ohne einander aus den Augen zu verlieren, und daß die Flute jeden Abend bis auf eine halbe Meile in die Nähe der Fregatte zurückkehren sollte, so daß das kleine Schiff, wenn die »Boudeuse« eine Gefahr bemerkte, derselben entgehen konnte.

Bougainville sachte nach der Osterinsel eine Zeit lang vergeblich. Dann erreichte er im Monat März den Breitengrad der auf Bellin's Karte irrthümlicher Weise unter dem Namen Quiros-Inseln verzeichneten Länder und Inseln. Am 22. desselben Monats bekam er vier Eilande in Sicht, denen er den Namen »die vier Facardines« beilegte und welche einen Theil des Gefährlichen Archipels bilden, jener Anhäufung niedriger, halb mit Wasser bedeckter Sternkorallen-Wucherungen, welche aufzufinden alle Seeleute, die durch die Magelhaens-Straße oder um das Cap Horn herum in die Südsee steuerten, sich das Wort gegeben zu haben scheinen. Etwas weiter hin wurde eine fruchtbare, von gänzlich nackt gehenden Wilden bewohnte Insel entdeckt, welch' letztere lange Spieße mit drohenden Geberden schwangen, woher jene den Namen »Insel der Lanciers« erhielt.

Wir wollen hier nicht wiederholen, was wir über die Natur der Insel, über die Schwierigkeit der Landung an derselben und über die wilde und ungastliche Bevölkerungschon mehrfach zu sagen Gelegenheit hatten. Diese Insel der Lanciers z.B. ist dieselbe, welche Cook Thrum-Cap nannte, und Bougainville's Insel de la Harpe, die er am 24. entdeckte, entsprach der Insel Bow desselben Seefahrers.

Da der Befehlshaber wußte, daß Roggeween bei der näheren Untersuchung dieser Gegend beinahe umgekommen wäre, und der Ansicht war, daß deren[100] weitere Kenntnißnahme die damit verknüpften Gefahren in keiner Weise aufwöge, segelte er sofort nach Süden und verlor bald den ausgedehnten Archipel aus dem Auge, der sich auf eine Länge von fünfhundert Meilen hin erstreckte und nicht weniger als sechzig Einzelinseln und Inselgruppen umfaßte.

Am 2. April sah Bougainville einen hohen und steilen Berg, dem er den Namen »Pic de la Boudeuse« gab. Es war die Insel Maïtea, welche Quiros schon »La Dezana« getauft hatte. Am 4. befanden sich die Schiffe bei Sonnenaufgang in Sicht von Tahiti, einer langen Insel, die aus zwei, durch eine kaum eine Meile breite Landzunge verbundenen Halbinseln besteht.

Ueber hundert Piroguen mit Auslegern umschwärmten bald die beiden Schiffe; sie waren mit Cocosnüssen und anderen köstlichen Früchten beladen, welche man ohne Schwierigkeit gegen allerhand Kleinigkeiten eintauschte. Bei einbrechender Nacht erglänzte das Ufer von tausend Feuern, die man vom Bord durch einige Raketen beantwortete.

»Der Anblick dieser amphitheatralisch aufsteigenden Küste, sagt Bougainville, bot uns ein reizendes Bild. Obgleich die Berge sich hier zu beträchtlicher Höhe erheben, so zeigt sich doch nirgends das nackte Gestein; Alles ist dicht mit Holz bedeckt. Wir trauten kaum unseren Augen, als wir einen bis zum äußersten, isolirten Gipfel mit Bäumen bestandenen Spitzberg erblickten, der sich etwa in der Mitte der Insel über die anderen Berggruppen erhob; er schien nicht mehr als dreißig Toisen im Durchmesser zu haben und nahm weiter oben immer mehr an Dicke ab; aus der Ferne hätte man denselben wohl für eine ungeheure Pyramide halten können, welche die Hand eines gewandten Decorateurs mit Blätterguirlanden geschmückt hatte. Das weniger hoch gelegene Land enthält da und dort Wiesen und Buschwerk, und längs des ganzen Ufers zieht sich nahe dem Strande, am Fuße des Oberlandes, ein Streifen niedriger, dicht mit Pflanzenwuchs bedeckter Erde hin. Hier gewahrten wir auch inmitten der Bananen, Cocospalmen und anderer mit Früchten beladener Bäume die Wohnungen der Insulaner.«

Der ganze nächstfolgende Tag wurde mit dem Tauschhandel hingebracht. Außer den Früchten boten die Eingebornen auch Hühner, Tauben, Fischerei-Geräthschaften, Werkzeuge, Stoffe und Muscheln an, für welche sie Nägel und Ohrgehänge verlangten. Am 6. Morgens, nachdem man drei Tage lang an der Küste hin gekreuzt, um eine sichere Rhede zu finden, entschloß sich Bougainville, in der Bai vor Anker zu bleiben, die er am Tage seiner Ankunft gesehen hatte.[101]

»Der Zuzug von Piroguen, sagte er, war rings um die Schiffe so stark, daß wir viele Mühe hatten, uns inmitten der Menge und des Geräusches am Ufer festzulegen. Alle kamen mit dem Rufe: ›Tayo!‹, was Freunde bedeuten soll, und suchten ihre wohlwollende Gesinnung durch allerlei andere Zeichen auszudrücken. In den Booten befanden sich auch viele Frauen, welche an Gestalt den meisten Europäern kaum etwas nachgaben und an Körperschönheit wohl mit allen wetteifern könnten.«

Bougainville's Koch hatte trotz des ergangenen Verbotes es doch zu ermöglichen gewußt, zu entwischen und an's Land zu gehen. Kaum aber daselbst angekommen, wurde er von einer zahlreichen Menge umringt, die ihn vollständig auskleidete, um alle Theile seines Körpers in Augenschein zu nehmen. Er wußte natürlich nicht, was man mit ihm vornehmen würde, und hielt sich schon für verloren, als man ihm seine Kleider wieder zustellte und ihn die Eingebornen mehr todt als lebendig nach dem Schiffe zurückbrachten. Bougainville wollte ihn noch tadeln, der arme Kerl behauptete aber, er könne ihm drohen, mit was er nur wolle, so würde er ihm damit nicht so viel Angst einjagen, als er auf dem Lande schon ausgestanden habe. Sobald das Schiff vertäut lag, ging auch Bougainville in Begleitung mehrerer Officiere an's Land, um einen Wasserplatz zu suchen. Schnell umringte ihn eine ungeheure Menschenmenge, die ihn mit größter Neugier betrachtete und immerfort »Tayo! Tayo!« schrie. Ein Eingeborner nöthigte ihn in sein Haus und setzte ihm Früchte, geröstete Fische und Wasser vor. Bei der Rückkehr nach dem Strande wurden die Franzosen von einem hübsch gewachsenen Insulaner aufgehalten, der unter einem Baume liegend ihnen anbot, den Rasen, der ihm als Lagerstatt diente, mit ihm zu theilen.

»Wir erfüllten seinen Wunsch, sagt Bougainville. Der Mann neigte sich dann zu uns und sang leise, in Begleitung einer Art Flöte, die ein Anderer mit der Nase blies, ein Lied von scheinbar anakreontischem Charakter; eine reizende und des Pinsels eines Boucher würdige Scene. Vertrauungsvoll gingen vier Insulaner mit an Bord, speisten mit Vergnügen und blieben daselbst über Nacht. Wir spielten ihnen Einiges auf der Flöte, der Baßgeige und auf der Violine vor und brannten zu ihrer Belustigung ein kleines Feuerwerk von Raketen und Schwärmern ab. Dieses Schauspiel erregte zwar ihr freudiges Erstaunen, aber erschreckte sie doch ein wenig.«

Bevor wir weiter gehen und andere Auszüge aus Bougainville's Bericht mittheilen, halten wir uns für verpflichtet, den Leser darauf aufmerksam zu[102] machen, daß er diese, Virgil's Idyllen in den bukolischen Gesängen würdigen Bilder nicht etwa zu genau nimmt. Die fruchtbare Phantasie des Erzählers sacht offenbar Alles zu verschönern. Der reizende Anblick, den er vor Augen hat, die pittoreske Natur genügen ihm noch nicht, und er glaubt seiner Schilderung noch mehr Lichter aufsetzen zu müssen, während er sie damit nur überladet. Jedenfalls vollendete er seine Arbeit in gutem Glauben und gewiß halb unbewußt. Man darf eben allen diesen Beschreibungen nicht in allen Punkten trauen. Für diese damals zeitgemäße Richtung findet sich ein wahrhaft merkwürdiger Beweis in dem Berichte über die zweite Reise Cook's. Hodges, der die Expedition als Maler begleitete, führt uns auf einem Bilde, das die Landung der Engländer an der Insel Middelbourgh darstellt, Leute vor, welche kein Mensch für Bewohner der oceanischen Welt halten, sondern die Jedermann in Hinblick auf ihre Toga weit eher für Zeitgenossen des Cäsar oder Augustus ansehen würde. Und doch hatte der Maler die Originale vor Augen, also unschwer Gelegenheit, eine Scene, deren Zeuge er gewesen, in aller Treue wiederzugeben. Heutzutage trägt man der Wahrheit doch strenger Rechnung. Da sind die Berichte der Reisenden nicht durch unnützen Plunder oder falschen Schmuck entstellt. Verfallen sie dadurch auch in den Ton der trockenen Darstellung, der dem gewöhnlichen Leser nicht gefällt, so findet dafür der Gelehrte in ihnen doch eine verläßliche Quelle und die Bausteine zu einer für den Fortschritt der Wissenschaften nützlichen Arbeit.

Wir folgen nun unserem Erzähler weiter.

An dem Ufer des kleinen, im Hintergrunde der Bai mündenden Flusses ließ Bougainville seine Kranken unterbringen und stellte auch Wasserfässer mit einer Wache zu deren Sicherheit auf. Diese Anordnungen erregten doch einigermaßen das Mißtrauen und den Verdacht der Eingebornen. Letztere gestatteten den Fremdlingen zwar gern, an's Land zu gehen und während des Tages auf ihrer Insel umherzuschweifen, wünschten aber offenbar, daß diese sich wenigstens während der Nacht nach den Schiffen zurückbegäben. Bougainville bestand aber auf seinem Willen und bestimmte nur im voraus die Dauer seines Aufenthaltes.


Insel der Lanciers. (S. 100.)
Insel der Lanciers. (S. 100.)

Von diesem Augenblick an war das beste Einvernehmen wieder hergestellt. Für die vierunddreißig Scorbutkranken und ihre dreißig Wärter und Wächter wurde ein großer Schuppen eingerichtet und auf allen Seiten verschlossen, so daß er nur einen einzigen Eingang behielt, vor dem die Eingebornen eine Menge Gegenstände aufstapelten, die sie austauschen wollten. Die einzige Unannehmlichkeit,[103] die man hier zu erdulden hatte, bestand darin, daß man Alles, was an's Land gebracht worden war, stets im Auge behalten mußte, »denn in ganz Europa giebt es nicht so gewandte Spitzbuben, als diese Leute hier«. Einer löblichen Gewohnheit, welche nach und nach allgemeiner wurde, folgend, beschenkte Bougainville den Häuptling der Ansiedlung mit ein Paar Truthühnern, nebst männlichen und weiblichen Canarienvögeln, und ließ ein Stück Land in Stand setzen, das er mit Roggen, Gerste, Hafer, Reis, Mais, Zwiebeln und dergleichen besäete.[104]

Am 10. ward ein Eingeborner durch einen Schuß getödtet, ohne daß Bougainville, trotz der strengsten Nachforschungen, den Urheber des abscheulichen Mordes ausfindig zu machen vermochte. Die Eingebornen glaubten offenbar, daß ihr Landsmann den Fremden zuerst Unrecht gethan haben werde, und führten dem Markte ihre Erzeugnisse mit unerschüttertem Vertrauen nach wie vor zu.


Piroguen der Marquesas-Inseln. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 101.)
Piroguen der Marquesas-Inseln. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 101.)

Der Befehlshaber wußte recht wohl, daß die Rhede keinen guten Schutz gewährte und der Meeresgrund aus großen Korallen bestand. Am 12. fügte die »Boudeuse«, von der der Greling (kleinstes Kabeltau) eines Ankers sich an[105] den Korallen zerschnitten hatte, der »Etoile« schwere Beschädigungen zu, indem sie auf letztere lostrieb. Während die Mannschaft an Bord noch mit Ausbesserung derselben beschäftigt und ein Boot ausgefahren war, um eine andere Durchfahrt zu suchen, welche es den beiden Schiffen dann gestattet hätte, bei jedem Winde auszulaufen, hörte Bougainville, daß drei Insulaner in ihren Hütten durch Bajonettstiche getödtet worden waren und daß die Eingebornen auf diese Schreckensnachricht hin Alle in das Innere entflohen seien.

Ohne Rücksicht auf die den Schiffen drohende Gefahr ging der Kapitän sofort an's Land und ließ die Urheber jenes Verbrechens in Ketten legen, das ja leicht ein ganzes Volk gegen die wenigen Franzosen hätte aufhetzen können. Dank dieser schnellen und strengen Maßregel, beruhigten sich die Einwohner und die Nacht verlief ohne Zwischenfall.

Uebrigens machten derlei Vorkommnisse Bougainville noch nicht die meiste Sorge. Er kehrte also so schnell als möglich nach seinem Schiffe zurück. Während eines starken Hagelschauers mit heftigen Windstößen, grobem Seegang und mächtigem Donner wären die beiden Fahrzeuge beinahe an die Küste geworfen worden, wenn sich nicht zur rechten Zeit ein frischer Wind vom Lande erhoben hätte. Die Anker-Grelinge rissen und es fehlte wenig, so wären die Schiffe auf die Klippen getrieben worden, wo sie natürlich bald in Stücke gehen mußten. Die »Etoile« konnte glücklicher Weise die hohe See gewinnen und bald gelang das auch der »Boudeuse«, wobei sie auf dieser Rhede nicht weniger als sechs Anker zurückließen, die ihnen auf der ferneren Reise gewiß von großem Nutzen gewesen wären.

Kaum wurden die Eingebornen die nahe bevorstehende Abfahrt der Franzosen gewahr, als sie mit Stärkungsmitteln aller Art in großer Menge herzuströmten. Gleichzeitig sprach ein Eingeborner, Namens Aoturu, den Wunsch aus, der ihm auch gewährt wurde, Bougainville auf seiner Reise zu begleiten. In Europa angelangt, wohnte Aoturu elf Monate über in Paris, wo er bei der besten Gesellschaft die wohlwollendste Aufnahme fand. Als er im Jahre 1770 nach seiner Heimat zurückkehren wollte, benutzte die Regierung eine sich bietende Gelegenheit, ihn zunächst nach Isle de France zu bringen. Von hier aus sollte er sich, sobald es die Jahreszeit erlaubte, nach Tahiti begeben; er starb aber auf dieser Insel, ohne nach seiner Heimat die reichliche Ladung an nützlichen Werkzeugen, Sämereien und Thieren überführen zu können, die ihm von Seite der französischen Regierung geschenkt worden war.[106]

Tahiti, das wegen der Schönheit seiner Frauen von Bougainville den Namen »Neu-Kithere« erhielt, ist die größte Insel der Gruppe der Gesellschafts-Inseln. Obgleich von Wallis, wie wir früher erwähnten, schon besucht, fügen wir noch einige Nachrichten hinzu, die man Bougainville zu verdanken hat.

Die hauptsächlichsten Erzeugnisse waren damals Cocosnüsse, Bananen, Brotbäume, Yamswurzeln, Curasol, Zuckerrohr u.s.w. Der auf der »Etoile« eingeschiffte Naturforscher de Commerson fand hier die Flora Indiens wieder. An Vierfüßlern gab es nur Schweine, Hunde und Ratten, die letzteren in großer Menge.

»Das Klima ist so gesund, sagt Bougainville, daß trotz der hier vorgenommenen anstrengenden Arbeiten und trotzdem, daß unsere Leute hier beständig halb im Wasser und der brennenden Sonne ausgesetzt waren, auch auf der blanken Erde unter freiem Himmel schliefen, doch kein Mensch erkrankte. Die Scorbutkranken, die wir an's Land brachten und welche daselbst kaum eine völlig ruhige Nacht gehabt haben, erlangten ihre Kräfte wieder und erholten sich in ganz kurzer Zeit so weit, daß sie als geheilt an Bord zurückkehren konnten. Welche schlagendere Beweise könnte man wohl verlangen für die Heilsamkeit der Luft und der Lebensweise der Urbewohner, als die Gesundheit und Kraftfülle derselben, obwohl sie in Häusern wohnen, welche allen Winden offen stehen und die Erde, die ihnen als Lagerstatt dient, kaum mit einigen Blättern bedecken; als das glückliche Alter, das sie ohne Beschwerde erreichen, die Feinheit ihrer Sinne und die auffallende Schönheit der Zähne, die man auch noch bei den Bejahrtesten beobachtet!«

Der Charakter dieser Völker erschien sanft und gutmüthig. Wenn eigentliche Bürgerkriege unter ihnen auch deshalb nicht vorkommen, weil das Land in kleine, unter je einem unabhängigen Häuptling stehende Districte zerfällt, so giebt es doch nicht selten Streitigkeiten mit den Bewohnern der benachbarten Inseln. Nicht zufrieden damit, die mit bewaffneter Hand gefangenen Männer und Knaben zu tödten, ziehen sie den ersteren auch noch die Kinnhaut mit dem Barte ab und heben diese gräßliche Trophäe sorgfältig auf. Ueber ihre Religion und sonstigen Gebräuche konnte Bougainville nur unbestimmte Nachrichten sammeln. Nur den Cultus, den sie den Verstorbenen widmen, vermochte er besser kennen zu lernen. Sie bewahren die Leichen nämlich sehr lange Zeit an der freien Luft auf einer Art Schaffot, das mit einer Art Hängematte überdeckt wird. Trotz des üblen Geruches, den die in Fäulniß übergehenden Cadaver[107] ausströmen, wehklagen die Frauen doch jeden Tag eine Zeit lang neben diesen Monumenten und benetzen die widerwärtigen Ueberbleibsel ihrer Lieben mit Thränen und – mit Cocosöl.

Die Erzeugnisse des Bodens gedeihen hier so reichlich und verursachen so wenig Arbeit, daß Männer und Frauen sonst fast stets in süßem Nichtsthun hin leben. Dabei erscheint es gar nicht so auffallend, daß die Letzteren für die Todtenklagen so viel Zeit übrig haben. Tanz, Gesang, langdauernde Plaudereien voll ungezwungener Heiterkeit haben bei den Bewohnern von Tahiti eine so leichte Fassungsgabe und einen so beweglichen Geist entwickelt, daß es selbst die Franzosen wundernahm, welche man doch nicht für sehr ernsthaft hält, ein Vorwurf, der ihnen freilich meist von Denen gemacht wird, die nicht so lebhaft, heiter und geistreich sind wie sie. Es war fast unmöglich, die Aufmerksamkeit der Ureinwohner längere Zeit zu fesseln. Alles interessirte, aber nichts beschäftigte dieselben. Trotz dieses Mangels an Reflexion waren sie doch gewerbfleißig und ziemlich geschickt. Ihre Piroguen z.B. schienen ebenso zweckmäßig wie solid gebaut. Angeln und Fischereigeräthe waren sehr sorgfältig gearbeitet. Ihre Netze glichen ganz den unsrigen. Die aus der Rinde eines gewissen Baumes hergestellten Stoffe waren künstlich gewebt und mit glänzenden Farben geschmückt.

Wir glauben den Eindruck, den Bougainville von den Tahitiern mit hinwegnahm, dahin zusammenfassen zu können, daß wir sagen, sie sind ein Volk von »Lazzaronis«.

Am 16. April befand sich Bougainville um acht Uhr Morgens etwa zehn Meilen nördlich von Tahiti, als er unter dem Winde Land bemerkte. Obwohl das selbe drei Inseln zu bilden schien, bestand es doch nur aus einer einzigen. Es hieß, nach Aoturu's Aussage, Omaitia. Der Befehlshaber, der sich hier nicht weiter aufhalten wollte, suchte auf seinem Wege nun vorzüglich die Inseln der Gefahr zu vermeiden, da ihm Roggeween's Unfälle bekannt waren. Während des ganzen Monats April blieb übrigens das Wetter sehr schön und der Wind mäßig.

Am 3. Mai steuerte Bougainville auf ein neues, eben entdecktes Land zu und gewahrte an anderen Stellen auch noch weitere Inseln. Die Küste der größten derselben erschien sehr steil; sie bestand in der That nur aus einem bis zum Gipfel mit Bäumen besetzten Berge, ohne Thäler und Strandgebiet. Man bemerkte auf derselben einige Feuer und vereinzelte im Schatten von Cocosbäumen errichtete Hütten, während etwa dreißig Männer am Ufer hin und her liefen.[108]

Gegen Abend näherten sich den Schiffen einige Piroguen, und nach kurzem, sehr erklärlichem Zaudern begann der Tauschhandel. Für ihre Cocosnüsse, Goyaven und ziemlich schlechten Stoffe, welche wenigstens denen auf Tahiti nachstanden, verlangten die Eingebornen vorzüglich nach Stückchen von rothem Tuche, wiesen aber Eisen, Nägel und Ohrgehänge verächtlich zurück, die Gegenstände, welche auf dem Bourbonen-Archipel, mit welchem Namen Bougainville die Tahiti-Gruppe bezeichnet, so großen Anklang gefunden hatten. Brust und Oberschenkel bis zum Knie liebten die Eingebornen tief blau zu färben; Bart trugen sie nicht, das Haar dagegen in einem starken Bündel auf dem Scheitel befestigt.

Am nächsten Tage sah man noch mehrere zu demselben Archipel gehörige Inseln. Ihre scheinbar sehr wilden Bewohner wagten niemals in die Nähe der Schiffe zu kommen.

»Die Länge dieser Insel, heißt es in dem Berichte, ist ungefähr dieselbe, auf der Abel Tasman zu sein glaubte, als er die Inseln Amsterdam, Rotterdam und Prinz Wilhelm, sowie die Fleenskerk-Untiefen entdeckte. Es ist auch nahezu dieselbe wie die der Salomons-Inseln. Uebrigens deuteten die Piroguen, welche wir in der Richtung nach Süden auf die hohe See hinausfahren sahen, darauf hin, daß dort noch weitere Inseln liegen müssen. Diese Länder scheinen demnach eine, sich unter demselben Meridian hinstreckende Kette zu bilden. Die Inseln, welche man den Schiffer-Archipel nennt, liegen unter 14° südlicher Breite, und zwar 171 und 172° westlicher Länge von Paris.«

Nach dem Verbrauche der frischen Nahrungsmittel fing der Scorbut wieder an sich zu zeigen. Man mußte also daran denken, irgendwo an's Land zu gehen. Am 21. desselben Monats wurden die Inseln Pentecosta, Aurora und die Leprosen wahrgenommen, welche den von Quiros im Jahre 1606 entdeckten Archipel der Neuen Hebriden bilden. Da eine Landung bequem ausführbar erschien, beschloß der Commandant, eine Abtheilung aus Land zu senden, um Cocosnüsse und andere antiscorbutische Früchte zu holen. Im Laufe des Tages schloß sich auch Bougainville selbst jener an. Die Matrosen fällten Holz und die Eingebornen halfen jenen, es zu verladen. Trotz dieses scheinbar guten Verhältnisses entschlugen sich die Letzteren doch nicht gänzlich alles Mißtrauens und behielten ihre Waffen in Händen; selbst Diejenigen, welche keine solche bei sich führten, hatten große Steine neben sich, um diese zur Vertheidigung zu gebrauchen. Nach hinlänglicher Belastung der Boote mit Holz und, Früchten schiffte Bougainville[109] seine gesammte Mannschaft wieder ein. Da drängten die Eingebornen in dichter Menge heran und überschütteten die Abfahrenden mit einem Hagel von Pfeilen, Lanzen und Zagaien; Einzelne sprangen sogar in's Wasser, um die Franzosen besser angreifen zu können. Da mehrere in die Luft abgefeuerte Schüsse keine Wirkung auf die Wilden hervorbrachten, so vertrieb man dieselben mit einer wohlgezielten Gewehrsalve.

Wenige Tage später kam ein Boot, das an der Leprosen-Insel nach einer Ankerstelle sachte, in die Lage, angegriffen zu werden. Nachdem es zwei Pfeile erhalten, gaben die Leute Feuer und unterhielten dasselbe dann so lebhaft, daß Bougainville seine Mannschaft in ernstlicher Gefahr glaubte. Bei diesem Zusammentreffen fielen zahlreiche Opfer; die in die Wälder entflohenen Wilden stießen ein entsetzliches Geheul aus. Es war ein wirkliches Blutbad. Sehr beunruhigt über das andauernde Schießen, wollte der Commandant dem Boote schon noch ein zweites zu Hilfe schicken, als er das andere um die Ecke kommen sah. Er ließ dasselbe sofort zu sich rufen. »Ich ergriff darauf, sagt er, die strengsten Maßregeln, um uns nicht wieder durch einen solchen Mißbrauch unserer überlegenen Kräfte zu entehren.«

Welche traurige Erscheinung, die Seefahrer immer und immer wieder ihre Macht so leichtsinnig mißbrauchen zu sehen! Empört diese Wuth, zu zerstören, ohne jeden Grund, jede Nothwendigkeit, ja, ohne nur dazu gereizt zu sein, nicht jedes bessere Gefühl? Welcher Nation die Entdeckungsreisenden auch immer angehören mögen, stets sehen wir sie dasselbe Verbrechen begehen. Man hat also gar keine Ursache, nur dem oder jenem Volke einen derartigen Vorwurf zu machen, er trifft leider die ganze Menschheit.

Nachdem sich Bougainville mit dem Nothwendigsten versorgt, stach er wieder in See.

Der Seefahrer scheint vorzüglich darauf ausgegangen zu sein, recht viel neue Entdeckungen zu machen, denn er nimmt alle Länder, die er antrifft, nur sehr oberflächlich, sozusagen im Fluge in Augenschein, und von allen seinem Berichte beigefügten, übrigens sehr zahlreichen Karten umfaßt nicht eine einzige weder einen ganzen Archipel, noch löst sie die Fragen, die man bei einer neuen Entdeckung wohl zu stellen berechtigt ist. Kapitän Cook verfuhr nicht auf dieselbe Weise. Seine sorgfältigen, mit großer Ausdauer durchgeführten Untersuchungen sichern ihm schon deshalb allein einen weit höheren Rang als dem französischen Seefahrer.[110]

Die Länder, welche die Franzosen eben aufgefunden hatten, waren keine anderen als die Inseln des Heiligen Geistes. Malicolo nebst St. Barthelemy und die dazu gehörigen Eilande. Obwohl er nun die Identität dieser Gruppe mit Quiros' Tierra del Espiritu-Santo erkannte, konnte Bougainville doch nicht umhin, ihr einen neuen Namen zu geben, und nannte er sie den Archipel der »Grünen Cycladen«, eine Benennung, für die man in späterer Zeit den Namen die »Neuen Hebriden« einführte.

»Ich glaube wohl, sagt er, daß das Land hier der nördlichste Punkt des schon von Roggeween unter dem 11. Breitengrade gesehenen ist, das er damals Tienhoven und Gröningen taufte. Uns schien, als wir hier landeten, Alles darauf hinzudeuten, daß wir uns im südlichen Theile der Tierra del Espiritu-Santo befanden. Unsere eigenen Beobachtungen stimmten mit Quiros' Bericht vollständig überein, und was wir zu Augen bekamen, reizte uns nur zu neuen Nachforschungen. Eigenthümlich ist es, daß wir, genau unter der nämlichen Breite und Länge, unter welcher Quiros seine große Bai St. Jaques und St. Philippe verlegt, und an einer Küste, die man auf den ersten Blick für die eines Festlandes halten könnte, eine Durchfahrt auffanden, genau von derselben Breite, die er der Oeffnung seiner Bai giebt. Sollte der spanische Seefahrer hier falsch gesehen haben? Sollte er über seine Entdeckungen absichtlich haben einige Unklarheit bestehen lassen? Sollten die Geographen durch eignes Hinzuthun das Land des Heiligen Geistes mit Neu-Guinea verwechselt haben? Um dieses Problem zu lösen, mußte man demselben Breitengrade etwa noch auf dreihundertfünfzig Meilen folgen. Ich entschloß mich dazu, obwohl der Zustand und die Menge unserer Nahrungsmittel es rathsam erscheinen ließen, sobald als möglich eine europäische Niederlassung aufzusuchen. Man wird sehen, daß wir nahe daran waren, die Opfer unserer Ausdauer zu werden.«

Während sich Bougainville hier aufhielt, riefen ihn verschiedene dienstliche Angelegenheiten nach seinem Begleitschiffe der »Etoile«, wo er eine eigenthümliche Thatsache constatirte, welche doch schon längere Zeit der Gegenstand der Unterhaltung der Mannschaft gewesen war. Der Naturforscher de Commerson hatte als Diener einen gewissen Barré. Dieser, ein unermüdlicher, intelligenter Mensch und selbst schon geübter Botaniker nahm an allen Ausflügen seines Herrn Theil und trug stets die Küsten, Lebensmittel, Waffen und Pflanzenhefte, so daß er sich den Beinamen »das Saumthier« erworben hatte.


Das Abenteuer Barré's. (S. 112.)
Das Abenteuer Barré's. (S. 112.)

Seit einiger Zeit hieß es nun plötzlich, Barré sei ein Weib. Sein glattes Gesicht, der Ton[111] der Stimme, seine Zurückhaltung und einige andere Zeichen schienen diesen Verdacht zu bestätigen, als ein Vorkommniß auf Tahiti denselben zur Gewißheit erhob.

De Commerson war an's Land gegangen, um zu botanisiren, und Barré begleitete ihn wie gewöhnlich mit dem ganzen Geräthe, als Letzterer plötzlich von Eingebornen umringt wurde, welche mit dem Geschrei, er sei eine Frau, sich schon anschickten, ihre Behauptungen zu bestätigen. Ein Fähnrich, Herr von Bournand, hatte große Mühe, ihn den Händen derselben zu entreißen und nach dem Boote zurückzubringen.[112]

Während seines Aufenthaltes auf der »Etoile« ließ sich Barré dem Befehlshaber gegenüber zu einem Geständniß herbei. In Thränen aufgelöst, bekannte der Gehilfe des Naturforschers die Wahrheit und entschuldigte sich, seinen Herrn getäuscht zu haben, indem er sich diesem bei der Abreise in Männerkleidern vorstellte. Ohne Angehörige und durch einen Proceß ruinirt, hatte das junge Mädchen jene Verkleidung gewählt, um sich selbst besser durchzuhelfen. Sie wußte übrigens, als man an Bord ging, daß es galt, eine Erdumsegelung auszuführen, aber diese Aussicht erschreckte sie viel weniger, sondern bestärkte sie nur in ihrem Entschlusse.


Inseln der Louisiaden. (S. 115.)
Inseln der Louisiaden. (S. 115.)

»Das dürfte also die erste Frau sein, welche eine Reise um die Welt mitgemacht hat, sagt Bougainville, und ich muß ihr das Zeugniß geben, daß sie sich an Bord stets untadelhaft betragen hat. Sie ist weder häßlich, noch hübsch und mag sechsundzwanzig bis siebenundzwanzig Jahre zählen. Man wird zugeben, daß die Barré, wenn die Schiffe an einer einsamen Insel[113] verunglückt wären, gewiß die besten Aussichten für die Zukunft gehabt hätte.«

Am 29. Mai verlor die Expedition das Land aus dem Gesicht. Jetzt schlug man einen westlichen Kurs ein. Am 4. Juni zeigte sich unter 15°50' der Breite und 148°10' östlicher Länge eine gefährliche Klippe, welche so wenig über das Wasser emporragte, daß man sie in zwei Meilen Entfernung nicht einmal vom Top der Masten aus wahrnehmen konnte. Die Auffindung noch weiterer Risse, eine Menge dahertreibender Stämme, Früchte und ganze Seeeichen, sowie die verhältnißmäßige Ruhe des Meeres, Alles deutete auf die Nähe eines großen Landes in Südosten hin. Es war das »Neu-Holland«.

Bougainville beschloß nun, sich aus diesem gefährlichen Fahrwasser zurückzuziehen, wo er nichts zu finden hoffen durfte als ein mit Klippen und Untiefen erfülltes Meer. Auch noch ein anderer Grund drängte ihn, einen andern Weg einzuschlagen; sein Proviant ging zu Ende, das gesalzene Fleisch begann faulig zu werden und die Leute verzehrten lieber Ratten, wenn sie solche fangen konnten. Brot war nur noch für zwei Monate, Gemüse nur für vierzig Tage übrig. Alles wies darauf hin, nach Norden zurückzukehren.

Unglücklicher Weise legte sich der Wind von Süden, und als er wieder aufsprang, brachte er die ganze Expedition in die größte Gefahr. Am 10. Juni erblickte man Land im Norden, und zwar den Grund der Louisiaden-Bucht, welche den Namen »Orangerie-Sackgasse« erhalten hat. Das Land bot ein verlockendes Aussehen. Längs des Meeres hin dehnte sich ein niedriger Strand aus mit Bäumen und Gebüschen, deren balsamischer Duft bis zu den Schiffen herüberdrang, während sich der Erdboden allmählich amphitheatralisch nach den inneren Bergen hin erhob, die ihre hohen Wipfel in den Wolken verbargen.

Leider sollte es unmöglich werden, diesem reichen und fruchtbaren Gebiete einen Besuch abzustatten, ebenso wie im Westen eine nach dem Süden von Neu-Guinea führende Durchfahrt aufzusuchen, welche durch den Carpentaria-Golf auf dem kürzesten Wege nach den Molukken geführt hätte. Gab es überhaupt eine solche Straße? Es erschien das sehr zweifelhaft, denn man glaubte das Land sich ohne Ende nach Westen weiter erstrecken zu sehen. Jetzt galt es, so[114] schnell als möglich wieder aus dem Golfe herauszukommen, in den man sich unbesonnener Weise hineingewagt hatte.

Von einem Wunsche bis zu dessen Verwirklichung ist es aber immer weit. Vergeblich boten die beiden Schiffe bis zum 31. Juni Alles auf, um sich von dieser mit Klippen und Rissen übersäeten Küste nach Westen hin zu entfernen, da Wind und Strömungen sie an derselben festzuhalten gewillt schienen. Nebel und Regen trugen das ihrige dazu bei, daß man sich mit der begleitenden »Etoile« nur durch dann und wann gelöste Kanonenschüsse in Verbindung erhalten konnte. Sobald der Wind wechselte, wollte man sogleich auf das hohe Meer hinaussegeln; dieser wehte aber aus Ostsüdost, wobei man den etwa zurückgelegten Weg immer bald wieder verlor.

Während dieser bösen Kreuzfahrt mußten nun auch die Brot- und Gemüse-Rationen vermindert und ein strenges Verbot erlassen werden, altes Leder zu verzehren, während die letzte an Bord befindliche Ziege geopfert wurde.

Der Leser, welcher gemüthlich am Ofen sitzt, vermag sich kaum freilich eine Vorstellung davon zu machen, mit welcher Angst man in jenen unbekannten Meeren segelte, wo man an allen Seiten auf Risse stoßen oder dm.ch widrige Winde und unerwartete Strömungen in eine schwere Brandung getrieben werden konnte, während der Nebel diese Gefahren auch dem schärfsten Auge verhüllte.

Erst am 26. wurde das Cap de Délivrance umschifft; nun war auch die Möglichkeit gegeben nach Nordost weiter vorzudringen.

Zwei Tage später hatte man etwa sechzig Meilen nach Norden zu zurückgelegt, als mehrere Stücke Land sichtbar wurden. Bougainville glaubte, sie gehörten zu den Louisiaden; gewöhnlich betrachtet man sie dagegen als zusammenhängend mit dem Salomons-Archipel, den Carteret, der einige Jahre vorher hier war, ebenso zuerst entdeckt zu haben glaubte, wie der französische Seefahrer.

Bald schwärmten zahlreiche Piroguen ohne Ausleger um die beiden Schiffe herum. In denselben saßen Männer von ebenfalls so schwarzer Farbe wie die Afrikaner, und mit krausen, langen röthlichen Haaren. Sie trugen Zagaien, stießen ein lautes Geschrei aus und verriethen überhaupt nicht besonders freundliche Absichten. Uebrigens mußte man auch aus anderen Gründen auf eine Landung verzichten. Die Wellen brachen sich am Ufer nämlich mit furchtbarer Gewalt und das Vorland war so schmal, daß man es kaum sah.

Rings von Inseln umgeben und von dichtem Nebel verhüllt, segelte Bougainville auf gut Glück in eine vier bis fünf Meilen breite Wasserstraße[115] ein, wo der Seegang so stark war, daß die »Etoile« die Luken schließen mußte. An der östlichen Küste derselben zeigte sich eine hübsche Bai, welche einen guten Ankerplatz versprach. Sogleich wurden Boote ausgesendet, um den Grund zu untersuchen. Während diese noch mit ihrer Arbeit beschäftigt waren, näherten sich etwa zehn Piroguen mit gegen fünfzig, mit Lanzen, Bogen und Schildern bewaffneten Männern. Die Piroguen trennten sich bald in zwei Abtheilungen, um die französischen Boote zu umzingeln. Kaum in Schußweite angekommen, entsendeten sie über dieselben eine Wolke von Pfeilen und kleinen Wurfspießen; selbst eine Gewehrsalve hielt sie nicht auf, sondern es bedurfte einer zweiten, um sie in die Flucht zu treiben. Zwei Piroguen, deren Insassen in's Wasser sprangen, wurden dabei genommen. Lang und gut gearbeitet, erschienen sie an der Spitze mit einem ausgemeißelten Menschenkopf geschmückt, dessen Augen von Perlmutter, die Ohren von Schildkrot und die Lippen lebhaft roth gefärbt waren. Die Wasserstraße, wo dieser Angriff stattgefunden hatte, erhielt die Benennung »Straße der Krieger«, während man die Insel zu Ehren des französischen Marineministers »Choiseul« taufte.

Beim Verlassen derselben wurde wieder ein neues Land gefunden, nämlich die Insel Bougainville, deren nördlichste Spitze oder das Cap Lawerdy mit der Bouka-Insel zusammenzuhängen scheint. Die letztere, von Carteret im Vorjahre gesehen und von ihm Winchelsea getauft, schien sehr dicht bevölkert, wenigstens nach der großen Anzahl von Hütten zu urtheilen, die sie bedeckte. Ihre Bewohner, von Bougainville als Neger bezeichnet, wahrscheinlich, um sie von den Polynesiern und Malayen zu unterscheiden, sind Papuas und von derselben Abstammung wie die Eingebornen Neu-Guineas. Ihre kurzlockigen Haare waren roth gefärbt, die Zähne hatten von der Gewohnheit des unablässigen Betelkauens dieselbe Farbe angenommen. Die mit Cocospalmen und anderen Bäumen bestandene Küste versprach Stärkungsmittel in Ueberfluß; widrige Winde und heftige Strömungen führten die beiden Schiffe aber bald hinweg.

Am 6. Juli warf Bougainville an der von Schouten entdeckten Südküste von Neu-Irland Anker, und zwar an derselben Stelle, wo Carteret gelegen hatte.

»Wir beförderten unsere Wasserfässer an's Land, meldet der Bericht, errichteten einige Zelte und begannen Wasser zu fassen, Holz zu fällen und Kleidungsstücke zu waschen, was Alles höchst nöthig war.

Unser Landungsplatz war prächtig und zeigte einen seinen sandigen Grund ohne Felsen oder starken Wellenschlag; das Innere des kleinen Hafens enthielt[116] auf einer Strecke von kaum vierhundert Schritt vier schöne, klare Bäche. Drei derselben nahmen wir in Gebrauch; aus dem einen erhielt die ›Boudeuse‹, aus dem anderen die ›Etoile‹ ihr Wasser, während der dritte zum Waschen benutzt wurde. Holz fand sich am Strande des Meeres, und zwar in mehreren Arten, welches sich alles gut als Brennholz, einiges auch für Zimmermannsarbeiten, für die gewöhnliche und selbst für Kunsttischlerei eignete. Die beiden Schiffe lagen eines von dem anderen und vom Ufer nur so weit entfernt, daß man einander anrufen konnte. Der Hafen und dessen Umgebungen erwiesen sich übrigens bis auf weite Strecken hinaus unbewohnt, was uns eine sehr erwünschte Sicherheit und Freiheit der Bewegung gewährleistete. Ebenso konnten wir weder einen sichereren Ankerplatz, noch eine bequemere Stelle wünschen, um Wasser und Holz einzunehmen, an den Schiffen die so dringend nothwendigen Reparaturen auszuführen und unsere Scorbutkranken nach Belieben in den schönen Wäldern umherspazieren zu lassen. Das waren die Vorzüge dieses Ruheplatzes; er hatte indessen auch einige Schattenseiten. Trotz aller Nachsuchungen fand man hier weder Cocosnüsse, noch Bananen oder irgend welche Naturerzeugnisse, die man mit Güte oder Gewalt in jedem bewohnten Lande hätte erlangen können. Da sich auch der Fischfang nicht ergiebig erwies, so durfte man hier eben nur so lange verweilen, als unbedingt nöthig war. Man hatte ferner alle Ursache, zu fürchten, daß die Kranken hier nicht genesen würden. Wohl kamen keine heftigeren Anfälle vor, doch mußten sich noch Einzelne legen, und da sich auch die Anderen hier nicht besserten, so mußte man auf ein desto schnelleres Fortschreiten des Uebels rechnen.«

Kaum rasteten die Franzosen wenige Tage später an dieser Stelle, als ein Matrose eine Bleiplatte fand, auf der noch der Rest einer englischen Inschrift zu lesen war; man sah aus derselben ohne Mühe, daß Carteret ein Jahr vorher eben hier gelegen hatte.

Auch den Jägern bot das Land nur geringe Beute. Wohl sahen diese einige Eber und wilde Schweine, doch kamen sie nicht zum Schuß. Dafür erlegten sie sehr schöne Tauben mit weißgrauem Hals und Bauche und grüngoldigem Gefieder, ferner Turteltauben, Paradiesammern, Papageien, eine Art Vögel mit einer Federkrone und Krähen, deren Geschrei dem Bellen eines Hundes zum Verwechseln ähnlich klang. Von Bäumen und Gesträuchen gedeihen hier der Betel, Arekanußbaum, der Kalmus, der Pfefferstrauch u.s.w. Gefährliche Reptilien gab es in den Sumpfniederungen in Menge und in den Urwäldern[117] viele Schlangen, Scorpione und andere giftige Thiere. Leider machten diese Feinde des Menschen nicht das Land allein unsicher. Ein Matrose, der nach Muschelthieren suchte, wurde von einer Art Schlange gestochen. Nach fünf-bis sechsstündigem schweren Leiden und schrecklichen Krämpfen ließen erst seine Schmerzen nach und endlich brachten ihn Theriak und Schußwasser, die man gleich nach seiner Verwundung angewendet hatte, wieder auf die Füße. Dieser Zwischenfall ließ den Eifer der Liebhaber der Conchyliologie merklich erkalten.

Am 22. machte sich, nach einem schweren Sturm, auf den Schiffen ein wiederholtes Erdbeben bemerkbar, bei dem das Meer sich mehrmals hintereinander hob und senkte, was die mit Fischen beschäftigten Matrosen nicht wenig erschreckte. Trotz des Regens und der fast unaufhörlichen Gewitter ging doch Tag für Tag eine Abtheilung aus, um Latanen, Palmenkohl und Schildkröten zu holen. Man versprach sich zwar Berge und Wunder, meist kehrten die Leute aber mit leeren Händen, nur bis auf die Knochen durchnäßt, von ihrem Ausfluge zurück. Eine Naturmerkwürdigkeit und eine tausendmal schönere, als je ein Künstler zur Ausschmückung eines Königspalastes erdacht hat, zog jeden Tag nicht wenige Besucher an, welche nicht satt wurden, sie zu bewundern.

»Es war das ein Wasserfall. Ihn zu beschreiben, wäre unmöglich. Man müßte, um eine Vorstellung von dessen Schönheit zu geben, mit dem Pinsel die Feuerfunken der von der Sonne vergoldeten Wasserwirbel malen, den feuchten Schatten der Tropenbäume, die aus dem Wasser selbst hervorragen, und das phantastische Spiel des Lichtes auf einer großartigen Landschaft, welche des Menschen Hand noch nicht berührt hat.«

Sobald der Wind umschlug, verließen die Schiffe den Hafen Praslin und folgten der Küste von Neu-Britannien weiter bis zum 3. August. Die »Etoile«, unterwegs von einer Menge Piroguen angegriffen, mußte den auf sie abgeschossenen Pfeilen und geschleuderten Steinen mit Flintenschüssen antworten, welche die Angreifer schnell in die Flucht trieben. Am 4. bekam man die von Dampier als Mathias- und Stürmischen Inseln bezeichneten Länder in Sicht. Drei Tage später fand man die Insel der Anachoreten, so genannt von einer großen Menge mit dem Fischfang beschäftigter Piroguen, deren Insassen bei der Annäherung der »Boudeuse« und der »Etoile« sich nicht im Geringsten aus ihrer Ruhe stören und gar nicht in den Sinn kommen ließen, mit den Fremden in Verbindung zu treten. Nach einer Reihe, halb unter dem Wasser stehender Eilande, an welchen die Fahrzeuge zu scheitern in Gefahr kamen und die[118] Bougainville, »l'Echiquier« (das Schachbrett) nannte, zeigte sich nun die Küste von Guinea, welche hoch und bergerfüllt nach Westnordwesten verlief. Am 12. entdeckte man eine ausgedehnte Bai; die bis jetzt widrigen Strömungen aber führten die Schiffe von derselben gegen zwanzig Meilen weit auf die hohe See hinaus, so daß nur zwei Berge am Eingange von jener, der »Cyklop« und »Bougainville«, sichtbar blieben.

Weiter sah man die Arimoa-Inseln, deren größte kaum vier Meilen in der Länge mißt; schlechtes Wetter und starke Strömungen nöthigten die Schiffe aber, sich auf dem hohen Meer zu halten und auf jede nähere Kenntnißnahme derselben zu verzichten. Doch mußte man immer daran denken, bald wieder an's Land zu gehen, um nicht den Weg zu verlieren und die Fahrstraße nach dem indischen Meere zu verfehlen. So segelte man nur noch an den Inseln Mispulu und Waigiu, im äußersten Nordosten Neu-Guineas vorüber.

Der sogenannte Kanal der Franzosen, der die Schiffe endlich aus dieser Anhäufung kleiner Inseln und gefährlicher Klippen befreite, wurde glücklich passirt. Nun segelte Bougainville auf den Archipel der Molukken zu, wo er für die fünfundvierzig Scorbutkranken, die er an Bord hatte, die nöthigen Hilfsmittel zu finden hoffte.

Bei seiner vollständigen Unkenntniß der Vorgänge in Europa seit seiner Abreise, wollte sich Bougainville nicht nach einer Colonie begeben, wo er der Schwächere gewesen wäre. Die kleine Niederlassung der Holländer auf Boero oder Buru entsprach seinen Absichten vollkommen, vorzüglich weil dort auch leicht Stärkungsmittel zu haben sein mußten. Mit lebhafter Freude begrüßten die Mannschaften den Befehl, in den Golf von Cajeti einzufahren. An Bord gab es fast Niemand, der nicht mehr oder weniger vom Scorbut zu leiden gehabt hätte, und die Hälfte der Leute, sagt Bougainville, war absolut nicht im Stande, ihre Dienste zu thun.

»Die uns noch verbleibenden Nahrungsmittel waren so verfault und übelriechend geworden, daß die schlimmsten Augenblicke unserer traurigen Tage stets diejenigen waren, wenn die Glocke uns zum Verspeisen dieser ekelhaften und ungesunden Lebensmittel rief. Um wie viel verlockender erschien unseren Augen dann das liebliche Boero oder Buru! Mitten in der Nacht machte sich ein höchst angenehmer, von den aromatischen Pflanzen, mit denen die Molukken geradezu bedeckt sind, herrührender Geruch schon einige Meilen draußen im Meere bemerkbar, gleichsam der Vorbote, der das Ende unserer Leiden anmeldete.[119]

Der Anblick des ziemlich großen Städtchens, das im Hintergrunde des Golfes lag, die verankerten Schiffe, die in den umgebenden Wiesenplänen umherschweifenden Hausthiere, Alles erregte ein allgemeines Entzücken, das ich gewiß selbst getheilt habe, aber trotzdem zu beschreiben nicht im Stande bin.«

Kaum waren die »Boudeuse« und die »Etoile« vor Anker gegangen, als der Resident der Niederlassung zwei Soldaten absendete, um sich bei dem französischen Commandanten nach der Ursache zu erkundigen, die ihn veranlaßte, hier einzulaufen, da er doch wissen müsse, daß das nur den Schiffen der indischen Compagnie gestattet sei. Bougainville beauftragte sofort einen Officier, jenem die Erklärung zu bringen, daß nur Hunger und Krankheiten ihn gezwungen hätten, in den ersten Hafen, den er auffand, einzulaufen. Auch werde er Boero verlassen, sobald er die nöthige Hilfe, die er höchst dringend brauche und um die er mi Namen der Menschlichkeit bitte, erhalten habe. Der Statthalter schickte ihm nun den Befehl des Gouverneurs Amboine, der ihm ausdrücklich verbot, kein fremdes Schiff in seinen Hafen aufzunehmen, und bat Bougainville, ihm eine schriftliche Erklärung darüber abzugeben, warum er hier trotzdem eingelaufen sei, um seinem Vorgesetzten im Nothfalle den Beweis beibringen zu können, daß er nicht gegen die Vorschrift gefehlt, sondern nur dem Zwange der Umstände nachzugeben habe.

Als Bougainville das Certificat unterzeichnet hatte, entwickelten sich zwischen ihm und den Holländern bald die herzlichsten Beziehungen. Der Statthalter wollte den Stab der beiden Schiffe bei der Tafel empfangen und es wurde auch ein Contract wegen Lieferung frischen Fleisches abgeschlossen. An Stelle des Brotes trat nun der Reis, die gewöhnliche Nahrung der Holländer, und außerdem wurden den Mannschaften frische Gemüse vorgesetzt, welche auf dieser Insel keineswegs allgemein angebaut werden, sondern von dem Statthalter aus dem Garten der Compagnie selbst bezogen worden waren. Für die Kranken wäre es gewiß wünschenswerth gewesen, die Rast hier noch etwas zu verlängern, das bevorstehende Aufhören des Ostmoussons drängte Bougainville aber, nach Batavia zu segeln.


Kapitän Cook. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 123.)
Kapitän Cook. [Facsimile. Alter Kupferstich.] (S. 123.)

Am 7. September verließ der Commandant Boero mit der Ueberzeugung, daß die Seefahrt in dem Archipel beiweitem nicht so gefährlich sei, als die Holländer gewöhnlich behaupten. Auf die französischen Karten konnte man sich hier allerdings nicht verlassen; sie waren weit geeigneter, die Schiffe in's Verderben zu führen, statt sie zu leiten. Bougainville schlug also den Weg durch[120] die Button- und Saleyer-Straße ein. Diese von den Holländern selbst benützte Passage ist den anderen Nationen sehr wenig bekannt; der Bericht beschreibt hier auch mit größter Sorgfalt den zurückgelegten Weg von Cap zu Cap. Wir halten uns bei diesem Theile der Fahrt nicht auf, obwohl gerade er sehr lehrreich, aber mehr für Fachleute geschrieben ist.

Am 28. September gelangten die »Etoile« und die »Boudeuse« nach einer Reise von zehneinhalb Monat seit der Abfahrt aus Montevideo nach Batavia,[121] der schönsten Colonie der ganzen Erde. Jetzt ist die Reise eigentlich als beendet anzusehen. Nachdem er noch die Isle de France, das Cap der Guten Hoffnung und die Insel Ascension berührt, bei welcher er auch Carteret auffand, kehrte Bougainville am 16. Februar 1769 nach St. Malo zurück; er hatte, seitdem er Nantes vor zwei Jahren und vier Monaten verlassen, übrigens nur sieben Mann verloren.

Die noch übrige Laufbahn dieses glücklichen Seefahrers liegt unserer Aufgabe ferner, wir erwähnen derselben nur mit wenig Worten. Er nahm am Kriege in Amerika Theil und bestand im Jahre 1781 ein ehrenvolles Gefecht vor dem Fort Royal de Martinique. Seit 1780 Geschwader-Chef, erhielt er zehn Jahre später den Auftrag, auf der meuterischen Flottille Albert de Rious' die Ordnung wieder herzustellen. Im Jahre 1792 zum Vice-Admiral ernannt, suchte er die Annahme dieses Postens abzulehnen, weil er ihn für einen bloßen Titel ohne Amt betrachtete. Später in das Längenbureau und das Institut von Frankreich berufen, zur Würde eines Senators erhoben und von Napoleon I. mit der Grafenwürde beehrt, starb Bougainville am 31. August 1811 »an Jahren und an Ehren reich«.

Bougainville's Namen hat vorzüglich der Umstand so volksthümlich gemacht, daß er der erste Franzose war, der eine Erdumsegelung ausführte. Kommt ihm auch das Verdienst zu, einige unbekannte oder doch wenig bekannte Archipele entdeckt, wenn auch nicht näher erforscht zu haben, so verdankt er seinen Ruf doch weit mehr dem Reize, der Leichtigkeit und Lebendigkeit seines Reiseberichtes, als seinen eigentlichen Arbeiten. Daß er mehr bekannt wurde als andere französische Seeleute und erfolgreiche Wettbewerber, rührt nicht daher, daß er mehr geleistet hätte als diese, sondern nur, daß er seine Abenteuer in einer Weise zu erzählen wußte, welche seine Zeitgenossen interessirte.

Was Guyot Duclos betrifft, so verschuldete es seine Stellung als zweiter Officier und seine bürgerliche Abkunft, daß er ohne Belohnung ausging. Seine spätere Ernennung zum Ritter des heiligen Ludwig verdankt er nur seiner Rettung der »Belle-Poule«. Obschon 1722 geboren und seit 1734 im Dienst, nahm er doch 1791 noch die Stellung eines Schiffslieutenants ein. Erst mußten mit der neueren Zeit vorurtheilsfreiere Minister an's Ruder kommen, damit er wenigstens zum Kapitän avancirte, gewiß eine sehr verspätete Belohnung so langer und erfolgreicher Dienste. Er starb in St. Servan am 10. März 1794.[122]

Quelle:
Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXXIII–XXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1881, S. 86-123.
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