Dreizehntes Capitel.
Worin Godfrey an einem anderen Punkte der Insel wieder leichten Ranch aufsteigen sieht.

[114] Das war ein Gewitter, welches zur rechten Zeit losbrach. Godfrey und Tartelett waren nicht wie Prometheus gezwungen gewesen, die Wohnung der Seligen zu erklimmen, um daselbst das himmlische Feuer zu stehlen. Nein, der Himmel hatte sich, wie Tartelett meinte, so zuvorkommend gezeigt, es ihnen auf elektrischem Wege zu senden. An ihnen war es jetzt, dasselbe dauernd zu unterhalten.

»Nein, nein, das lassen wir nicht wieder ausgehen, rief Godfrey.

– Um so mehr, als es nicht an Holz fehlen wird, es zu unterhalten, hatte Tartelett geantwortet, dessen Befriedigung sich in manchem Freudenschrei Luft machte.

– Ja, doch wer soll es in Brand halten?

– Ich! Ich werde, wenn's nöthig wäre, Tag und Nacht wach bleiben,« versicherte Tartelett, einen lodernden Zweig schwingend.

Das geschah denn auch bis zum Aufgang der Sonne.

Dürres Holz gab es, wie gesagt, unter dem ungeheueren Dache der Sequoia im Ueberfluß, und so beschickten also Godfrey und Tartelett, nachdem sie am frühen Morgen einen tüchtigen Vorrath davon gesammelt, reichlich ihren durch[114] den Blitz entzündeten Herd. Am Fuße eines anderen Baumes, an enger Stelle, zwischen zwei halb oberirdischen Wurzeln, flammte der Brand mit lustigem Knistern empor; Tartelett blies sich ordentlich auf und setzte allen Athem daran, noch unter das Feuer zu blasen, obgleich das völlig nutzlos war. Bei dieser Lage nahm er die merkwürdigsten Haltungen an, indem er dem hellgrauen Rauche nachstierte, dessen Wolken sich unter dem Blättermeer verloren.

Doch nur um es anzustaunen, hatten sie ja dieses unentbehrliche Feuer nicht herbeigesehnt, auch nicht etwa, um sich zu erwärmen; es war zu viel interessanterer Verwendung bestimmt. Endlich sollten sie ein Ende nehmen, diese mageren Mahlzeiten von rohen Muscheln und Yamphknollen, aus denen weder siedendes Wasser, noch eine Art Röstung unter heißer Asche bisher noch die eigentlichen nahrhaften Elemente entwickelt hatte. Dieser Aufgabe widmeten nun Godfrey und Tartelett einen Theil des Vormittags.

»Nun werden wir bald ein oder zwei Hühner schmausen! rief Tartelett, dessen Kinnladen sich schon bewegten, wir könnten dazu einen Agutischinken braten, eine Lämmerkeule, ein Ziegenviertel, etwas von Wild, wie es in Wald und Wiesen umher schweift, oder zwei oder drei Süßwasserfische nebst einigen Seefischen.

– Nicht so schnell, meinte Godfrey den die Aufzählung dieser nicht allzu bescheidenen Speisekarte in frohe Laune versetzt hatte. Man darf nicht riskiren, sich den Magen zu verderben, wenn man sich von einem Fasttage zu erholen gedenkt. Wir wollen unseren Vorrath sparen, Tartelett! Fangen Sie ein paar Hühner ein, je eines für den Mann, und wenn's auch an Brot noch fehlt, so hoffe ich, daß ordentlich zubereitete Camawurzeln dasselbe hinreichend ersetzen werden.«

Das kostete zwei unschuldigen Stücken Federvieh den Hals, welche, vom Professor gerupft, geputzt und zugerichtet, dann über einen dünnen Stock geschoben, bald vor knisternder Flamme brieten.

Inzwischen beschäftigte sich Godfrey damit, die Camawurzeln so zuzubereiten, daß sie bei dem ersten Frühstück auf der Insel Phina als Nahrungsmittel figuriren konnten.

Um dieselben eßbar zu machen, mußte er der ihm als Amerikaner nothwendiger Weise bekannten Methode der Indianer folgen, die er jene in den Prairien des westlichen Amerika oft genug hatte anwenden sehen.

Godfrey verfuhr nämlich auf folgende Weise:[115]

Eine gewisse Anzahl flacher, auf dem Strande gesammelter Steine wurden in das Feuer gelegt, um stark erhitzt zu werden. Vielleicht meinte Tartelett, es sei eigentlich schade um sein schönes Feuer, darin »Steine zu braten«, da ihn das aber in der Zubereitung seiner Hühner nicht störte, so beklagte er sich nicht weiter darüber.

Während der Erhitzung dieser Steine wählte Godfrey eine passende Stelle des Bodens aus, deren Grasdecke er etwa im Umfang eines Quadratyards entfernte; dann nahm er die Muschelschalen zur Hand und grub mit denselben die Erde bis auf etwa zehn Zoll tief aus. Auf den Grund dieser flachen Oeffnung legte er eine Decke von dürrem Holz, welches in Brand gesetzt wurde, um die Erde ringsum gehörig anzuwärmen.

Nach vollständiger Verbrennung des Holzes und nach Entfernung des Aschenrückstandes wurden die vorher gewaschenen und abgeschälten Camawurzeln in dem Loche ausgebreitet, über diese eine dünne Schicht Rasen gedeckt und durch die wieder darüber gelegten glühheißen Steine eine neue Herdfläche gebildet, auf deren Oberfläche nun ein zweites Feuer entzündet wurde.

Das Ganze bildet einen recht zweckentsprechenden Backofen, und nach kurzer Zeit – kaum nach einer halben Stunde – konnte die Operation als beendigt betrachtet werden.

In der That fanden sich die Camawurzeln unter der Doppellage von Rasen und Steinen durch die schnelle Austrocknung wesentlich verändert. Durch Zerdrücken schon ließ sich aus denselben eine Art Mehl gewinnen, welches zur Brotbereitung dienen konnte, während sie in ihrer natürlichen Form jetzt eine Art Erdäpfel von sehr nahrhafter Beschaffenheit darstellten.

In dieser Gestalt wurden die Wurzeln für heute auch servirt, und man kann sich leicht denken, mit welchem Hochgenuß die beiden Freunde ihre Hühner verzehrten, die sie bis auf die Knochen abnagten, und dazu die vortrefflichen Camas, an welchen sie nicht zu sparen nöthig hatten. Das Feld, auf dem sie in Ueberfluß wuchsen, war ja nicht weit; es erforderte nur die Mühe, sich zu bücken, um sie hundertweise zu sammeln.

Nach Schluß der Mahlzeit ging Godfrey daran, eine gewisse Menge jenes Mehles herzustellen, das sich fast unbegrenzt lange hält und jeden Tag nach Bedürfniß zu Brot umgewandelt werden kann.

Dieser Tag verlief unter verschiedenen Beschäftigungen. Der Herd wurde sorgfältig mit Brennmaterial versorgt, vorzüglich für die Nacht, was Tartelett[116] nicht hinderte, mehrere Male aufzustehen, um die Kohlen besser zusammenzuschieben und eine lebhaftere Verbrennung zu erzielen. Dann legte er sich wieder nie der; doch immer davon träumend, daß das Feuer dem Verlöschen nahe sei, sprang er auf's Neue in die Höhe und trieb das in kurzen Pausen bis zum anbrechenden Tag weiter.

Die Nacht verfloß ohne jeden Zwischenfall. Das Knistern des Feuers im Verein mit dem Hahnrufe erweckte Godfrey und seinen Gefährten, welche vollkommen ausgeschlafen hatten.

Da empfand Godfrey plötzlich zu seiner Verwunderung eine Art von oben kommenden Lustzug im Inneren des Will-Tree. Er mußte daraus wohl den Schluß ziehen, daß der Mammuth bis zur Gabelung seiner niedrigsten Aeste hohl sei, daß sich in dieser Gegend eine Oeffnung befinden werde, welche geschlossen werden mußte, wenn sie darunter sicher und geschützt wohnen sollten.

»Es erscheint aber doch sonderbar, sagte sich Godfrey, warum hätte ich in den vorhergehenden Nächten diesen Luftzug nicht verspürt? Sollte daran der Blitzschlag schuld sein?...«

Um diese Frage zu beantworten, kam er auf den Gedanken, den Stamm der Sequoia von außen genauer zu besichtigen.

Dadurch erhielt er denn Aufklärung darüber, was bei jenem Gewitter überhaupt geschehen war.

Der Weg des Blitzes zeichnete sich deutlich ab auf dem Baum, der durch den Durchgang des elektrischen Fluidums in breiter Linie, und zwar von den ersten Aesten bis zur Wurzel, entrindet erschien. Drang der ungeheure elektrische Funke damals in das Innere der Sequoia, statt deren äußerem Umfange zu folgen, so wäre Godfrey nebst seinem Gefährten jedenfalls erschlagen worden. Ohne es zu ahnen, hatten sie damals in sehr ernster Gefahr geschwebt.

»Man empfiehlt allgemein, sagte Godfrey, sich bei Gewittern nicht unter Bäume zu flüchten. Das ist ganz schön für Leute, welche ein anderes Obdach wählen können. Aber ein Mittel für uns, die in einem Baume wohnen, um dieser Gefahr zu entgehen?... – Doch das wird sich finden!«

Als er darauf den langen Streifen bis zur Stelle, von der er ausging, verfolgte, sagte er:

»Offenbar ist die Sequoia da, wo der Strahl sie getroffen, gespalten worden. Da die Luft nun durch diese Oeffnung ins Innere eindringt, muß der Baum wohl seiner ganzen Länge nach hohl sein und kam er nur noch von seiner Rinde leben. Darüber möchte ich doch sicheren Aufschlußhaben.«[117]

Godfrey suchte sich also einen harzreichen Zweig, den er als Fackel verwenden konnte.

Ein Bund dünner Fichtenreiser lieferte ihm das Material dazu; das Harz schwitzte aus denselben und gab, einmal entzündet, eine vortreffliche Leuchte.

Godfrey begab sich nun in die Höhlung, die ihnen als Wohnung diente. Die Finsterniß wich sofort der Helligkeit, und es war nun ziemlich leicht, die innere Anordnung des Will-Tree zu übersehen.

Eine Art unregelmäßig verlaufende Wölbung bildete etwa fünfzehn Fuß über dem Boden die Decke. Bei Erhebung seiner Fackel bemerkte Godfrey ganz genau einen offenen Gang, dessen Fortsetzung sich im Dunkel verlor.

Offenbar war der Baum in ganzer Länge hohl; vielleicht fanden sich darin noch einzelne Reste von Splint. In diesem Falle mußte es, wenn er sich an solchen Vorsprüngen halten konnte, wenn auch nicht leicht, doch nicht unmöglich sein, bis zu der Gabelung hinaufzuklimmen.

Godfrey, der immer an die Zukunft dachte, beschloß ohne Zögern, sich zu vergewissern, woran er nach dieser Seite war.

Er hatte hierbei einen doppelten Zweck; erstens die Mündung zu verschließen, durch welche Wind und Regen Einlaß fanden, was den Will-Tree nahezu unbewohnbar gemacht haben würde; dann sich zu überzeugen, ob gegenüber einer unerwarteten Gefährdung durch reißende Thiere oder durch Eingeborne die oberen Zweige der Sequoia nicht einen passenden Zufluchtsort böten.

Jedenfalls mußte der Versuch angestellt werden. Traf er in dem engen Schlauche ein unüberwindliches Hinderniß an, nun wohl, so war er eben gezwungen, wieder herunter zu steigen.

Nachdem er seine Fackel in dem Spalt zwischen zwei dicken Wurzeln nahe am Boden eingepflanzt, schwang er sich mit Hilfe der ersten inneren Rindenvorsprünge empor. Er war gewandt, kräftig und an gymnastische Uebungen gleich allen jungen Amerikanern gewöhnt. Der Anstieg erschien ihm wie ein Spiel. Bald hatte er in der ungleichen Höhlung eine engere Stelle erreicht, von welcher aus er wie die Schornsteinfeger, sich mit Armen und Knien anstemmend, weiter klettern konnte. Er fürchtete überhaupt nur, daß Mangel an Weite ihn an fernerem Aufsteigen hindern könnte.

Inzwischen kletterte er weiter und weiter; wenn er einen größeren Vorsprung fand, ruhte er ein wenig aus, um Athem zu schöpfen.[118]

Drei Minuten, nachdem er den Erdboden verlassen, konnte Godfrey, wenn er in einer Höhe von sechzig Fuß noch nicht angelangt war, davon nicht mehr weit sein, und folglich hatte er also nur noch zwanzig Fuß empor zu klettern.

Wirklich fühlte er auch schon, wie ihm ein stärkerer Luftzug ins Gesicht blies, den er begierig einsog, denn im Innern des Mammuthbaumes war es eben nicht besonders frisch.

Nach einer Rast von einer Minute und nachdem er den seinen von den Wänden fallenden Staub von sich abgeschüttelt, klomm Godfrey wieder höher hinauf durch den Schlauch, der sich allmählich verengte.

In demselben Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit aber von einem seltsamen Geräusch erregt, das ihm ziemlich verdächtig vorkam. Es klang fast, als kratzte etwas im Innern des Baumes. Fast gleichzeitig ließ sich eine Art Pfeifen vernehmen.

Godfrey hielt an.

»Was war das? fragte er sich. Ein Thier welches hier einen Schlupfwinkel gesucht hatte? Vielleicht eine Schlange?... Nein, von Schlangen haben wir auf der Insel noch nichts bemerkt. Es muß wohl ein Vogel gewesen sein, der flatternd entfloh.«

Godfrey täuschte sich nicht, denn als er noch höher stieg, vernahm er ein deutliches Krähen und schnellen Flügelschlag als Beweis, daß es sich nur um einen Vogel handelte, der hier im Baum genistet und den er verscheucht hatte.

Durch ein wiederholt laut ausgestoßenes »Frr! Frr!« vertrieben, ließ der Eindringling seine Wohnstätte im Stiche.

Dieser erwies sich als eine Art großer Dohle, welche schleunigst durch die Oeffnung entfloh und im hohen Wipfel des Will-Tree verschwand.

Wenige Augenblicke später erhob sich Godfreys Kopf durch die nämliche Oeffnung, und bald saß er selbst bequem in der Verästelung des Baumes an der Ursprungsstelle der niedrigsten Ausläufer, welche etwa achtzig Fuß vom Erdboden abstanden.


Nicht ohne Mühe glitt Godfrey von einem Ast zum andern. (S. 119.)
Nicht ohne Mühe glitt Godfrey von einem Ast zum andern. (S. 119.)

Wie erwähnt, trug der ungeheure Stamm des Mammuthbaumes hier einen wirklichen Wald. Das verworrene Gemisch der Zweige zweiter Ordnung bot den selben Anblick, wie jene jungfräulichen Waldesdickichte, welche noch durch keinen Steg gangbar gemacht sind.

Nicht ohne Mühe gelang es Godfrey von einem Aste zum anderen zu gleiten, wobei er endlich die letzte Etage dieses riesenhaften Vegetationserzeugnisses erreichte.[119]

Schreiend flatterten eine Menge Vögel vor ihm her und flüchteten nach benachbarten Bäumen der Gruppe, welche der Will-Tree alle überragte.

Godfrey kletterte so hoch als möglich hinauf und machte erst Halt, wo sich die letzten obersten Zweige unter seinem Körper zu neigen anfingen.

Ein weiter Wasserhorizont umschloß die Insel Phina, welche sich einer Reliefkarte gleich zu seinen Füßen ausdehnte.

Voller Aufmerksamkeit schweiften seine Blicke über diesen Theil des Meeres. Es war auch jetzt verlassen wie immer und legte noch einmal den Gedanken nahe, daß die Insel gänzlich außerhalb der Handelswege des Stillen Oceans liegen müsse.[120]

Godfrey unterdrückte einen aufquellenden Seufzer; dann senkte sich sein Blick hinunter nach dem beschränkten Fleckchen Erde, auf dem er vielleicht lange Zeit, wenn nicht für immer, zu leben verurtheilt war.

Wie groß aber war sein Erstaunen, als er dieses Mal im Norden wieder Rauch aufsteigen sah, ganz entsprechend dem, welchen er früher im Süden bemerkt zu haben glaubte. Er betrachtete denselben mit athemloser Spannung.


Er entledigte sich derselben zur allgemeinen Zufriedenheit. (S. 124.)
Er entledigte sich derselben zur allgemeinen Zufriedenheit. (S. 124.)

Eine feine, aber fast dunkelblaue Rauchsäule stieg ruhig in der klaren, stillen Luft empor.[121]

»Nein, ich täusche mich nicht! rief Godfrey. Das ist Rauch und folglich dort auch ein Feuer, welches jenen erzeugt... und dieses Feuer kann nur angezündet sein von... ja, von wem?«

Godfrey bemühte sich, die Himmelsrichtung des fraglichen Punktes so genau wie möglich zu bestimmen.

Der Rauch wirbelte im Nordosten der Insel, inmitten hoher Felsmassen, welche dort den Strand umringten, empor. Hierin konnte kein Irrthum unterlaufen. Die betreffende Stelle mochte wenigstens fünf Meilen vom Will-Tree entfernt sein. Wenn man durch das Wiesenland direct nach Nordosten ging und sich dann am Strande hielt, mußte man unzweifelhaft die Felsen finden, welche jetzt die leichte Rauchsäule schmückte.

Mit hochklopfendem Herzen kletterte Godfrey wieder durch das Gerüst der Aeste bis zur ersten Theilung des Stammes herunter. Hier machte er kurze Zeit Halt, um eine gewisse Menge Moos und Blätter zusammenzuraffen; dann glitt er in die Oeffnung hinein, die er bestmöglichst verstopfte, und ließ sich endlich schnell zum Erdboden nieder.

Tartelett verständigte er mit kurzen Worten, sich über seine Abwesenheit nicht zu beunruhigen, und dann eilte er sogleich in nordöstlicher Richtung weg, um nach dem Strande zu gelangen.

Das war ein Weg von zwei Stunden, erst durch grünende Wiesen, durch vereinzelt stehende Baumgruppen oder zwischen engen Hecken stachlichten Ginsters dahin, dann verlief derselbe längs des Strandes und endlich erreichte der junge Mann die erste Felsenkette.

Den Rauch aber, den er vom hohen Gipfel des Baumes aus gesehen, bemühte er sich nach dem Hinuntersteigen vergeblich wieder wahrzunehmen; da er sich genügend über die Stelle orientirt hatte, von der jener aufstieg, konnte er dieselbe kaum fehlen. Godfrey begann also seine Nachsuchungen; er durchforschte sorgfältig die ganze Umgebung, er rief...

Niemand antwortete seinem Rufe. Kein menschliches Wesen erschien auf dem Vorlande. Kein Felsen zeigte Spuren eines unlängst entzündeten Feuers oder eines jetzt erloschenen Herdes, der ja recht gut mit durch die Wellen angetriebenen Algen und trockenem Seegras gespeist sein konnte.

»Ich habe mich doch unmöglich täuschen können, wiederholte Godfrey, ein Rauch ist es gewesen, was ich wahrnahm!... Und doch!«...[122]

Da es kaum zulässig erschien, daß Godfrey nur das Opfer einer Illusion gewesen sei, kam er auf den Gedanken, daß hier wohl eine heiße Quelle vorhanden sein könne, eine Art intermittirender Geiser, den er nicht gleich auffinden und der jenen Dampf ausgestoßen haben könnte.

In der That widersprach ja eigentlich nichts der Vermuthung, daß die Insel einen solchen natürlichen Springbrunnen enthielt. In diesem Falle hätte sich freilich die Erscheinung einer Rauchsäule auf die natürlichste Weise erklärt.

Godfrey machte sich also wieder auf den Heimweg vom Strande nach dem Will-Tree, faßte aber das Land bei seiner Rückkehr schärfer in's Auge, als er auf dem Hinweg gethan. Er bemerkte dabei einzelne Wiederkäuer, darunter Wapitihirsche; doch diese flüchteten mit so rasender Eile, daß er sie unmöglich einholen konnte.

Gegen vier Uhr war Godfrey wieder »zu Hause«. Als er noch hundert Schritte zu gehen hatte, hörte er schon das scharfe »Krinz, krinz« der unentbehrlichen Geige, und stand bald vor dem Professor Tartelett, der in der Haltung einer Vestalin mit feierlichem Ernste das seiner Obhut anvertraute Feuer behütete.

Quelle:
Jules Verne: Die Schule der Robinsons. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XLI, Wien, Pest, Leipzig 1887, S. 114-123.
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