Elftes Capitel.
Ein dem König von Kazonnde dargebotener Punsch.

[347] Es war gegen vier Uhr Nachmittags, als ein Höllenlärm von Trommeln, Cymbeln und anderen Instrumenten afrikanischer Herkunft am Ausgange der Hauptstraße entstand. An allen Ecken und Enden des Marktes regte es sich doppelt lebendig. Ein halber Tag Geschrei und Drängen und Stoßen hatte weder die Stimme, noch Arm und Beine dieser verteufelten Händler zu beruhigen, noch zu entkräften vermocht. Noch war eine ziemliche Anzahl Sklaven zu verkaufen; die Händler bestritten die einzelnen Loose mit einer Begierde, von welcher die Londoner Börse selbst an Tagen einer allgemeinen Hausse nur eine schwache Vorstellung giebt.

Bei dem mißtönenden Concert jedoch, welches eben seinen Anfang nahm, wurden die Handelsgeschäfte unterbrochen und schöpften die Ausrufer einmal Athem.[347]

Der König von Kazonnde, Moini Loungga, beehrte den großen Lakoni mit seinem Besuche. Ein zahlreiches Gefolge von Weibern, Beamten, Soldaten und Sklaven begleitete ihn. Alvez und einige andere Händler gingen ihm entgegen und übertrieben ab sichtlich ihre demüthigen Huldigungen, auf welche der gekrönte Trunkenbold besonderen Werth legte.

Inmitten des großen Platzes stieg Moini Loungga, den man in einem alten Palankin getragen hatte, mühsam und mit Hilfe von zehn Armen aus.

Dieser König war gegen fünfzig Jahre alt, doch hätte man ihn für einen Achtziger gehalten. Um sich seine Erscheinung zu vergegenwärtigen, stelle man sich einen alten Affen am Ende seiner Jahre vor. Auf seinem Kopfe erhob sich eine Art Tiara, verziert mit rothgefärbten Leopardenkrallen und weißen Haarbüscheln – das war die Krone der Könige von Kazonnde. Von seinem Gürtel herab hing ein Doppelrock aus Cudu-Leder, der trotz seiner Perlenstickerei doch Aehnlichkeit mit der Schürze eines Schmiedes hatte. Seine Brust schmückten vielgestaltige Tätowirungen als Zeugen für das hohe Alter des königlichen Geschlechtes, und wenn man ihnen trauen durfte, verlor sich Moini Loungga's Geschlecht bis hinauf in die dunkelste Vorzeit. Um Knöchel, Handgelenke und Arme Sr. Majestät wanden sich kupferne, mit Sofis ausgelegte Spangen, und seine Füße staken in ein Paar Dienerstiefeln mit gelben Stulpen, die ihm Alvez einige zwanzig Jahre früher zum Geschenk gemacht hatte. Fügt man dieser Ausstattung noch einen langen Stock mit silbernem Knopf in der linken Hand des Königs, in der rechten einen reichlich mit Perlen besetzten Fliegenwedel hinzu, über seinem Haupte ferner einen alten, vielfach ausgeflickten Regenschirm, der aus der bunten Jacke eines Harlequins hergestellt schien, endlich am Halse und auf der Nase des Monarchen – die Loupe und die Brille, welche Vetter Benedict so schmerzlich vermißt hatte und die aus Bat's Tasche gestohlen waren, so hat man bis auf's Haar genau das Conterfei dieser schwarzen Majestät, vor der das Land im Umkreise von hundert Meilen erzitterte.

Schon deshalb allein, weil er auf einem Throne saß, behauptete Moini Loungga, von himmlischer Abkunft zu sein, und hätte jeden seiner Unterthanen, der etwa daran zu zweifeln wagte, gewiß in die andere Welt befördert, um sich dort persönlich davon zu überzeugen. So rühmte er sich auch, seiner göttlichen Natur entsprechend, irdische Bedürfnisse nicht zu kennen.[348]

Er aß, weil er es gern that, und trank nur, weil es ihm Vergnügen machte. Dabei konnte aber kein Mensch mehr trinken denn er. Seine Minister und Beamten, lauter unverbesserliche Trinker, hätte man ihm gegenüber für nüchterne Menschen gehalten. Jener stellte überhaupt eine bis zum höchsten Grade alkoholisirte Majestät dar, die fortwährend mit starkem Biere, Pombe, und vorzüglich mit einem von Alvez reichlich gelieferten 36grädigen Branntwein sorgsam aufgefüllt wurde.

Moini Loungga besaß in seinem Harem Gemalinnen jedes Ranges und jedes Alters. Die Mehrzahl derselben begleitete ihn nach dem Lakoni. Moina, die der Anciennität nach erste Frau, welche man auch als »Königin« titulirte, war eine Megäre von vierzig Jahren und ebenso wie ihre Colleginnen von königlichem Blute. Sie trug eine Art grellfarbigen Tartan (ursprünglich der großgewürfelte Plaid der Hochschotten), einen mit Perlen bestickten Rock, Goldspangen, wo für deren Anbringung nur ein Plätzchen übrig blieb, und eine übereinandergethürmte Haartour, die ihrem kleinen Kopfe einen gewaltigen Umfang verlieh und sie vollends zum Zerrbild machte.

Hinter ihr her schritten andere Gemalinnen, entweder Cousinen oder Schwestern des Königs, in ebenso reicher Kleidung, aber jünger an Jahren, welche auf jeden Wink ihres Herrn bereit waren, als »menschliche Hausgeräthe« Dienste zu leisten. Diese Unglücklichen sind im Grunde wirklich kaum etwas Anderes. Will der König sitzen, so krümmen sich zwei derselben auf der Erde zusammen, die er als Sessel benutzt, während seine Füße auf zwei anderen weiblichen Körpern, wie auf einem Teppiche von Ebenholz ruhen.

Im Gefolge Moini Loungga's erschienen auch seine Beamten, Hauptleute und Zauberer. Zuerst bemerkte man an diesen Wilden, welche gleich ihrem Herrn halb taumelten, daß Jedem ein Körpertheil fehlte, dem Einen ein Ohr, dem Anderen ein Auge, Diesem die Nase und Jenem eine Hand. Kein Einziger war vollständig. Es rührt das daher, daß man in Kazonnde nur zwei Arten von Bestrafung kennt, die Verstümmelung und den Tod, welche je nach der Laune des Herrn verhängt werden. Der geringste Fehler zieht hier schon eine Amputation nach sich, und als am härtesten Bestrafte fühlen sich Diejenigen, denen man die Ohren abschneidet, weil sie nun keine Ringe mehr durch dieselben tragen können.[349]

Die Hauptleute oder »Kilolos«, das sind entweder erbliche oder auf je vier Jahre ernannte Districts-Vorsteher, trugen eine Kopfbedeckung von Zebrafell und als einzige Uniform eine Art rother Weste. In der Hand schwangen sie lange Rotangstengel, deren eines Ende in irgend eine Drogue gesteckt war, welcher man magische Kraft zutraute.

Als Angriffs- und Vertheidigungswaffen führten des Königs Soldaten Bögen, deren Holz mit Reserve-Stricken umwickelt und mit Fransen geschmückt war, lange, schlangenzungenartig geschliffene Messer, breite und lange Lanzen und mit Arabesken verzierte Schilde aus Palmenholz. Was die eigentliche Uniform betrifft, so kostet diese dem Schatze Sr. Majestät – absolut nichts.

Die Suite des Königs schlossen endlich die Hofmagiker und die Musikanten.

Die Zauberer, die »Myannga«, sind die Aerzte des Landes. Diese Wilden hegen einen unzerstörbaren Glauben an Gebete zu ihren Götzen, Beschwörungsformeln, oder an Fetische, das sind weiß und roth gefärbte, thönerne Figuren, welche phantastische Thiere oder menschliche Wesen beiderlei Geschlechts darstellen. Uebrigens zeigten sich diese Magiker nicht minder verstümmelt als die anderen Höflinge, und jedenfalls lohnte ihnen der Monarch auf diese Weise jede mißlungene Kur.

Die Musiker, Männer sowohl wie Frauen, handhabten schrillende Klappern, bearbeiteten lärmende Trommeln oder schlugen mit ihren Stäben, welche in eine aus Kautschuk der »Merimebas« bestehende Kugel ausliefen, auf eine Art Tympanon aus zwei Reihen verschieden großer Kürbisflaschen los – vollführten mit einem Worte ein Concert, das jedes nicht eingeborne afrikanische Ohr geradezu betäubte.

Ueber diesem Haufen königlichen Gefolges flatterten verschiedene Fahnen und Wimpeln und zeigten sich, auf hohen Piken getragen, einige gebleichte Schädel von feindlichen Häuptlingen, welche Moini einst besiegt hatte.

Sobald der König seinen Palankin verlassen, ertönten von allen Seiten lebhafte Zurufe. Die Soldaten der Karawane platzten ihre alten Flinten ab, deren schwacher Knall aber bei dem Geschrei der Volksmenge kaum hörbar ward. Die Havlidars warfen sich nieder, nachdem sie ihr schwarzes Gesicht mit Zinnober-Puder, den sie in einem Säckchen bei sich trugen, wohl eingerieben hatten. Dann trat Alvez vor und überreichte dem König ein Päckchen[350] frischen Tabak – »Beruhigungs-Kraut«, wie man diese Pflanze dort zu Lande nennt. Moini Loungga bedurfte der Beruhigung gar sehr, denn er war, aus bisher unbekannter Ursache, herzlich schlechter Laune.

Gleichzeitig mit Alvez machten auch Coïmbra, Ibn Hamis und die arabischen Händler oder Mestizen dem mächtigen Souverän von Kazonnde ihre Aufwartung. »Marhaba«, stammelten dabei die Araber, welches Wort aus der Sprache Central-Afrikas etwa »Hochwillkommen« bedeutet; Andere klatschten in die Hände und beugten sich bis zur Erde nieder; wieder Andere wälzten sich im Schlamme und erwiesen der abscheulichen Majestät durch diese Demüthigung ihre unbegrenzte Ergebenheit.

Moini Loungga würdigte die ganze Menschenmenge nicht eines Blickes und wandelte mit gespreizten Beinen, als ob der Boden gleich einem Schiffe stampfte und schlingerte, schwerfällig dahin. So promenirte oder rollte er vielmehr zwischen den verschiedenen Sklaven-Gruppen hin und her, und wie die Händler immer fürchteten, es könne ihm einfallen, sich einen ihrer Gefangenen zuzueignen, so schreckten auch die Letzteren selbst davor zurück, in die Gewalt eines solchen verthierten Tyrannen zu kommen.

Negoro hatte Alvez keinen Augenblick verlassen und brachte mit ihm vereinigt dem Könige seine Huldigung dar. Beide plauderten in der Sprache der Eingebornen, wenn man »plaudern« von einer Unterhaltung sagen kann, an welcher sich Moini Loungga nur mit einsylbigen, mühsam zwischen den wulstigen Lippen hervorgepreßten Lauten betheiligte. Uebrigens hatte er gegenüber seinem Freunde Alvez nur das Anliegen, seine durch reichliche Libationen erschöpften Vorräthe von Branntwein erneuert zu sehen.

»Willkommen dem Könige Loungga auf dem Markte in Kazonnde! begann der Sklavenhändler.

– Mich dürstet! antwortete der Monarch.

– Er wird seinen Antheil haben von den bei dem großen Lakoni abgeschlossenen Geschäften, fügte Alvez hinzu.

– Zu trinken! erwiderte Moini Loungga.

– Mein Freund Negoro schätzt sich glücklich, den Herrscher von Kazonnde nach so langer Abwesenheit wiederzusehen.

– Zu trinken! wiederholte drängender der Trunkenbold, dessen ganze Person einen widerlichen Alkoholgeruch um sich verbreitete.
[351]

Dann trat Alvez vor. (S. 350.)
Dann trat Alvez vor. (S. 350.)

– Zu Befehl – Pombe! Meth! rief Alvez, obwohl er recht gut wußte, wonach Moini Loungga lechzte.

– Nein... nein! lallte der König... Branntwein von meinem Freunde Alvez, und ich schenke ihm für jeden Tropfen seines Feuerwassers...

– Einen Tropfen Blut eines Weißen! fiel Negoro ein, der mit Alvez einen Seitenblick gewechselt hatte.
[352]

Der König hatte Feuer gefangen wie eine Petroleumkanne. (S. 356.)
Der König hatte Feuer gefangen wie eine Petroleumkanne. (S. 356.)

– Eines Weißen? Einen Weißen umbringen! erwiderte Moini Loungga, dessen wilde Triebe bei dem Vorschlage des Portugiesen erwachten.

– Einer der Agenten Alvez' ward durch denselben Weißen getödtet, erklärte Negoro.

– Ja, mein Agent Harris, bestätigte der Sklavenhändler, sein Tod schreit nach Rache![353]

– So sende man das Bleichgesicht dem Könige Massongo in Ober-Zaïra, zu den Assuas! Sie werden es in Stücke schneiden und bei lebendigem Leibe verzehren. Dort haben sie den Geschmack des Menschenfleisches noch nicht vergessen!« entschied der König.

Jener Massongo war in der That der König eines menschenfressenden Stammes, und es ist leider nur zu wahr, daß diesem Kannibalismus in manchen Gegenden Central-Afrikas noch ganz offenkundig gehuldigt wird. Livingstone giebt in seinen Reiseberichten darüber weitere Details. An den Ufern des Lualaba z.B. verzehren die Manyemas nicht allein die im Kampfe getödteten Feinde, sondern kaufen sich geradezu Sklaven, nur um sie aufzuessen, indem sie behaupten, »das Menschenfleisch sei mäßig gesalzen und bedürfe nur weniger Würze«. Bei Moene Bougga traf auch Cameron auf Anthropophagen, welche die Leichname nur nach mehrtägiger Maceration in fließendem Wasser genießen. Endlich fand auch Stanley diese scheußliche Sitte bei den Bewohnern von Ukusu, und offenbar herrscht sie also bei den Völkern im Innern des Continentes in weiter Verbreitung.

So grausam aber die vom Könige Dick Sand zugedachte Todesart auch war, so paßte sie Negoro, der sein Opfer ja nicht aus den Augen lassen wollte, doch gar nicht.

»Unser Kamerad Harris, bemerkte er, wurde von dem Weißen aber hier an Ort und Stelle getödtet.

– Hier muß er dafür sterben! setzte Alvez hinzu.

– Sei's wo Du willst, antwortete Moini Loungga. Aber einen Tropfen Feuerwasser für jeden Tropfen Blut!

– Gewiß, versicherte der Händler, und Du sollst Dich heute überzeugen, wie es diesen Namen in der That verdient! Jose-Antonio Alvez wird dem Könige Moini Loungga mit einem Punsch aufwarten!...«

Der Trunkenbold schlug freudig in Alvez' dargebotene Hand ein. Er konnte sich vor Freude kaum zügeln. Seine Frauen und Courtisanen theilten sein Entzücken. Noch niemals hatten sie Branntwein wirklich brennen sehen und glaubten, er werde in vollen Flammen stehend getrunken. Mit dem Verlangen nach Alkohol sollte bei diesen Wilden ja auch gleichzeitig der Durst nach Blut gestillt werden!

Der arme Dick Sand! Welch entsetzlicher Tod erwartete ihn! Denkt man nur an die schrecklichen oder mindestens wunderlichen Folgen der[354] Trunkenheit bei civilisirten Völkern, so kann man wohl ahnen, wozu sie solche Barbaren verführen mag.

Begreiflicher Weise mußte die Aussicht, einen Weißen zu peinigen, sowohl die Eingebornen freudig erregen, wie auch Jose-Antonio Alvez, selbst ein Neger wie jene; ebenso Coumbra, einen Mestizen von schwarzem Blute, und endlich Negoro, den ein wilder Haß gegen alle Menschen seiner Farbe erfüllte.

Der Abend brach herein, ein Abend ohne Dämmerung, der die Nacht dem Tage fast ohne Uebergang folgen ließ, und mit ihm die Stunde der Vorbereitung des Alkohol-Festes.

Gewiß war es eine prächtige Idee von Alvez, Sr. schwarzen Majestät einen Punsch zu offeriren und ihm den Alkohol unter noch unbekannter Form zu zeigen. Moini Loungga war nach und nach der Meinung geworden, das Feuerwasser mache seinem Namen nicht so besondere Ehre. Vielleicht reizte es in Flammen auflodernd die abgestumpften Papillen seiner Zunge etwas besser.

Das Programm der Abendunterhaltung umfaßte also einen Punsch als Anfang und eine Hinrichtung als Ende.

Dick Sand ward in einem dunklen Kerker sicher eingeschlossen, den er nur auf dem Wege zum Tode wieder verlassen sollte. Die übrigen Sklaven sperrte man, ob verkauft oder nicht, einstweilen wieder in die Baracken ein. Auf der Tchitoka blieben nur die Händler zurück, mit ihnen die Havildars und die Soldaten, um auch ihr Theil an dem Punsche zu haben, wenn der König und der Hof überhaupt etwas übrig ließen.

Jose-Antonio Alvez richtete mit Negoro's Hilfe Alles auf's Beste zu. Man brachte ein geräumiges Kupferbassin, das etwa 200 Pinten fassen mochte, und stellte es mitten auf dem großen Platze auf. In dieses Bassin wurden ganze Fäßchen mit sehr unreinem, aber desto stärkerem Alkohol entleert. Man schonte weder Zimmt noch Nelken, oder irgend eines der Ingredienzien, die diesen Punsch den Wilden recht schmackhaft machen konnten.

Alle schlossen einen Kreis um den König. Schwankend näherte sich Moini Loungga der Riesen-Bowle. Es hatte den Anschein, als bezaubere ihn diese Kufe voll Branntwein und als wolle er sich ganz hineinstürzen.[355]

Alvez hielt ihn vorsichtig zurück und gab ihm einen angezündeten Docht in die Hand.

»Feuer! rief er mit einer tückischen Miene der Befriedigung.

– Feuer!« wiederholte Moini Loungga, indem er die Flüssigkeit mit der Flamme peitschte.

Wie loderte es da empor und welche Zauberwirkung brachten die über die Oberfläche des Bassins weghüpfenden Flammen hervor! Alvez hatte, jedenfalls um den Alkohol noch etwas schärfer zu machen, demselben einige Hände voll Seesalz zugemischt. Die Gesichter der Umstehenden nahmen dadurch jene eigenthümliche Farbe an, welche die Phantasie den Gespenstern zuschreibt. Die schon vorher halbtrunkenen Neger singen an zu schreien, zu gesticuliren und bildeten, sich an den Händen fassend, einen ungeheuren Ring um den König von Kazonnde.

Alvez rührte mit gewaltigem, metallenem Schöpfeimer die Flüssigkeit um, welche einen grünlich-bleichen Schein auf den halbtrunkenen Kreis warf.

Jetzt schritt Moini Loungga vor. Er nahm den Punschlöffel aus der Hand des Agenten, tauchte ihn in das Bassin und näherte ihn, mit brennendem Punsch gefüllt, seinen Lippen.

Was schrie da der König von Kazonnde so furchtbar auf?

Ein Beispiel von Selbstverbrennung sollte sich hier ereignen. Der König hatte Feuer gefangen wie eine Petroleumkanne. Dieses Feuer verbreitete zwar nur wenig Hitze, zerstörte und verzehrte deshalb aber nicht weniger.

Die eben noch wild tanzenden Eingebornen erstarrten bei diesem Anblick.

Ein Minister Moini Loungga's stürzte sich auf ihn, um seinen Souverän zu löschen, fing aber, da er nicht weniger alkoholisirt war als sein Gebieter, ebenfalls Feuer.

Unter gleichen Verhältnissen wäre übrigens der ganze Hof Moini Loungga's in Gefahr gewesen, zu verbrennen.

Alvez und Negoro wußten nicht, wie sie Sr. Majestät helfen sollten. Die erschreckten Frauen hatten die Flucht ergriffen. Auch Coïmbra machte sich, in Berücksichtigung seiner ebenfalls leicht entzündbaren Natur, eiligst aus dem Staube.

Zwei Opfer der wüthendsten Schmerzen wälzten sich der König und sein Minister auf der Erde umher.[356]

Bei solchen durch und durch alkoholisirten Körpern erzeugt die Verbrennung nur eine leichte, bläuliche Flamme, welche Wasser nicht einmal zu löschen vermag. Selbst äußerlich erstickt, würde sie im Innern doch weiter brennen. Wenn alle Gewebe vom Branntwein durchdrungen sind, giebt es eben kein Mittel, der Verbrennung Einhalt zu thun.

Nach wenigen Minuten erlagen Moini Loungga und sein Minister ihren entsetzlichen Qualen, brannten aber auch noch später fort. Bald fand man auf der Stelle, wo sie zusammengebrochen waren, nur noch einige leichte Kohlen, ein paar Stückchen Wirbelsäule, einige Finger und Zehen, welche das Feuer bei einer solchen spontanen Verbrennung nicht verzehrt, aber mit übelriechendem, halb jauchigem Ruße überzieht.

Das war Alles, was vom König von Kazonnde und dessen Minister übrig blieb!

Quelle:
Jules Verne: Ein Kapitän von fünfzehn Jahren. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XXVII–XXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1879, S. 347-357.
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