Neuntes Kapitel.
Will Mitz.

[334] In der Nacht vom 22. zum 23. September glitt ein Boot etwas nach elf Uhr inmitten des Nebels auf dem Meere hin. Kaum schwankte es auf der schwachen Dünung, die von keinem Windhauch gestört wurde...

Geräuschlos trieben es zwei Ruder – wenigstens schätzungsweise – nach Nordosten hin, denn der von dem immer mehr verdichteten Nebel verhüllte Polarstern war nicht sichtbar.

Der Mann, der das Steuer führte, mochte es bedauern, daß das vorher drohende Gewitter nicht zum Ausbruch gekommen war. Hätte ihm zuweilen ein Blitz geleuchtet, so wäre es ihm möglich gewesen, geraden Wegs auf sein Ziel loszusteuern, während er jetzt aufs Geratewohl hinausfuhr. Ehe das Meer durch eine sogenannte Eilung (den kurzen Sturm vor einem Gewitter) aufgeregt worden wäre, hätte er bequem die kurze Strecke zurückgelegt, die ihn von seinem Ziele trennte, und das Heil aller wäre gesichert gewesen.

Das Boot trug elf Personen, zwei Männer und neun junge Leute, von denen die ältesten die Ruder handhabten. Einer der Männer erhob sich zuweilen, bemühte sich, durch einen gelegentlichen Spalt in dem wallenden Nebel etwas zu erkennen, und lauschte aufmerksam hinaus...

Es war das große Boot des »Alert«, das die Flüchtlinge davontrug, und worin Louis Clodion und Axel Wickborn ruderten, und Will Mitz war es, der am Steuer saß und in der Finsternis, die durch die Schwaden der warmen Nacht noch vermehrt wurde, seinen Weg zu finden suchte

Den »Alert« hatten sie schon seit einer Viertelstunde aus dem Gesicht verloren, das weiße Licht des Dreimasters sahen sie aber nicht, obgleich die Entfernung bis zu ihm eine halbe Seemeile nicht übersteigen konnte und er bei der anhaltenden Windstille unzweifelhaft noch an derselben Stelle lag wie in der Dämmerstunde.

Der Verlauf der Dinge war nun folgender gewesen:

Nach dem von ihm belauschten Gespräche zwischen Corty und Ranyah Cogh war Will Mitz unbemerkt unter dem Vorderkastell hervorgeschlüpft und[334] hatte sich in die gemeinschaftliche Kajüte begeben. Hier blieb er einige Minuten, um zu überlegen, was unter den gegebenen Verhältnissen am besten zu tun wäre.

Er hegte keinen Zweifel mehr: der Kapitän Paxton und seine Leute waren an Bord des »Alert« hingemordet worden, und als die Passagiere eintrafen, hatte sich das Schiff schon in den Händen Harry Markels und seiner Spießgesellen befunden.

Was die Verbrecher betraf, war Will Mitz von allem unterrichtet, was die Zeitungen auf den Antillen über die Räuberhorde des »Halifax« berichtet hatten, alles über ihre Verhaftung und ihre spätere Flucht aus dem Gefängnisse in Queenstown in Irland... eine Flucht, die mit dem Tage der Abfahrt des »Alert« zusammenfiel. Als sie sich dann des in der Farmarbucht verankerten Schiffes bemächtigt hatten, mußte der Mangel an Wind sie an der sofortigen Abfahrt gehindert haben. Am nächsten Tage erfolgte dann die Einschiffung des Herrn Patterson und der Pensionäre von der Antilian School. Den Grund, warum Harry Markel sich ihrer nicht ebenso entledigt hatte, wie es mit dem Kapitän Paxton und seiner Mannschaft geschehen war, und warum er seine Pläne auch auf der Fahrt von England nach den Antillen nicht ausgeführt hatte... diesen Grund konnte sich Will Mitz nicht enträtseln.

Jetzt war aber keine Zeit zu grübeln. Gelang es den Passagieren nicht, den »Alert« zu verlassen, so waren sie verloren. Sobald sich etwas Wind erhob, mußten sich die beiden Schiffe voneinander entfernen, und dann blieb das Gemetzel nicht aus. War das nicht diese Nacht, dann geschah es in der folgenden, ja vielleicht schon morgen am hellen Tage, wenn weit und breit kein Schiff zu sehen war. Obwohl jetzt über alles unterrichtet, konnte Will Mitz doch keine Erfolg versprechende Verteidigung ersinnen.

Da aber die Vorsehung selbst – man konnte wirklich so sagen – die Ausführung des grausigen Verbrechens verzögerte, galt es, aus diesem Umstande Nutzen zu ziehen und die Rettung da zu suchen, wo sie voraussichtlich zu finden war.

Jetzt hieß es also, von hier fortkommen, fortkommen, ohne überrascht zu werden. Harry Markel hatte sich in seine Kabine zurückgezogen und John Carpenter und Wagah hatten das Volkslogis aufgesucht, wo die andern schon schliefen. Vorn am Bug befand sich nur der wachthabende Matrose, dessen Aufmerksamkeit nach außen hin gerichtet war.[335]

Zu dem andern, still liegenden Schiffe zu gelangen, war nun zum Glück das große Boot vorhanden, das nach dem heutigen Fischfange auf Harry Markels Befehl an einer Schleppleine liegen geblieben war.

Ein Mann von Wagemut und Findigkeit, beschloß Will Mitz alles zu versuchen, seine Gefährten und damit auch sich selbst vor dem drohenden Verderben zu retten. Die Seeräuber vom »Halifax« an Bord des »Alert«!... Das erklärte ja den Widerwillen, den ihm der angebliche Kapitän Paxton von der ersten Stunde an einflößte, das peinliche Gefühl, das ihn beim Erblicken der Mannschaft erfüllte, und die verletzende Zurückhaltung, die diese mit Verbrechen belasteten Leute ihm gegenüber an den Tag legten.

Jetzt war nun kein Augenblick zu verlieren, die günstigen Verhältnisse auszunützen.

Die Schnelligkeit des Witterungswechsels in der Tropengegend ist ja allgemein bekannt, und jetzt genügte schon eine leichte Brise, den »Alert« weiter zu treiben, da weder die Mars- und das Briggsegel noch das eine Klüversegel eingebunden worden waren, sich also schon beim ersten Lufthauch aufblähen konnten. Gleichzeitig entfernte sich dann, doch in entgegengesetzter Richtung, auch das andere Schiff, und damit schwand jede Aussicht, es aufzufinden, was ja schon jetzt wegen der undurchsichtigen Luft mit großen Schwierigkeiten verknüpft war.

Zunächst galt es nun, die Passagiere einen nach dem andern zu wecken, sie mit wenigen Worten über die Sachlage aufzuklären und sie dann von der Rückseite der Hauptkajüte aus in das Boot zu bringen, ohne die Aufmerksamkeit des wachthabenden Matrosen zu erregen.

Vor allem wollte Will Mitz sich überzeugen, ob Harry Markel noch in seiner Kabine wäre, die gleich neben dem Aufgange zum Deckhause lag. Jedes Geräusch hätte ihn erwecken können, und war es dann nicht möglich, ihn am Rufen zu verhindern, so konnte die geplante Flucht kaum gelingen.

Will Mitz schlich sich nach der Tür der Kabine, legte das Ohr dicht daran und lauschte einige Augen blicke.

Harry Markel schlief offenbar fest, da er wußte, daß diese Nacht nichts zu tun war.

Will Mitz ging nach der Hauptkabine zurück und öffnete, ohne die über dem Tische hängende Lampe anzuzünden, eines der beiden am Heck angebrachten Fenster, die etwa sechs Fuß über der Schwimmlinie des Fahrzeuges lagen.[336]

Ob dieses Fenster wohl groß genug war, daß die Passagiere hindurch und in das darunter liegende Boot gelangen könnten?

Junge Leute... ja... doch etwas starke Männer... nein.

Glücklicherweise war Patterson keineswegs korpulent. Die Strapazen der Seefahrt hatten ihn eher noch etwas abmagern lassen, trotz der Schmäuse, an denen er sich bei Gelegenheit der Empfänge zu Ehren der Pensionäre der Antilian School immer mit vortrefflichem Appetit beteiligte.

Der schlanke und geschmeidige Will Mitz selbst konnte voraussichtlich durch das nicht gar so große Fenster schlüpfen.

Da die Flucht also möglich war, ohne dazu das Deck zu betreten, was sie wahrscheinlich unausführbar gemacht hätte, ging Will Mitz daran, seine Gefährten zu wecken.

Die erste Kabine, die er öffnete, war die Louis Clodions und Tony Renaults.


Die andern mußten Patterson helfen, als er an dem Seile hinabglitt. (S. 343.)
Die andern mußten Patterson helfen, als er an dem Seile hinabglitt. (S. 343.)

Beide schliefen, und Louis Clodion erwachte erst, als er eine Hand sich auf seine Schulter legen fühlte.

»Kein Wort! raunte Will Mitz ihm zu. Ich bin's...

– Was wollen Sie hier?

– Kein Wort! sag' ich. Wir schweben in schlimmster Gefahr!«

Eine kurze Mitteilung genügte zur Erklärung der Sachlage. Louis Clodion, der deren Ernst begriff, gelang es jedoch, an sich zu halten.

»Wecken Sie Ihren Kameraden, sagte noch Will Mitz. Ich werde die anderen benachrichtigen.

»Wie sollen wir aber entfliehen?

– Mit dem Boote. Das liegt am Heck noch an seiner Leine; damit gelangen wir nach jenem Dreimaster, der nicht fern von uns liegen kann.«

Louis Clodion verlangte keine weitere Erklärung, und während Will Mitz die Kabine verließ, weckte er Tony Renault, der sofort aufsprang, als er gehört hatte, um was es sich handelte.

Binnen wenigen Minuten waren alle jungen Pensionäre auf den Füßen, nur Patterson fehlte noch, da dieser erst zuletzt von der Sachlage unterrichtet werden sollte. Ihn wollte man nötigenfalls mit Gewalt in das Boot hinunterbefördern, ehe er zu weiterer Überlegung Zeit fand.

Zur Ehre der Antilian School sei hier auch hervorgehoben, daß sich keiner der Pensionäre gegenüber der Gefahr mutlos zeigte. Kein Klagelaut,[339] kein Schreckensruf kam über ihre Lippen, der die unter so schwierigen Verhältnissen versuchte Flucht hätte gefährden können.

Nur Niels Harboe, in dem ein gerechter Zorn aufwallte, sagte noch:

»Ich gehe nicht davon, ohne diesen elenden Schurken umgebracht zu haben.«

Damit wandte er sich schon der Kabine Harry Markels zu.

Will Mitz hielt ihn jedoch zurück.

»Sie werden das nicht tun, Herr Harboe, warnte er den jungen Hitzkopf. Harry Markel könnte erwachen, sobald Sie seine Kabine betreten; dann würde er um Unterstützung rufen, sich auch selbst wehren, und wir wären gewiß bald überwältigt!.. Gehen wir lieber schnell und geräuschlos ins Boot. Einmal an Bord jenes Schiffes, zweifle ich nicht, daß sein Kapitän bereit sein wird, sich des ›Alert‹ und der Banditen, die jetzt dessen Herrn sind, zu bemächtigen.«

Das war wohl auch das klügste, was sich tun ließ.

»Und unser Herr Patterson? fragte Roger Hinsdale besorgt.

– Steigen Sie nur zuerst ins Boot hinunter, antwortete Will Mitz, und wenn Sie Platz genommen haben, werden wir ihn schon nachbringen!«

Louis Clodion und seine Kameraden rafften noch einige warme Kleidungsstücke zusammen. Lebensmittel brauchten nicht mitgenommen zu werden, da es sich bis zu dem rettenden Schiffe ja nur um eine Fahrt von einer halben Seemeile handelte. Sollte das Boot auch das Aufsteigen des Nebels oder sogar den Anbruch des Tages abwarten müssen, so würde man jenes doch wenigstens dann sehen, und bemerkte sie dann auch die Mannschaft des »Alert«, so würden sie aufgenommen und in Sicherheit sein, ehe Harry Markel sie verfolgen lassen könnte.

Am meisten war nur ein plötzliches Aufspringen des Windes zu fürchten. In diesem Falle wäre das Schiff nach Westen, der »Alert« dagegen nach Osten davongesegelt, und dann wäre das Boot auf dem weiten, verlassenen Meere ohne Wasser und ohne Lebensmittel freilich in großer Gefahr gewesen.

Jedenfalls empfahl Hubert Perkins aber allen, ihren seidenen Sack mit den Guineen mitzunehmen. War der »Alert« beim Anbruch des Tages verschwunden, so könnte diese der Räuberbande entgangene Summe von siebentausend Pfund noch zur Heimreise der Flüchtlinge dienen.

Jetzt war der Augenblick gekommen.[340]

Louis Clodion stellte sich an die Tür der Kapitänskabine und überzeugte sich, daß Harry Markel noch immer fest schlief. Durch die Treppenkappe behielt er gleichzeitig den wachthabenden Matrosen auf dem Vorderdeck im Auge.

Will Mitz beugte sich zum Heckfenster hinaus, ergriff die dort herabhängende Leine und zog das Boot damit ganz nahe heran.

Der Nebel schien sich eher noch verdichtet zu haben, denn das Boot war jetzt kaum wahrzunehmen. Man hörte nichts als ein schwaches Plätschern des Wassers gegen den Kupferbeschlag des »Alert«.

Einer nach dem andern, John Howard und Axel Wickborn als die ersten, Hubert Perkins und Niels Harboe als die zweiten, Magnus Anders und Tony Renault als die dritten und Albertus Leuwen und Roger Hinsdale als die vierten, glitten an der von Will Mitz straff gehaltenen Leine hinunter. Jetzt befanden sich nur noch Will Mitz und Louis Clodion in der Kajüte.

»Achtung, flüsterte dieser. Dort nähert sich der Wachposten!

– Wir wollen warten, sagte Will Mitz.

– Er hat eine Laterne in der Hand, fuhr Louis Clodion fort.

– Schließen Sie vorsichtig die Tür, dann kann er nicht sehen, was in der Kajüte vorgeht.«

Der Matrose befand sich schon zwischen dem Fock- und dem Großmaste. Bestieg er auch das Hinterkastell, so verbarg ihm doch der Nebel wahrscheinlich das schon besetzte Boot, das in der nächsten Minute zum Abstoßen fertig sein sollte.

An dem unregelmäßigen Hin- und Herschwanken der Laterne erkannte Will Mitz jedoch, daß der Träger sich kaum auf den Füßen halten konnte. Jedenfalls hatte sich der Mann eine Flasche Brandy oder Gin zu verschaffen gewußt und hatte dieser dann übermäßig zugesprochen. Er mochte wohl ein Geräusch am Heck gehört haben und war dann ohne weitere Überlegung darauf zugeschwankt. Da jetzt aber alles still war, nahm er voraussichtlich seinen Platz am Bug des Schiffes bald wieder ein.

Das geschah denn auch: und sobald der Betrunkene zurückgetaumelt war, gingen Louis Clodion und Will Mitz daran, Herrn Patterson zu holen.

Der Mentor lag in tiefem Schlummer und schnarchte mächtig. Vielleicht war es auch das gewesen, was die Aufmerksamkeit des Wachtpostens erweckt hatte.

Jetzt hieß es, sich beeilen. Die bereits eingeschifften Passagiere wurden von Unruhe und Ungeduld fast verzehrt. Jeden Augenblick glaubten sie einen Alarmruf[341] zu hören und die Matrosen auf dem Hinterkastell auftauchen zu sehen. Abfahren konnten sie doch nicht, so lange Patterson, Louis Clodion und Will Mitz noch nicht bei ihnen waren. Erwachte aber Harry Markel, rief er nach seinen Leuten und folgten nur John Carpenter und Corty diesem Rufe, so waren die Flüchtlinge verloren. Die Nähe des anderen Schiffes hätte jetzt das geplante Gemetzel doch nicht mehr verhindert.

Louis Clodion betrat die Kabine Pattersons und berührte leise dessen Schulter. Das Schnarchen hörte so fort auf und dem Munde des Schlafenden entschlüpften die Worte:

»Madame Patterson... Trigonocephale... angelum... bald heiraten...«

Wovon mochte der würdige Mann träumen? Von der Schlange... von dem lateinischen Citate... und auch von einer Heirat!... Doch von welcher Heirat?

Da er nicht erwachte, schüttelte ihn Louis Clodion etwas kräftiger an der Schulter, nachdem er ihm die Hand auf den Mund gelegt hatte, um ihn am Schreien zu verhindern, wenn er sich im Halbschlaf etwa noch von dem schrecklichen Reptil in den Wäldern Martiniques bedroht sähe.

Diesmal erhob sich Patterson jedoch und erkannte sofort die Stimme dessen, der zu ihm sprach.

»Louis... Louis Clodion?« wiederholte er, verstand aber zuerst kaum die Mitteilung bezüglich des Kapitäns Paxton, der gar nicht der Kapitän Paxton wäre, ebensowenig, daß der »Alert« in Harry Markels Hände gefallen, und daß es unbedingt nötig sei, sich schleunigst den Passagieren anzuschließen, die ihn unten im Boote erwarteten.

Eines begriff er aber doch: daß das Leben der jungen Leute und auch das seinige bedroht wäre, wenn sie an Bord des »Alert« blieben, daß alles zur sofortigen Flucht vorbereitet sei und daß man nur ihn noch erwarte, um sich dann auf dem anderen Schiffe in Sicherheit zu bringen.

Patterson kleidete sich deshalb ebenso schnell wie kaltblütig an. Er fuhr eiligst in die Beinkleider, die er jedoch unten noch sorgsam ausstreifelte, legte die Weste an, in deren Tasche er die Uhr gleiten ließ, und zog seinen langen Rock darüber. Nachdem er sich dann noch mit dem Hute bedeckt hatte, sagte er zu dem ihn drängenden Will Mitz:

»Jetzt bin ich für Sie fertig, lieber Freund.«

Als Patterson aber das Reptil sah, das er zurücklassen mußte, wurde es ihm doch etwas schwer ums Herz; er hoffte indes, es an derselben Stelle[342] noch wiederzufinden, wenn der Harry Markel wieder abgenommene »Alert« in den nächsten Hafen Antiliens gebracht würde.

Nun blieb noch das Kunststück übrig, sich durch das schmale Fenster zu zwängen, die Leine zu ergreifen und daran in das Boot hinunter zu gleiten, ohne eine falsche Bewegung zu machen oder Geräusch zu erregen.

Als er schon aus der Kabine heraustrat, fiel es ihm noch ein, das Säckchen mit den siebenhundert Pfund der Mistreß Kathlen Seymour mitzunehmen und auch das Taschenbuch, in dem er alle Reiseausgaben eingetragen hatte, zwei Gegenstände, die in den großen Taschen seines Rockes bequem Platz fanden.

»Wer hätte sich so etwas von dem Kapitän Paxton träumen lassen!« murmelte er für sich hin.

In seiner Vorstellung flossen der Kapitän Paxton und Harry Markel noch immer zusammen; es war ihm noch nicht gelungen, die beiden einander so unähnlichen Persönlichkeiten auseinander zu halten.

Auf Geschwindigkeit und Geschicklichkeit war bei dem Mentor nicht viel zu rechnen. Die anderen mußten ihm helfen, als er an dem Seile hinabglitt. Am meisten fürchtete Will Mitz, daß er geräuschvoll ins Boot fallen könnte, denn das hätte trotz seines Rausches die Aufmerksamkeit des wachthabenden Matrosen erregen können.

Endlich erreichte Patterson mit dem einen Fuße eine der Bänke, und Axel Wickborn hielt ihn am Arme und führte ihn nach einem unbesetzten Platze.

Nun kam die Reihe an Louis Clodion, doch überzeugte dieser sich erst noch zum letztenmale, daß Harry Markels Schlaf nicht unterbrochen worden und daß auf dem Schiffe alles still war.

Nach ihm wand sich Will Mitz durch das Fenster und kletterte in einem Augenblick hinunter. Um mit der Lösung des Knotens am Seile keine Zeit zu verlieren, zog er sein Messer hervor und schnitt dieses ab, wobei noch ein vier bis fünf Fuß langes Stück am Heck des Schiffes hängen blieb.

Jetzt stieß das Boot vom »Alert« ab.

Sollte es Will Mitz und seinen Gefährten gelingen, sich an Bord des anderen Fahrzeuges zu flüchten? Würden sie dieses in dem dunkeln Nebel auffinden, bevor die Sonne wieder am Horizont heraufstieg? Lag es auch noch an seiner Stelle und trieb es nicht sogleich weiter, wenn sich eine Brise erhob, die ihm Fahrt zu machen ermöglichte?[343]

Wenn die Passagiere aber dem Schicksal entgingen, das Harry Markel und seine Spießgesellen ihnen zugedacht hatten, so hatten sie das jedenfalls Will Mitz zu danken, und ein wenig auch der Mistreß Kathlen Seymour, durch deren Befürwortung dieser sich auf dem »Alert« einschiffen konnte.

Quelle:
Jules Verne: Reisestipendien. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXXXIII–LXXXIV, Wien, Pest, Leipzig 1904, S. 334-337,339-344.
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