[93] Die vier Patres treten ein. Pater Ecstaticus, auf- und abschiebend, Pater Seraphicus, Pater Profundus, an ihrer Spitze Doktor Marianus.
DR. MARIANUS mit segnender Gebärde.
Sei benedeit, o Faust, auf diesen Wegen!
Zum letzten Schritt empfange unsern Segen!
FAUST.
Mit Ehrfurcht grüß ich euch, altheilige Gestalten,
Entschlossen, fromm und zahm die Weihung auszuhalten!
[93] Für sich.
Dem Teufel fast möcht' ich mich lieber stellen
Als diesen übeldunstigen Gesellen!
In dem durch Vorhang abgeteilten Nebenraum erscheint Mephistopheles mit Valentin, der eine Gerte trägt.
MEPHISTOPHELES für sich.
Brauchst ihn nicht zu zitieren,
Wirst ihn schon spüren!
DR. MARIANUS zu Faust.
Fürs erste bist du nun gebeten,
Hier in den innern Raum hineinzutreten.
Während Faust unbemerkt noch zögert, zu Lieschen.
Du, dieses Manns moralische Adjunkte,
Es gibt mitunter so gewisse Punkte,
Es kommt etwas, es geht jetzt etwas vor,
Das nicht wohl paßt für Weibes Aug und Ohr.
Dein Doktor Faustus wird ein wenig stöhnen,
Geh lieber fort, sei fern von diesen Tönen!
Die Festpokale wirst du gern noch scheuern,
Tu es und laß auf kurze Zeit den Teuern!
LIESCHEN.
Ach Gott, ach Gott, wird ihm doch nichts geschehen?
DR. MARIANUS.
Ah bah! Du wirst gesund ihn wiedersehen!
Lieschen geht ängstlich ab. Zu Bärbelchen.
Du sorge, daß aus eurer Brauerei
Das volle Faß nun bald zur Stelle sei,
Dein Mann hat jetzt was anderes zu tun.
BÄRBELCHEN.
Was denn? Was gibt es denn?
DR. MARIANUS.
Nun, nun,
Er wird ein wenig streichen.
BÄRBELCHEN.
Wen denn?[94]
DR. MARIANUS.
Den Faust, er hat bei ihm noch etwas gut.
Zwar du gehörst nicht zu den Allzuweichen,
Doch weilst du besser in des Kellers Hut.
BÄRBELCHEN.
Den Faust? Das wäre leichtlich zu ertragen,
Hört' ich den Herrn ein wenig winseln, klagen;
Auch sah ich oft mit guter Ruh
Dem Raufen und Balgen im Wirtshaus zu.
DR. MARIANUS.
Da sahst du nur bekleidete Gestalten;
Verschöben sich des Vorhangs breite Falten,
Der Anblick würde Frauen wohl beschämen:
Zur Adamstracht muß Faustus sich bequemen.
Geh lieber fort, es ist doch besser,
Und kümmre dich um deine Fässer.
Bärbelchen geht ab.
FAUST vortretend.
So, so? Und mich, mich fragt man nicht,
Ob ich es dulde, solches Schmachgericht?
DR. MARIANUS.
So nah, mein Freund, dem Tor des Paradieses,
Sei doch vernünftig und erwäge dieses!
Es sammeln sich durch unsre Sünden
In unsres irdischen Leibes Schlünden,
In unsern Därmen, Muskeln, Sehnen,
Arterien und Venen
Gewisse spröde Stockungen,
Gewisse Saftverhockungen,
Gichtische Pfropfungen,
Kalkige Stopfungen;
Durch diese, wenn sie zähe sich verklemmt,
Wird auch der Seele Rührigkeit gehemmt,
Vorab bei Denkern, welche viel gesessen
Und teils zu wenig, teils zu viel gegessen.
Da gibt's nichts Beßres als ein tüchtig Kneten,
Vereint natürlich mit andächt'gem Beten. –[95]
MEPHISTOPHELES für sich.
Das lassen wir auf sich beruhn,
Ich denk, es wird's auch so noch tun.
DR. MARIANUS.
Von Männerfaust läßt man die Muskel streichen,
Durchtalgend, mangend, bügelnd sie erweichen,
Man schafft durch diese gründliche Massage,
Dem trägen Blut erleichterte Passage,
Und mit der Flucht des Hämorrhoidalen
Erwacht die Seele neu zum Idealen.
Zu dieser Kur will's eine derbe Hand,
Drum ist dazu der Valentin ernannt.
Er hat in deinen Prüfungstagen
Dir deine Schuld nicht nachgetragen,
Hat dich geleitet, dich gestützt,
Als treuer Knappe dich beschützt,
Dies Satisfaktiönelein
Soll ihm darum gegönnet sein.
Ertrag es, wenn es brennt und saust,
Du weißt: es reimt sich Faust auf Faust!
Nun denn, so unterwerfe dich, mein Bester!
FAUST.
Die alte Schuld an Bruder und an Schwester
Bricht meinen Stolz. So führet mich hinein!
Auch diese Buße will geduldet sein.
Buchempfehlung
Als Blaise Pascal stirbt hinterlässt er rund 1000 ungeordnete Zettel, die er in den letzten Jahren vor seinem frühen Tode als Skizze für ein großes Werk zur Verteidigung des christlichen Glaubens angelegt hatte. In akribischer Feinarbeit wurde aus den nachgelassenen Fragmenten 1670 die sogenannte Port-Royal-Ausgabe, die 1710 erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Karl Adolf Blech von 1840.
246 Seiten, 9.80 Euro
Buchempfehlung
1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.
396 Seiten, 19.80 Euro