Scena quarta.

[269] Gott vater, Abraham, Sara.


GOTT VATER.

Abraham, kom her bald und sich!

ABRAHAM.

Hie bin ich, Herr. Ach was sol ich?

GOTT VATER.

Ach, ich kan dir nichts vorhalten

Mein gantz gemüt mannichfalten,

Das itzt bey mir beschlossen ist.

Vor mich ist komen zu dieser frist,

Ein geschrey vor mich ist komen[269]

Von Sodom, Gmor, hab vornommen,

Das ist sein schwer, darzu auch gros,

Und sündt seindt schwer on alle mos,

Derhalb ich hab auch gantz und gar

Bey mir beschlossen al vorwar,

Das ich die stedt wil vorterben,

Dann sie müssen alle sterben.

ABRAHAM.

Ach Herr, das sey gantz fehr von dir,

Das du den gerechten töttest schir

Mit dem Gotlosen zu der stundt.

Ach Herr, ich bit aus hertzen grundt,

So du ein rechter richter bist,

So richt nicht so zu dieser frist.

Ich hoff und gleube auch gantz frey,

Das es, Herr, gantz fern von dir sey,

Das der gerecht vor dich gestelt

Sey wie der Gottlos in der welt.

Wolst sie mit gleicher straff blonen!

Ach Herr, ich bit, du wolst vorschonen;

Auch itztundt zu diesen stunden

Mochten villeicht werden funden

Fünfftzig gerecht in dieser stadt.

GOTT VATER.

Vinde ich die, so wil ich drath

Allen dieses orts vorgeben,

Sollen bleiben bey dem leben.

ABRAHAM.

Herr, ich hab mich unterwunden

Mit dir zu reden zu den stunden,

Wann der gerechten weniger weren,

Wolstu sie dann gantz umbkeren?

GOTT VATER.

So der auch fünff und viertzick sein,[270]

So seint sie frey von aller pein.

ABRAHAM.

Wiewol ich nu zum fünfften mal

Gebeten hab auff zwentzig zal,

So zörne nicht, mein lieber herr,

Das ich noch eins möcht an beschwer

Bitten! Es möchten villeicht sein

Der grechten zehn, soltens mit pein

Mit den Gotlosen vorterben,

Also inn frembden sünden sterben?

Das sey, ach Herr, gantz fern von dir,

Ach Herr, inn dem erhör mich schir!

GOTT VATER.

Ich wil umb der zehen willen

Meinen zorn senfften und stillen,

Bey mir sie sollen ererben

Gnad, das sie nicht alle sterben.

ABRAHAM.

Ich dancke dir, Gott, zu dieser frist,

Das du mir so gnedig bist,

So freundlich und auch so gütig,

Barmhertzig, darzu holdselig,

Und kompts zu mir aus deinem tron,

Du einiger Gott, inn drey person,

Hast bey mir grugt und gessen,

Derhalb mein hertz mit freud besessen,

Darzu hastu Sara und mir

Auch einen son vorheischen schir,

Desgleich mein bit auch itzt erhort,

Das, wu ihr zhen zu Sodom nort

Gefunden werden recht und from,

Soln sie al bleiben inn der som,

Wilt sie inn keim weg vorterben,

Sollen itzt des todes nicht sterben.

Solch gros gnad, barmhertzigkeit[271]

Die hastu mir umbsonst bereit

An al verdienst aus gnaden gros,

Das danck ich dir on unterlos

Und bit aus grundt des hertzen mein,

Wolts Loth, meim bruder, gnedig sein,

Vor pein bhüten, vor aller nodt,

Und itzf erlösen aus dem todt.

SARA.

Gott von himel, ich dancke dir

Vor deine grosse genad, die du mir

Erzeiget hast inn alter fron

Und mir gegeben einen son,

Die ich doch alt, unfruchtbar war.

Drumb hastu mir bey allen dar

Ein hohn und gelecht zugericht.

Ider, so er hört die geschieht,

Wert bericht inn diesen Sachen,

Der wert meiner höhnlich lachen,

Und wer hets auch dörffen sagen,

Das ich solt inn mein alten tagen

Abraham gepern einen son?

Ich danck dir, Gott im höchsten tron,

Deiner gnad und barmhertzigkeit,

Bit, behüt uns vor allem leidt,

Mich und auch mein lieben herrn,

Darzu mein kind, das ich der ern

An ihm alzeit mög erleben,

Den du uns zu trost hast geben.


Quelle:
Dramen von Ackermann und Voith. Tübingen 1884, S. 269-272.
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