Zweiter Aufzug

[190] Ein geräumiges Zimmer im Hause Dalands; an den Seitenwänden Abbildungen von Seegegenständen, Karten usw. An der Wand im Hintergrunde das Bild eines Mannes mit dunklem Barte und in schwarzer Kleidung. – Mary und die Mädchen sitzen um den Kamin herum und spinnen; – Senta, in einem Großvaterstuhle zurückgelehnt und mit untergeschlagenen Armen, ist im träumerischen Anschauen des Bildes im Hintergrunde versunken.


MÄDCHEN.

Summ und brumm, du gutes Rädchen,

munter, munter dreh dich um!

Spinne, spinne tausend Fädchen,

gutes Rädchen, summ und brumm!

Mein Schatz ist auf dem Meere draus,

er denkt nach Haus

ans fromme Kind; –

mein gutes Rädchen, braus und saus!

Ach! gäbst du Wind,

er käm geschwind

Spinnt! Spinnt!

Fleißig, Mädchen!

summ! brumm!

Gutes Rädchen!

MARY.

Ei, fleißig! Fleißig, wie sie spinnen!

Will Jede sich den Schatz gewinnen.

MÄDCHEN.

Frau Mary, still! Denn wohl ihr wißt,

das Lied noch nicht zu Ende ist.

MARY.

So singt! Dem Rädchen läßt's nicht Ruh.


Zu Senta.


Du aber, Senta, schweigst dazu?

MÄDCHEN.

Summ und brumm, du gutes Rädchen!

Munter, munter dreh dich um!

Spinne, spinne tausend Fädchen,

gutes Rädchen, summ und brumm!

Mein Schatz da draußen auf dem Meer,

im Süden er

viel Gold gewinnt: –

ach! gutes Rädchen, saus noch mehr! –

er gibt's dem Kind,

wenn's fleißig spinnt![190]

Spinnt! Spinnt!

Fleißig, Mädchen!

Brumm! Summ!

Gutes Rädchen!

MARY zu Senta.

Du böses Kind! Wenn du nicht spinnst,

vom Schatz du kein Geschenk gewinnst!

MÄDCHEN.

Sie hat's nicht not, daß sie sich eilt;

ihr Schatz nicht auf dem Meere weilt: –

bringt er nicht Gold, bringt er doch Wild, –

man weiß ja, was ein Jäger gilt!


Sie lachen.

Senta ohne ihre Stellung zu verlassen, singt leise einen Vers aus der folgenden Ballade vor sich hin.


MARY.

Da seht ihrs! Immer vor dem Bild!

Willst du dein ganzes junges Leben

verträumen vor dem Konterfei?

SENTA ohne ihre Stellung zu verlassen.

Was hast du Kunde mir gegeben, –

was mir erzählet, wer er sei! –


Seufzend.


Der arme Mann!

MARY.

Gott sei mit dir!

MÄDCHEN.

Ei ei! Ei ei! Was hören wir!

Sie seufzet um den bleichen Mann!

MARY.

Den Kopf verliert sie noch darum!

MÄDCHEN.

Da sieht man, was ein Bild doch kann!

MARY.

Nichts hilft es, wenn ich täglich brumm!

Komm! Senta! Wend dich doch herum!

MÄDCHEN.

Sie hört euch nicht! Sie ist verliebt!

Ei, ei! Wenn's nur nicht Händel gibt!

Herr Erik hat gar heißes Blut, –

daß er nur keinen Schaden tut!

Sagt nichts! – Er schießt sonst wutentbrannt

den Nebenbuhler – von der Wand.


Sie lachen.


SENTA heftig auffahrend.

O schweigt! Mit eurem tollen Lachen

wollt ihr mich ernstlich böse machen?

MÄDCHEN fallen mit komischem Eifer sehr stark ein, indem sie die Spinnräder heftig und mit großem Geräusche drehen, gleichsam um Senta nicht Zeit zum Schmälen zu lassen.

Summ und brumm, du gutes Rädchen,

munter, munter dreh dich um![191]

Spinne, spinne tausend Fädchen!

Gutes Rädchen, summ und brumm!

SENTA ärgerlich unterbrechend.

Oh! Macht dem dummen Lied ein Ende!

Es brummt und summt nur vor dem Ohr.

Wollt ihr, daß ich mich zu euch wende,

so sucht was Besseres hervor!

MÄDCHEN.

Gut! Singe du!

SENTA.

Hört, was ich rate!

Frau Mary singt uns die Ballade.

MARY.

Bewahre Gott! Das fehlte mir!

Den fliegenden Holländer laßt in Ruh!

SENTA.

Wie oft doch hört ich sie von dir!

MARY.

Bewahre Gott! Das fehlte mir!

SENTA.

Ich sing sie selbst! Hört, Mädchen, zu!

Laßt mich's euch recht zu Herzen führen, –

des Ärmsten Los, es muß euch rühren!

MÄDCHEN.

Uns ist es recht!

SENTA.

Merkt auf die Wort!

MÄDCHEN.

Dem Spinnrad Ruh!

MARY ärgerlich.

Ich spinne fort!


Die Mädchen rücken, nachdem sie ihre Spinnräder bei Seite gesetzt haben, die Sitze dem Großvaterstuhle näher und gruppieren sich um Senta. Die Amme bleibt am Kamin sitzen und spinnt fort.


SENTA.

Johohoe! Johohoe! Hojohe!

Traft ihr das Schiff im Meere an,

blutrot die Segel, schwarz der Mast?

Auf hohem Bord der bleiche Mann,

des Schiffes Herr wacht ohne Rast.

Hui! – Wie saust der Wind! – Johohe! Hojohe!

Hui! – Wie pfeift's im Tau! – Johohe! Hojohe!

Hui! – Wie ein Pfeil fliegt er hin,

ohne Ziel, ohne Rast, ohne Ruh!

Doch kann dem bleichen Manne Erlösung einstens noch werden,

fänd er ein Weib, das bis in den Tod getreu ihm auf Erden! –

Ach! wann wirst du, bleicher Seemann, sie finden?

Betet zum Himmel, daß bald

ein Weib Treue ihm halt!


[192] Gegen das Ende der Strophe kehrt Senta sich gegen das Bild. Die Mädchen hören teilnahmvoll zu; die Amme hat aufgehört zu spinnen.


Bei bösem Wind und Sturmes Wut

umsegeln wollt er einst ein Kap;

er flucht' und schwur mit tollem Mut:

»In Ewigkeit laß ich nicht ab!« –

Hui! – Und Satan hört's! Johohe! – Hojohe!

Hui! – Und Satan hört's! – Johohe! Hojohe!

Hui! – Und verdammt zieht er nun

durch das Meer ohne Rast, ohne Ruh!

Doch, daß der arme Mann noch Erlösung fände auf Erden,

zeigt Gottes Engel an, wie sein Heil ihm einst könne werden!

Ach möchtest du, bleicher Seemann, sie finden!

Betet zum Himmel, daß bald

ein Weib Treue ihm halt!


Die Mädchen sind ergriffen und singen den Schlußreim leise mit. Senta fährt mit immer zunehmender Aufregung fort.


Vor Anker alle sieben Jahr,

ein Weib zu frei'n, geht er ans Land: –

er freite alle sieben Jahr ...

noch nie ein treues Weib er fand!

Hui! – »Den Anker los!« Johohe! Hojohe!

Hui! – »Die Segel auf!« – Johohe! Hojohe!

Hui! – »Falsche Lieb, falsche Treu!

Auf in See! Ohne Rast! Ohne Ruh!« – –


Senta, zu heftig angegriffen, sinkt in den Stuhl zurück; die Mädchen singen nach einer Pause leise weiter.


MÄDCHEN.

Ach! wo weilt sie, die dir Gottes Engel einst könne zeigen?

Wo triffst du sie, die bis in den Tod dein bliebe treueigen?

SENTA von plötzlicher Begeisterung hingerissen, springt vom Stuhle auf.

Ich sei's, die dich durch ihre Treu erlöset!

Mög Gottes Engel mich dir zeigen!

Durch mich sollst du das Heil erreichen!

MARY UND MÄDCHEN erschreckt aufspringend.

Hilf, Himmel! Senta! Senta!


Erik ist zur Türe hereingetreten und hat Sentas Ausruf vernommen.


ERIK.

Senta! Senta! Willst du mich verderben?

MÄDCHEN.

Helft, Erik, uns! Sie ist von Sinnen!

MARY.

Ich fühle mir das Blut gerinnen![193]

Abscheulich Bild, du sollst hinaus!

Kommt nur der Vater erst nach Haus!

ERIK düster.

Der Vater kommt.


Senta die in ihrer letzten Stellung verblieben und von allem nichts vernommen hatte, wie erwachend und freudig auffahrend.


Der Vater kommt?

ERIK.

Vom Felsen sah sein Schiff ich nahn.

MARY außer sich.

Nun seht, zu was eu'r Treiben frommt!

Im Hause ist noch nichts getan!

MÄDCHEN voll Freude.

Sie sind daheim! – Auf, eilt hinaus!

MARY die Mädchen zurückhaltend.

Halt, halt! Ihr bleibet fein im Haus!

Das Schiffsvolk kommt mit leerem Magen;

in Küch und Keller, säumet nicht!

Laßt euch nur von der Neugier plagen!

Vor allem geht an eure Pflicht!

MÄDCHEN für sich.

Ach! Wie viel hab ich ihn zu fragen!

Ich halte mich vor Neugier nicht! –

Schon gut! Sobald nur aufgetragen,

hält hier uns länger keine Pflicht!


Mary treibt die Mädchen hinaus und folgt ihnen Senta will ebenfalls fort; Erik hält sie zurück.


ERIK.

Bleib, Senta! Bleib nur einen Augenblick!

Aus meinen Qualen reiße mich! Doch willst du, –

ach, so verdirb mich ganz!

SENTA zögernd.

Was ist? Was soll?

ERIK.

O, Senta, sprich, was aus mir werden soll?

Dein Vater kommt ... eh wieder er verreist,

wird er vollbringen, was schon oft er wollte ...

SENTA.

Und was meinst du?

ERIK mit Entschluß und Verzweiflung.

Dir einen Gatten geben!

Mein Herz voll Treue bis zum Sterben,

mein dürftig Gut, mein Jägerglück: –

darf so um deine Hand ich werben?

Stößt mich dein Vater nicht zurück?

Wenn sich mein Herz im Jammer bricht, –

sag, Senta, wer dann für mich spricht?

SENTA.

O, schweige, Erik, jetzt! Laß mich hinaus,

den Vater zu begrüßen![194]

Wenn nicht wie sonst an Bord die Tochter kommt, –

wird er nicht zürnen müssen?

ERIK.

Du willst mich fliehn?

SENTA.

Ich muß zum Port!

ERIK.

Du weichst mir aus?

SENTA.

Ach, laß mich fort!

ERIK.

Fliehst du zurück vor dieser Wunde,

die du mir schlugst, dem Liebeswahn?

O, höre mich zu dieser Stunde!

Hör meine letzte Frage an! –

Wenn dieses Herz im Jammer bricht,

wird's Senta sein, die für mich spricht?

SENTA schwankend.

Wie? Zweifelst du an meinem Herzen?

Du zweifelst, ob ich gut dir bin?

Oh! sag, was weckt dir solche Schmerzen?

Was trübt mit Argwohn deinen Sinn?

ERIK.

Dein Vater, – ach! nach Schätzen geizt er nur!

Und Senta, du ... wie dürft auf dich ich zählen?

Erfülltest du nur eine meiner Bitten?

Kränkst du mein Herz nicht jeden Tag?

SENTA.

Dein Herz?

ERIK.

Was soll ich denken? ... Jenes Bild ...

SENTA.

Das Bild?

ERIK.

Lässt du von deiner Schwärmerei wohl ab?

SENTA.

Kann meinem Blick Teilnahme ich verwehren?

ERIK.

Und die Ballade ... heut noch sangst du sie!

SENTA.

Ich bin ein Kind, und weiß nicht, was ich singe!

O sag, wie? Fürchtest du ein Lied – ein Bild?

ERIK.

Du bist so bleich ... sag, sollte ich's nicht fürchten?

SENTA.

Soll mich des Ärmsten Schreckenslos nicht rühren?

ERIK.

Mein Leiden, Senta, rührt es dich nicht mehr?

SENTA.

O, prahle nicht! Was kann dein Leiden sein?

Kennst jenes Unglücksel'gen Schicksal du?


Auf das Bild hindeutend.


Fühlst du den Schmerz, den tiefen Gram,

mit dem herab auf mich er sieht?

Ach, was die Ruhe für ewig ihm nahm,

wie schneidend Weh durchs Herz mir zieht!

ERIK.

Weh mir! Es mahnt mich mein unsel'ger Traum!

Gott schütze dich! Satan hat dich umgarnt!

SENTA.

Was erschreckt dich so?

ERIK.

Senta! Laß dir vertraun!

Ein Traum ist's ... hör' ihn zur Warnung an!


[195] Senta setzt sich erschöpft in den Lehnstuhl nieder; bei dem Beginn von Eriks Erzählung versinkt sie wie in magnetischen Schlaf, so daß es scheint, als träume sie den von ihm erzählten Traum ebenfalls. Erik steht an den Stuhl gelehnt zur Seite.


ERIK mit gedämpfter Stimme.

Auf hohem Felsen lag ich träumend,

sah unter mir des Meeres Flut; –

die Brandung hört ich, wie sich schäumend

am Ufer brach der Wogen Wut!

Ein fremdes Schiff am nahen Strande

erblickt ich – seltsam – wunderbar.

Zwei Männer nahten sich dem Lande,

der Ein' – ich sah's – dein Vater war.

SENTA mit Spannung.

Der Andre? ...

ERIK.

Wohl erkannt' ich ihn ...

mit schwarzem Wams – und bleicher Mien'

SENTA mit zunehmender Spannung ...

und düst'rem Blick ...

ERIK auf das Bild deutend ...

der Seemann, er.

SENTA.

Und ich ...?

ERIK.

Du kamst vom Hause her;

du flogst, den Vater zu begrüßen ...

Doch kaum noch sah ich an dich langen,

du stürztest zu des Fremden Füßen, –

ich sah dich seine Knie umfangen ...

SENTA.

Er hub mich auf ...

ERIK.

An seine Brust: –

voll Inbrunnst hingst du dich an ihn, –

du küßtest ihn mit heißer Lust ...

SENTA.

und dann ...?

ERIK Senta mit unheimlicher Verwunderung anblickend.

sah ich aufs Meer euch fliehn.

SENTA in Ekstase.

Er sucht mich auf! Ich muß ihn sehn;

mit ihm muß ich zu Grunde gehn!

ERIK in Verzweiflung.

Entsetzlich! Mir wird es klar!

Sie ist dahin! Mein Traum sprach wahr!


Er stürzt voll Verzweiflung und Entsetzen ab.


SENTA nach dem Ausbruch ihrer Begeisterung in stummes Sinnen versunken, verbleibt in ihrer Stellung, den Blick auf das Bild geheftet; nach einer Pause singt sie leise, aber tief ergriffen.

Ach, möchtest du, bleicher Seemann, sie finden!

Betet zum Himmel, daß bald

ein Weib Treue ihm ...


Die Türe geht auf. Daland und der Holländer zeigen sich.[196] Der Holländer ist sogleich eingetreten; Sentas Blick streift von dem Bilde auf den Holländer, sie stößt einen gewaltigen Schrei der Überraschung aus und bleibt wie festgebannt stehen.


DALAND ist unter der Türe stehen geblieben und scheint zu erwarten, daß ihm Senta entgegenkomme. – Sich allmählich Senta nähernd.

Mein Kind, du siehst mich auf der Schwelle ...

Wie? – Kein Umarmen? Keinen Kuß?

Du bleibst gebannt auf deiner Stelle ...

Verdien ich, Senta, solchen Gruß?

SENTA als Daland bei ihr anlangt, ergreift sie seine Hand.

Gott dir zum Gruß! –


Ihn näher an sich ziehend.


Mein Vater, sprich! –

Wer ist der Fremde?

DALAND lächelnd.

Drängst du mich?

Mögst du, mein Kind, den fremden Mann willkommen heißen!

Seemann ist er, gleich mir, das Gastrecht spricht er an.

Lang ohne Heimat, stets auf fernen, weiten Reisen,

in fremden Landen er der Schätze viel gewann.

Aus seinem Vaterland verwiesen,

für einen Herd er reichlich lohnt. –

Sprich, Senta, würd es dich verdrießen,

wenn dieser Fremde bei uns wohnt?


Senta nickt beifällig mit dem Kopfe; Daland wendet sich zum Holländer.


Sagt, hab ich sie zu viel gepriesen?

Ihr seht sie selbst, ... ist sie euch recht?

Soll ich vom Lob noch überfließen?

Gesteht, sie zieret ihr Geschlecht!


Der Holländer macht eine beifällige Bewegung.


Mögst du mein Kind, dem Manne freundlich dich erweisen,

von deinem Herzen auch spricht holde Gab er an;

reich ihm die Hand, denn Bräutigam sollst du ihn heißen!

Stimmst du dem Vater bei, ist morgen er dein Mann.


Senta macht eine heftige schmerzliche Bewegung. Daland zieht einen Schmuck hervor und wendet sich wieder zu Senta.


Sieh dieses Band, sieh diese Spangen! –

Was er besitzt, macht dies gering.

Muß, teures Kind, dich's nicht verlangen?

Dein ist es, wechselst du den Ring!


[197] Senta, ohne Daland zu beachten, wendet ihren Blick nicht vom Holländer ab, sowie auch dieser nur in Sentas Anblick versunken ist. – Daland betrachtet sie.


Doch ... keines spricht! ... Sollt ich hier lästig sein?

So ist's – am besten laß ich sie allein.


Zu Senta.


Mögst du den edlen Mann gewinnen!

Glaub mir, solch Glück wird nimmer neu!


Zum Holländer.


Bleibt hier allein! Ich geh von hinnen ...

Glaubt mir, wie schön, so ist sie treu!


Daland geht langsam ab, indem er wohlgefällig auf Senta und den Holländer zurückblickt. – Senta und der Holländer allein


HOLLÄNDER tief ergriffen.

Wie aus der Ferne längst vergang'ner Zeiten

spricht dieses Mädchens Bild zu mir;

wie ich's geträumt seit bangen Ewigkeiten,

vor meinen Augen seh ich's hier.

Wohl hub auch ich voll Sehnsucht meine Blicke

aus tiefer Nacht empor zu einem Weib; –

ein schlagend Herz ließ, ach! mir Satans Tücke,

daß eingedenk ich meiner Qualen bleib!

Die düst're Glut, die hier ich fühle brennen,

sollt ich Unseliger sie Liebe nennen?

Ach nein! Die Sehnsucht ist es nach dem Heil:

würd es durch solchen Engel mir zu Teil!

SENTA.

Versank ich jetzt in wunderbares Träumen?

Was ich erblicke, ist's ein Wahn?

Weilt ich bisher in trügerischen Räumen?

Brach des Erwachens Tag heut an? –

Er steht vor mir mit leidenvollen Zügen,

es spricht sein unerhörter Gram zu mir.

Kann tiefen Mitleids Stimme mich belügen?

Wie ich ihn oft gesehn, so steht er hier.

Die Schmerzen, die in meinem Busen brennen, –

ach! dies Verlangen, wie soll ich es nennen?

Wonach mit Sehnsucht es ihn treibt, – das Heil,

würd es, du Ärmster, dir durch mich zuteil!

HOLLÄNDER sich Senta etwas nähernd.

Wirst du des Vaters Wahl nicht schelten?

Was er versprach, wie – dürft es gelten?[198]

Du könntest dich für ewig mir ergeben,

und deine Hand dem Fremdling reichtest du?

Soll finden ich, nach qualenvollem Leben,

in deiner Treu die lang ersehnte Ruh?

SENTA.

Wer du auch seist, und welches das Verderben,

dem grausam dich dein Schicksal konnte weihn; –

was auch das Los, das ich mir sollt erwerben: –

gehorsam stets werd ich dem Vater sein.

HOLLÄNDER.

So unbedingt, wie? könnte dich durchdringen

für meine Leiden tiefstes Mitgefühl?

SENTA für sich.

O, welche Leiden! Könnt ich Trost dir bringen!

HOLLÄNDER der Sentas Ausbruch vernommen hat.

Welch holder Klang im nächtigen Gewühl!


Sehr bewegt.


Du bist ein Engel, – eines Engels Liebe

Verworf'ne selbst zu trösten weiß ...!

Ach, wenn Erlösung mir zu hoffen bliebe,

Allewiger! Durch diese sei's!

SENTA für sich.

Ach! wenn Erlösung ihm zu hoffen bliebe,

Allewiger, durch mich nur sei's!

HOLLÄNDER zu Senta.

Ach! könntest das Geschick du ahnen,

dem dann mit mir du angehörst, –

dich würd es an das Opfer mahnen,

das du mir bringst, wenn Treu du schwörst!

Es flöhe schaudernd deine Jugend

dem Lose, dem du sie willst weihn, –

nennst du des Weibes schönste Tugend,

nennst ew'ge Treue du nicht dein!

SENTA.

Wohl kenn ich Weibes heil'ge Pflichten; –

sei drum getrost, unsel'ger Mann!

Laß über die das Schicksal richten,

die seinem Spruche trotzen kann!

In meines Herzens höchster Reine

kenn ich der Treue Hochgebot: –

wem ich sie weih, schenk ich die Eine,

die Treue bis zum Tod!

HOLLÄNDER mit Erhebung.

Ein heil'ger Balsam meinen Wunden

dem Schwur, dem hohen Wort entfließt.

Hört es: mein Heil hab ich gefunden!

Mächte, die ihr zurück mich stießt![199]

Du, Stern des Unheils, sollst erblassen,

Licht meiner Hoffnung, leuchte neu!

Ihr Engel, die mich einst verlassen!

Stärkt jetzt dies Herz in seiner Treu!

SENTA.

Von mächt'gem Zauber überwunden,

reißt's mich zu seiner Rettung fort.

Hier habe Heimat er gefunden!

Hier ruh sein Schiff in sich'rem Port!

Was ist's, das mächtig in mir lebet?

Was schließt berauscht mein Busen ein?

Allmächt'ger, was so hoch mich erhebet,

laß es die Kraft der Treue sein!

DALAND tritt wieder auf.

Verzeiht! Mein Volk hält draußen sich nicht mehr ...

nach jeder Rückkunft, wisset, gibt's ein Fest: –

verschönern möcht ich's, – komme deshalb her, –

ob mit Verlobung sich's vereinen läßt?


Zum Holländer.


Ich denk, ihr habt nach Herzenswunsch gefreit?

Senta, mein Kind, sag, bist auch du bereit?

SENTA mit feierlicher Entschlossenheit.

Hier meine Hand! Und ohne Reu

bis in den Tod gelob ich Treu!

HOLLÄNDER.

Sie reicht die Hand! Gesprochen sei

Hohn, Hölle, dir durch ihre Treu!

DALAND.

Euch soll dies Bündnis nicht gereun!

Zum Fest! Heut soll sich Alles freun!


Sie gehen ab. Der Vorhang fällt.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 190-200.
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