Zweite Szene

[298] Elsa ist, als die Züge das Gemach verlassen haben, wie überselig Lohengrin an die Brust gesunken. – Lohengrin setzt sich, während der Gesang verhallt, auf einem Ruhebett am Erkerfenster nieder, indem er Elsa sanft nach sich zieht.


LOHENGRIN.

Das süße Lied verhallt; wir sind allein,

zum ersten Mal allein, seit wir uns sahn.

Nun sollen wir der Welt entronnen sein,

kein Lauscher darf des Herzens Grüßen nahn!

Elsa, mein Weib! Du süße, reine Braut!

Ob glücklich du, das sei mir jetzt vertraut!

ELSA.

Wie wär ich kalt, mich glücklich nur zu nennen,

besitz ich aller Himmel Seligkeit![298]

Fühl ich zu dir so süß mein Herz entbrennen,

atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.

LOHENGRIN feurig.

Vermagst du, Holde, glücklich dich zu nennen,

gibst du auch mir des Himmels Seligkeit!


Zärtlich.


Fühl ich zu dir, so süß mein Herz entbrennen,

atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.

BEIDE.

Fühl ich so süß, so süß mich entbrennen,

atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.

LOHENGRIN.

Wie hehr erkenn ich unsrer Liebe Wesen!

Die nie sich sahn, wir hatten uns geahnt;

war ich zu deinem Streiter auserlesen,

hat Liebe mir zu dir den Weg gebahnt:

dein Auge sagte mir dich rein von Schuld, –

mich zwang dein Blick zu dienen deiner Huld.

ELSA.

Doch ich zuvor schon hatte dich gesehen,

in sel'gem Traume warst du mir genaht;

als ich nun wachend dich sah vor mir stehen,

erkannt ich, daß du kamst auf Gottes Rat.

Da wollte ich vor deinem Blick zerfließen,

gleich einem Bach umwinden deinen Schritt,

gleich einer Blume, duftend auf der Wiesen,

wollt ich entzückt mich beugen deinem Tritt!

Ist dies nur Liebe? – Wie soll ich es nennen,

dies Wort, so unaussprechlich wonnevoll,

wie, ach! dein Name, – den ich nie soll kennen,

bei dem ich nie mein Höchstes nennen soll!

LOHENGRIN schmeichelnd.

Elsa!

ELSA.

Wie süß mein Name deinem Mund entgleitet!

Gönnst du des deinen holden Klang mir nicht?

Nur wenn zur Liebesstille wir geleitet,

sollst du gestatten, daß mein Mund ihn spricht.

LOHENGRIN.

Mein süßes Weib!

ELSA.

Einsam, wenn niemand wacht: –

nie sei der Welt er zu Gehör gebracht.

LOHENGRIN umfaßt Elsa freundlich und deutet durch das offene Fenster auf den Blumengarten.

Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?

O, wie so hold berauschen sie den Sinn!

Geheimnisvoll sie nahen durch die Lüfte,

fraglos geb ihrem Zauber ich mich hin. –


Mit erhobener Stimme.
[299]

So ist der Zauber, der mich dir verbunden,

da ich zuerst, du Süße, dich ersah;

nicht deine Art ich brauchte zu erkunden,

dich sah mein Aug', mein Herz begriff dich da.

Wie mir die Düfte hold den Sinn berücken,

nahn sie mir gleich aus rätselvoller Nacht –


Feurig.


so deine Reine mußte mich entzücken,

traf ich dich auch in schwerer Schuld Verdacht.


Elsa birgt ihre Beschämung, indem sie sich demütig an ihn schmiegt.


ELSA.

Ach, könnt ich deiner wert erscheinen,

müßt ich vor dir nicht bloß vergehn;

könnt ein Verdienst mich dir vereinen,

dürft ich in Pein für dich mich sehn!

Wie du mich trafst vor schwerer Klage,

o wüßte ich auch dich in Not;

daß mutvoll ich ein Mühen trage,

kennt ich ein Sorgen, das dir droht!

Wär das Geheimnis so geartet,

das aller Welt verschweigt dein Mund?


Immer geheimnisvoller.


Vielleicht, daß Unheil dich erwartet,

würd aller Welt es offen kund?

Wär es so, und dürft ich's wissen,

dürft ich in meiner Macht es sehn, –

durch Keines Drohn sei mir's entrissen,

für dich wollt' ich zum Tode gehn.

LOHENGRIN.

Geliebte!

ELSA immer leidenschaftlicher.

O, mach mich stolz durch dein Vertrauen,

daß ich in Unwert nicht vergeh!

Laß dein Geheimnis mich durchschauen,

daß, wer du bist, ich offen seh!

LOHENGRIN.

Ach, schweige, Elsa!

ELSA immer drängender.

Meiner Treue

enthülle deines Adels Wert!

Woher du kamst, sag ohne Reue –

durch mich sei Schweigens Kraft bewährt.

LOHENGRIN streng und ernst, einige Schritte zurücktretend.

Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken,

da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt;[300]

wirst nimmer du vor dem Gebote wanken,

hoch über alle Fraun dünkst du mich wert. –


Er wendet schnell sich wieder liebevoll zu Elsa.


An meine Brust, du Süße, Reine!

Sei meines Herzens Glühen nah,

daß mich dein Auge sanft bescheine,

in dem ich all mein Glück ersah!


Feurig.


O gönne mir, daß mit Entzücken

ich deinen Atem sauge ein;

laß fest, ach, fest an mich dich drücken,

daß ich in dir mög glücklich sein!

Dein Lieben muß mir hoch entgelten

für das, was ich um dich verließ;

kein Los in Gottes weiten Welten

wohl edler als das meine hieß!

Böt mir der König seine Krone,

ich dürfte sie mit Recht verschmähn.

Das Einz'ge, was mein Opfer lohne,

muß ich in deiner Lieb' ersehn.

Drum wolle stets den Zweifel meiden,

dein Lieben sei mein stolz Gewähr!

Denn nicht komm ich aus Nacht und Leiden,

aus Glanz und Wonne komm ich her!

ELSA.

Hilf Gott, was muß ich hören!

Welch Zeugnis gab dein Mund!

Du wolltest mich betören,

nun wird mir Jammer kund!

Das Los, dem du entronnen,

es war dein höchstes Glück;

du kamst zu mir aus Wonnen,

und sehnest dich zurück!

Wie soll ich Ärmste glauben,

dir g'nüge meine Treu'?

Ein Tag wird dich mir rauben

durch deiner Liebe Reu'!

LOHENGRIN.

Halt ein, dich so zu quälen!

ELSA.

Was quälest du mich doch!

Soll ich die Tage zählen,

die du mir bleibest noch?

In Sorg' um dein Verweilen

verblüht die Wange mir, –

dann wirst du mir enteilen,[301]

im Elend bleib ich hier!

LOHENGRIN.

Nie soll dein Reiz entschwinden,

bleibst du von Zweifel rein!

ELSA.

Ach, dich an mich zu binden,

wie sollt ich mächtig sein!

Voll Zauber ist dein Wesen,

durch Wunder kamst du her; –

wie sollt ich da genesen,

wo fänd ich dein' Gewähr?


Sie schreckt in heftigster Aufregung zusammen und hält an, wie um zu lauschen.


Hörtest du nichts? Vernahmest du kein Kommen?

LOHENGRIN.

Elsa!

ELSA vor sich hinstarrend.

Ach nein! ... Doch dort – der Schwan – der Schwan!

Dort kommt er auf der Wasserflut geschwommen, –

du rufest ihm, – er zieht herbei den Kahn! –

LOHENGRIN.

Elsa! Halt ein! Beruh'ge deinen Wahn!

ELSA.

Nichts kann mir Ruhe geben,

dem Wahn mich nichts entreißt,

als – gelt es auch mein Leben –

zu wissen, wer du seist!

LOHENGRIN.

Elsa, was willst du wagen?

ELSA.

Unselig holder Mann,

hör, was ich dich muß fragen!

Den Namen sag mir an!

LOHENGRIN.

Halt ein!

ELSA.

Woher die Fahrt?

LOHENGRIN.

Weh dir!

ELSA.

Wie deine Art?

LOHENGRIN.

Weh uns! Was tatest du?


Elsa gewahrt Friedrich und seine vier Genossen, welche mit gezückten Schwertern durch eine hintere

Tür hereinbrechen.


ELSA nach einem Schrei.

Rette dich! Dein Schwert, dein Schwert!


Sie reicht das am Ruhebett angelehnte Schwert hastig Lohengrin, so daß dieser schnell es aus der Scheide, welche sie hält, ziehen kann; Lohengrin streckt Friedrich, welcher nach ihm ausholt, mit einem Streiche tot zu Boden; den entsetzten Edlen entfallen die Schwerter, sie stürzen zu Lohengrins Füßen auf die Knie. – Elsa, die sich an Lohengrins Brust geworfen hatte, sinkt ohnmächtig langsam an ihm zu Boden. Langes[302] Stillschweigen. Lohengrin, tief erschüttert, steht allein aufrecht.


LOHENGRIN.

Weh, nun ist all unser Glück dahin!


Er neigt sich zu Elsa hinab, erhebt sie sanft und lehnt sie auf das Ruhebett.


ELSA matt die Augen aufschlagend.

Allewiger, erbarm dich mein!


Auf Lohengrins Zeichen erheben sich die vier Edlen.


LOHENGRIN.

Tragt den Erschlag'nen vor des Königs Gericht!


Die Edlen nehmen die Leiche Friedrichs auf und

entfernen sich mit ihr durch die Türe rechts. – Lohengrin läutet an einem Glockenzuge; zwei Frauen treten von links ein.


Sie vor den König zu geleiten,

schmückt Elsa, meine süße Frau! –

Dort will ich Antwort ihr bereiten,

daß sie des Gatten Art erschau'!


Er geht mit traurig feierlicher Haltung ab. – Die Frauen geleiten Elsa, die keines Wortes mächtig ist, nach links von dannen. – Der Tag hat langsam begonnen zu grauen; die Kerzen sind verloschen. – Wie aus dem Burghof vernimmt man den kriegerischen Ruf zum Aufbruch. – Ein großer Vorhang fällt im Vordergrunde zusammen und schließt die Bühne gänzlich.


Quelle:
Richard Wagner: Die Musikdramen. Hamburg 1971, S. 298-303.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Lohengrin
Lohengrin: Einsam in trüben Tagen (Elsas Traum). WWV 75. Sopran und Klavier. (Edition Schott Einzelausgabe)
Lohengrin: Treulich geführt (Brautlied). WWV 75. hohe Singstimme und Klavier. (Edition Schott Einzelausgabe)

Buchempfehlung

Anonym

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Schi-King. Das kanonische Liederbuch der Chinesen

Das kanonische Liederbuch der Chinesen entstand in seiner heutigen Textfassung in der Zeit zwischen dem 10. und dem 7. Jahrhundert v. Chr. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Victor von Strauß.

298 Seiten, 15.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon