Die sechzehnte Fabel.

Von einer römischen Reise.

[179] Einsmals gedacht zu werden from

Und zoh aus Deutschland hin nach Rom;

Doch ward ich auf der reis nit bider,

Trug zwibeln hin, bracht knobloch wider.

Denn das ist je ein alte weis,

Wie jeder solches selb wol weiß,

Wer da gewest, darf mans nit sagen:

Zu Rom holt man ein bösen magen,

Ein leren seckel, bös gewißen

Und wird gar oft umbs gelt beschißen.

Da gieng ich in das deutsche haus

Und fordert den patron heraus.

Ein jung gesell kam ausher gan

Und sahe mich an der türen stan,

Grüßt mich und bald fragen begunt,

Wie es in deutschen landen stunt.

Ich tet im bricht von allen sachen,

Und gunten weiter kundschaft machen.

Zuletzt gab sich zurkennen mir,

Wie daß er einr von Honstein wer.[179]

Waren beid alte schulgesellen:

Da tet er sich zwar freundlich stellen.

Wie ich mein sach het ausgericht,

Sprach er: »Heut wölln wir scheiden nicht.«

Fürt mich und mein geselln nit fern

Am Campoflor in ein tabern

Umb zeigers acht am morgen fru.

Ongfer kam noch ein gsell dazu,

Ein preuß, so ich mich recht bedenk,

Der hieß Achaci von der Trenk.

Er ließ bald speis und brot auftragen

Und nach dem besten cursa fragen.

Wir setzten uns; ich schmeckt den wein.

Bald kamen auch zwen mönch herein

Und sprachen: »Bon profatz, missier!

Möchtn wir ein juli oder vier

Verzeren in eur companei?«

Achaci sprach: »Setzt euch herbei!«

Zwei weiber folgten auch den beiden,

Welche die mönch hetten bescheiden;

Die setztens bei sich an die seiten,

Wie sichs gebürt eelichen leuten.

Das gmach war offen, breit und weit,

Saßen umbher mancherlei leut.

Zuletzt gunt sie der wein bewegen;

Der alte Adam wolt sich regen,

Und sahe so vil der groben boßen,

Daß ich zuletst ward gar verdroßen,

Gedacht: es ist allhie zu Rom,

Da solten je die leut sein from;

Dazu sein diß geistlich person,

Die solten je dasselb nit ton,

Han vor den leuten keine scheu;

Und sprach: »Nun wil ich auf mein treu

Hingen und laßens so geschehen;

Ich mag die schand nit leng ansehen,

An irer sünd kein teil nit han.«

Da antwort nur der edelman,[180]

Der mich daselben het geladen,

Sprach: »Sitzt, es ist euch one schaden.

Wo ir wolt bleiben lang zu Rom,

Müßt euch nit stellen allzu from

Und euer er so ser nit schonen;

Ir müßt des landes weis gewonen.

Habt ir eur tag von Rom nie ghort?

Wie man sagt im gmeinen sprichwort,

Daß eim zu Rom kein sünd nit schad,

Allein so er kein gelt mer hat,

Das ist die allergröste sünd,

Welch nit der bapst vergeben künt.«

Hie magstu merken, wie gar fein,

Wie schon, wie züchtig, keusch und rein

Ist zu Rom der papisten leben:

Schlangen möcht man damit vergeben.

Noch dörfen sie sich Gottes rümen

Und mit der schrift ir sach verblümen.

Ich hort ein mal vom Parasell,

Ein großer hans und kluger gsell,

Da man sagt von göttlichen sachen,

Daß ers gar hönisch tet belachen

Und sprach: Sint der zeit und den stunden,

Daß die geistlichen han erfunden

Das himmelreich und die hellen,

Vexiern uns leien, wie sie wöllen,

Tichten ein leben nach dem tot,

Wenn doch all ding ein ende hat.

Wern Petrus, Paulus hieher nit komen,

Rom het so ser nit abgenomen.

Fart mit eurm himel, wo ir wolt, hin,

Ich geb vor als nicht ein quatrin.

Drumb auch das sprichwort warhaft ist:

Je neher Rom, je böser christ.


Quelle:
Burkard Waldis: Esopus. Erster und zweiter Theil, Band 2, Leipzig 1882, S. 179-181.
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